Die Kliniken in Deutschland kämpfen mit wachsenden Defiziten. Auch die Manager der kommunalen Krankenhäuser in der Region suchen nach Lösungen, um die Gesundheitsversorgung ohne rote Zahlen sicher zu stellen. Die Antworten fallen sehr unterschiedlich aus. Sebastian Lehotzki, Geschäftsführer des Klinikums Aschaffenburg-Alzenau, sieht den Tarifvertrag des öffentlichen Diensts (TVÖD) als Hemmschuh und will mehr Flexibilität. René Bostelaar am Klinikum Main-Spessart in Lohr kommt zu einem anderen Schluss. "Der TVÖD ist ein gutes Tarifsystem", sagt der Klinikreferent. "Er ist sozialgerecht und passt gut zu kommunalen Eigenbetrieben."
Für 2025 dürfte das Defizit des Klinikums Aschaffenburg-Alzenau bei rund 44 Millionen Euro liegen, zwischenzeitlich stand gar die Summe von 51 Millionen im Raum. Das Krankenhaus verfügt an zwei Standorten über insgesamt gut 820 Betten. Das Problem: Weil eigenes Personal fehlt, wird ein Teil der Stellen im Moment mit Leiharbeitern besetzt. Und das ist teuer. Geschäftsführer Lehotzki sieht an dieser Stelle ein Einsparpotenzial von zwölf Millionen Euro. Also will er Anreize setzen, um mehr eigenes Personal zu gewinnen und die vorhandenen Mitarbeiter zu motivieren, mehr zu arbeiten. Doch dabei ist er an die Grenzen des TVÖD gestoßen.
Arbeitgeberverband lehnt ab
Der vielbeachtete Vorstoß, Pflegekräfte mit elektrischen Dienstwagen auszustatten, ist vom Arbeitgeberverband gerügt worden. Nach einem gescheiterten Versuch, ganz aus dem Tarifvertrag auszutreten, strebt Lehotzki nun an, eine Tochtergesellschaft außerhalb des TVÖD zu gründen. Mitarbeiter könnten dann wählen, ob sie tarifgebunden in der Klinikums-GmbH angestellt sein wollen oder außertariflich in der Tochtergesellschaft. Es winken Anreize wie Dienstwagen, Wunscharbeitszeitmodelle und die Möglichkeit, bis zu 48 Stunden die Woche zu arbeiten.
Defizitsorgen plagen auch René Bostelaar am deutlich kleineren Klinikum Main-Spessart. Für 2024 wird sich das Defizit hier wohl auf 6,5 Millionen Euro belaufen, Tendenz steigend. Momentan bietet das Klinikum rund 220 Betten, im Neubau sollen es dann 280 sein. Kosten für Leiharbeit schlagen in Lohr aber nicht zu Buche. In der Pflege habe man im vergangenen Jahr quasi gar nicht auf Leiharbeit zurückgegriffen, in der Medizin nur geringfügig, berichtet René Bostelaar. Wie es zu diesem Unterschied kommt, kann er nicht erklären. Er wolle auch nicht von außen die Situation in einem anderen Krankenhaus kommentieren, so Bostelaar. Möglicherweise spiele die Nähe zum Rhein-Main-Gebiet mit seiner großen Zahl an Krankenhäusern eine Rolle.
Neubau als Glücksfall
Bostelaar setzt darauf, das Defizit durch optimierte und digitalisierte Abläufe im neugebauten Zentralklinikum zu reduzieren. "Der Digitalisierungsgrad ist noch nicht hoch, wir machen viel von Hand." Ein weiterer Grund für das Defizit sei, dass man auch Patienten behandle und behandeln wolle, die durch das aktuelle Finanzierungssystem nicht so hohe Erlöse bringen. "Je mehr Betten ich habe, wie beispielsweise im Klinikum Aschaffenburg-Alzenau, desto schwieriger wird es." Es sei wichtig, dass in Aschaffenburg nach einer Lösung gesucht werde, betont er. "Aschaffenburg ist ein Schwerpunktkrankenhaus. Stellen Sie sich mal vor, das gäbe es nicht!"
In Lohr sei es bislang meist gelungen, offene Stellen zu besetzen. Manche Pflegekräfte kämen auch zurück, nachdem sie Erfahrungen in anderen Bereichen gesammelt hätten. Für die aktuell laufende Ausweitung im Bereich Neurochirurgie und Neuroradiologie seien jeweils 16 und acht Bewerbungen eingegangen. Bostelaar setzt das auf das Konto des Neubaus. "Das ist ein Magnet und unser Glücksfall."
Den TVÖD sieht der Lohrer Klinikreferent - anders als Lehotzki in Aschaffenburg - nicht als Hemmschuh. "Man kann innerhalb des TVÖD viel machen. Beispielsweise mit Gutscheinen arbeiten oder eine Eingruppierung vorziehen", erklärt er. In Zusammenarbeit mit dem Personalrat gebe es eine ganze Reihe individualisierter Arbeitszeitvereinbarungen. Wer mehr arbeiten wolle, könne das auch tun. "Die Stunden werden natürlich bezahlt, darüber hinaus gibt es Zeitgutschriften als Prämie, wenn jemand für einen Kollegen einspringt." Die Mitarbeiter haben Parkplätze, können Elektroautos kostenlos laden und subventioniert über die Krankenhausküche essen. Dienstwagen hingegen gibt es keine, es sei auch kein Mitarbeiter deshalb nach Aschaffenburg gewechselt. "Die Aktion ist natürlich diskutiert worden", so der Klinikreferent. "Aber – wem soll ich den Dienstwagen denn geben? Irgendjemand fühlt sich immer benachteiligt."
Natürlich ist auch er nicht wunschlos glücklich mit dem TVÖD. "Ich motiviere alle Verdi-Mitglieder im Haus, sich nicht nur für mehr Geld, sondern auch für mehr alternative Arbeitsmodelle einzusetzen", betont er. "Es geht auch darum, individuell und tarifgerecht mehr bieten zu können." Der Marburger Bund sei bei den letzten Tarifverhandlungen der Ärzte in diese Richtung gegangen und habe sich mit Freizeit und Belastung auseinandergesetzt. Die Möglichkeit, mehr zu arbeiten, sieht Bostelaar kritisch. "Der Beruf ist anstrengend, wir brauchen die Erholung." Er ist dafür, stattdessen über die Vier-Tage-Woche nachzudenken und flexiblere Strukturen zu schaffen. "Wir haben immer noch Kernzeiten von 8 bis 14 Uhr unter der Woche. Aber die Patienten würden sich auch am Wochenende operieren lassen."
"Das Dümmste, was wir machen könnten"
Im Gegensatz zum Klinikum Aschaffenburg-Alzenau, das als gemeinnützige GmbH betrieben wird, ist das Klinikum Main-Spessart weiterhin ein Eigenbetrieb des Landkreises. Überlegungen, die Rechtsform zu ändern, sind nicht weiterverfolgt worden. "Das wäre das Dümmste, was wir im Moment machen könnten", stellt Bostelaar fest. "Eigenbetrieb zu sein gibt uns Stabilität, weil wir durch Gewährträgerschaft mit dem Landkreis verbunden sind."
Mit Sorge blickt René Bostelaar auf die Umsetzung der Klinikreform, die zum 1. Januar in Kraft getreten ist. "Es ist irre, keiner in Bayern weiß, was jetzt kommt", berichtet er von einem Treffen mit anderen Krankenhausmanagern. "Als Grund- und Regelversorger haben wir es bislang ganz gut hinbekommen. Aber mit den neuen Leistungsgruppen könnte es eng werden, die klinische Arbeit aufrecht zu halten und die Erlöse zu sichern." Deshalb müsse das Klinikum Main-Spessart sein Spektrum erweitern und neue Fachkräfte dazugewinnen. "Es wird ein Kampf bleiben, gut qualifizierte Menschen nach Main-Spessart zu bekommen und zu sehen, dass sie bleiben."