Im Raum Lohr fehlen die Hausärztinnen und -ärzte: Nach Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) liegt der Versorgungsgrad hier bei nur 68 Prozent. Die 14 Ärztinnen und Ärzte, die nach KV-Angaben hier arbeiten, sind im Schnitt 58 Jahre alt. Das ändert sich jedoch jetzt: Mit Jana Lerahn (37) und Elvira Beidinger (44) sind jetzt zwei neue Ärztinnen in die Praxisgemeinschaft von Dr. Manuela Rubenbauer eingestiegen.

Lerahn und Beidinger waren zuvor in der Karlstadter Praxis Jovnerovski angestellt – doch die Selbstständigkeit hat sie gereizt. Auch ein Teil des Praxisteams geht mit nach Lohr. Dass die beiden Ärztinnen mit Rubenbauer zusammengefunden haben, war ein glücklicher Zufall. Denn eigentlich hatten die beiden jüngeren Ärztinnen kein Interesse an einer Praxis, die so verwinkelt ist und über zwei Etagen geht, wie die von Rubenbauer in der Sterngasse.
Doch dann hatten durch einen Planungsfehler Rubenbauer und Beidinger gemeinsam Dienst in der Bereitschaftspraxis der KV. Sie kamen ins Gespräch, verstanden sich gut. Für das Raumproblem war dann schnell eine Lösung gefunden: Ein Jahr bleibt die neue Praxisgemeinschaft jetzt in Rubenbauers Räumen, ab Oktober 2023 zieht die Praxis um größere, frisch renovierte 300 Quadratmeter in der Ludwigstraße, die bisherige Hautarztpraxis von Dr. Andrea Demmler.
In Lohr fehlen die Altpraxen, in die Nachwuchs einziehen kann
Anfragen von neuen Patientinnen und Patienten habe es schon reichlich gegeben – wenig verwunderlich im unterversorgten Lohr. Die Hausarzt-Kolleginnen und -Kollegen in der Stadt kann Jana Lerahn nur loben: "Die haben sich in der Not gut vernetzt, ist mein Eindruck." Auch über einen Mangel an Fachkräften für Praxisbetrieb kann sie sich hier nicht beklagen: "Hier gab es sehr viele Bewerber, die einfach an der Tür geklingelt haben." Das liege auch daran, dass so viele anderen Praxen in den letzten Monaten aufgehört haben.

Beidinger lebt mit ihrer Familie in Veitshöchheim, Lerahn in Steinfeld – gern hätte sie auch dort eine Praxis eröffnet. "Die Gemeinde Steinfeld hat sich wirklich ins Zeug gelegt und hätte vieles für uns möglich gemacht", lobt Lerahn ihren Wohnort. Unterm Strich habe es dann in Lohr aber doch besser gepasst, auch wenn sie sich hier von der Stadt in manchen Dingen mehr Unterstützung gewünscht hätte.
Woran liegt es, dass in Lohr dringend Hausärzte gesucht werden, Karlstadt aber gut versorgt ist? "Die zehn Kilometer, die Lohr weiter von Würzburg entfernt ist, machen einen großen Unterschied", vermutet Lerahn. Da helfen auch die mehr als 100.000 Euro Förderung nicht, die die KV und das Landesamt für Gesundheit in Aussicht stellen. Außerdem fehle es Lohr an Infrastruktur: Viele ehemalige Praxen seien inzwischen umgewandelt worden in Büros und um eine neue Praxis einzurichten, müsse man heute viele Auflagen einhalten – "das geht fast nur in einem Neubau".
Neue Praxisgemeinschaft kann 4000 Patienten im Quartal empfangen
Warum wollen Beidinger und Lerahn das, was viele andere Ärzte so abschreckt: die eigene Praxis auf dem Land statt einer Anstellung in einer Praxis oder Klinik in einer Unistadt? Lehrans Ehemann ist gebürtiger Steinfelder, als sie eine Familie gründeten und Kinder bekamen, zogen sie von Karlsruhe in seinen Heimatort.
Für Lerahn überwiegen die Vorteile der Selbstständigkeit: "Wenn meine Arbeitszeiten nicht mit meiner Familie vereinbar sind, kann ich hier zum Beispiel einfach meine Sprechzeiten anpassen. Ich kann bestimmen, mit wem ich zusammenarbeite." Eine Stelle in einem Klinikum wäre für sie keine Option. "In meiner Facharztausbildung in Karlsruhe hatte ich das Gefühl, ich bin hier nur ein Rädchen im Getriebe. Da gab es wenig Wertschätzung."

Rubenbauer wird nun mehr als Betriebsmedizinerin arbeiten und nur etwa eineinhalb Tage in der Woche in der Praxis und bei Hausbesuchen ihre langjährigen Patienten und Patientinnen betreuen. Lerahn und Beidinger steigen beide in Vollzeit ein, stundenweise wollen sich auch die Ruheständler Dr. Thomas Hickisch und Dr. Walter Hirsch beteiligen. So kommt die Praxisgemeinschaft auf mehr als drei Vollzeitstellen. "Bisher haben etwa 2000 Patienten im Quartal diese Praxis besucht, wir können mit dem neuen Team dann locker doppelte so viele behandeln", sagt Jana Lerahn.
Auch die Fachärzte wollen sie entlasten, indem Lerahn als Internistin zum Beispiel auch Schilddrüsenkontrollen übernimmt. Für Hausbesuche haben sie tragbare Ultraschall- und EKG-Geräte angeschafft. Auf den anstehenden Winter mit Grippewelle und einem möglichen neuen Corona-Ausbruch blickt Lerahn gelassen: "Wir sind da."
Hausärzte in Main-SpessartDie Kassenärztliche Vereinigung legt in ihrer Bedarfsplanung fest, für wie viele Einwohnerinnen und Einwohner ein Arzt oder eine Ärztin vorhanden sein soll. Dabei wird auch die Altersstruktur berücksichtigt. Ist das Verhältnis genau erfüllt, liegt der Versorgungsgrad bei 100 Prozent. Der Planungsbereich Karlstadt ist laut Informationen der KV mit 105 Prozent leicht überversorgt, ebenso Marktheidenfeld (116 Prozent) und der Raum Gemünden (102 Prozent). Das Durchschnittsalter der Ärztinnen und Ärzte liegt zwischen 54 und 58 Jahren. Bayernweit liegt der Schnitt bei 55 Jahren. (Stand: August 2022)Quelle: KVB/ins