Es sind angespannte Zeiten im Gesundheitswesen. Der Landkreis Main-Spessart will nicht nur ein neues Klinikum bauen, das immer teurer wird. Jetzt wird auch die Krankenhausfinanzierung umgestellt. Wir sprachen mit Klinikreferent René A. Bostelaar über die Auswirkungen auf das geplante Zentralklinikum Lohr und über das künftige Baumhofquartier in Marktheidenfeld.
Frage: Herr Bostelaar, Krankenhaussterben, explodierende Baukosten und dazu wird noch die Krankenhausfinanzierung umgestellt. Was bedeutet das für den Bau des neuen Klinikums?
René A. Bostelaar: Es ist eine schwierige Zeit, ein neues Klinikum zu planen, aber es gibt zum Neubau keine Alternative. Wir brauchen in Main-Spessart ein modernes und digital bestens aufgestelltes Klinikum, welches die Bevölkerung mit stationären Leistungen versorgt. Nehmen Sie beispielsweise einen Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall in Burgsinn oder Rothenfels. Der braucht ein Krankenhaus, das in seiner Nähe ist.
Statt Fallpauschalen soll es künftig Vorhaltepauschalen geben.
Bostelaar: Bislang ist das nur ein Konzept, welches ich begrüße und mir davon eine deutlich bessere Finanzierung erhoffe. Diese ist nötig, nicht nur für uns, sondern für alle Krankenhäuser. Die sind alle hochdefizitär. Will man das Krankenhaussterben beenden, muss man die Krankenhäuser besser finanzieren.
"In den nächsten fünf Jahren geht jeder zweite Arzt hier in Rente. Wir müssen mit dem Klinikum einen Teil der Versorgung übernehmen können."
Klinikreferent René A. Bostelaar
Mit der Finanzierung verbunden ist die Einordnung der Krankenhäuser in eine Leistungssstufe. Level 1 bedeutet Grundversorgung, Level 2 Regel- und Schwerpunktversorgung und Level 3 Maximalversorgung (Unikliniken). In welche Leistungsstufe wird das neue Klinikum in Lohr eingeordnet?
Bostelaar: Wir brauchen Level 2. Wir haben hier einen unfallträchtigen Landkreis mit viel Tourismus, es stürzen Fahrradfahrer, es gibt Unfälle in der Landwirtschaft. Wir brauchen den Herzkatheter, die Schlaganfall-Versorgung, die Orthopädie und die Unfallchirurgie. Daher unbedingt Level 2. Dass wir das bekommen, ist sehr wahrscheinlich. Mir wurde dies auch in vielen Gesprächen schon signalisiert.
Wann entscheidet sich das?
Bostelaar: Sicher nicht in den nächsten zwei Jahren, vielleicht in drei Jahren.
Und wenn Level 2 nicht gelingt?
Bostelaar: Das wäre eine Katastrophe für die Bevölkerung. In den nächsten fünf Jahren geht jeder zweite niedergelassene Arzt hier in Rente. Es finden sich keine Nachfolger. Wir müssen mit dem Klinikum auch in der Lage sein, ein Teil der nicht mehr vorhandenen Versorgung zu übernehmen. Wir bauen hier ein modernes und digitales Klinikum, es wird ein Magnet für die stationäre Versorgung. Ich bin sicher, es wird gut angenommen.

Wo sehen Sie Chancen einer Spezialisierung?
Bostelaar: Zum einen in der Altersmedizin. Das Konzept haben wir aus Marktheidenfeld übernommen. Die Altersmedizin passt in unsere Region und wir rechnen auch mit Patienten von außerhalb des Landkreises. Der zweite wichtige Baustein ist eine große Intensivstation mit 24 Betten. Komplizierte Herzoperationen werden wir im neuen Klinikum nicht durchführen, das wird in großen Kliniken gemacht. Im Idealfall verlassen Patienten nach einer Herz-OP nach einem Tag wieder die Intensivstation, bei manchen dauert es aber länger. Diese blockieren beispielsweise in der Uniklinik Würzburg die Betten. Eine Verlegung mit dem Hubschrauber ins Klinikum Lohr wäre dann sinnvoll. Als dritten wichtigen Bereich sehen wir die bereits bestehende Schlaganfall-Einheit und das Herzkatheterlabor, die in unserem Klinikum beide rund um die Uhr in Betrieb sind.
Die Baukosten für das Zentralklinikum sind ständig gestiegen. Die erste Kostenschätzung für das neue Klinikum lag 2016 bei 100 Millionen Euro, jetzt sind wir bei 163,8 Millionen Euro. Niemand wird sich wundern, wenn das auch nicht reicht. Sind Sie gerade im "Augen zu und durch-Modus"?
Bostelaar: Von den 163,8 Millionen übernimmt der Bund und das Land 109 Millionen. Man kann sagen, zwei Drittel der Kosten werden gefördert. Dies gilt auch dann, wenn es zu weiteren Kostensteigerungen kommt. Es verbleibt nach jetziger Rechnung mit 54 Millionen Euro trotzdem viel Geld für den Landkreis, aber, wie gesagt, es gibt aus meiner Sicht zum Neubau keine Alternative. Wie teuer das Klinikum letztendlich wird, lässt sich nur spekulieren. Vielleicht sinken die Preise ja sogar.
In Karlstadt ist die Nachfolge mit dem Ärztehaus gut gelungen, in Marktheidenfeld kommt das Baumhofquartier nur schleppend voran.
Bostelaar: In Karlstadt läuft es gut, für Marktheidenfeld haben wir eine gute Idee. Ein komplett eigenständiges Quartier für Pflegeberufe mit Seniorenzentrum, Tages- und Kurzzeitpflege, mit Sozialem Wohnen und autarker Energieversorgung. Wir haben sogar angeboten, das Wonnemar mit Fernwärme zu versorgen. Auch wollten wir ein zusätzliches städtisches Grundstück in die Planung einbeziehen. Leider wurde aber vieles abgeschmettert.
Es fehlt offensichtlich das Vertrauen.
Boostelar: Ja, es wurden von uns Fehler gemacht. Die Bürger wurden nicht richtig mitgenommen. Mit der Entscheidung zur Schließung der Krankenhäuser hätte man echte Konzepte für die Nachfolge vorlegen müssen. Das wurde versäumt. Man sollte aber ein Strich darunter setzen. Ich bin überzeugt, mit unseren Plänen für das Baumhofquartier sind wir auf dem richtigen Weg.

In Marktheidenfeld wartet man auf eine klare Ansage zum Bau des neuen Seniorenzentrums. Die Betriebserlaubnis des bestehenden läuft aus. Wann wird damit begonnen?
Bostelaar: Wir haben ein Berliner Architektenbüro mit den Plänen beauftragt. Der Neubau soll nun von der Altstadt gesehen links vom bestehenden Seniorenzentrum entstehen, ohne das Wäldchen daneben zu verdrängen. Wir planen mit 78 stationären Pflegeplätzen, das alte Seniorenheim hat 86 stationäre Pflegeplätze. Es wird ein immer größeres Problem, das nötigen Personal für den Betrieb eines Seniorenheims zu finden. Beim Baumhofquartier haben wir die Chance, mit der Pflegeschule vor Ort das Personal hier zu binden. Vorgesehen sind Übergänge zum ehemaligen Krankenhaus und zum alten Seniorenzentrum. Im Krankenhaus sind derzeit Flüchtlinge untergebracht. Auf lange Sicht sollen diese Räume für die Tages- und Kurzzeitpflege genutzt werden. Da gibt es einen Riesenbedarf.
Es heißt, das Krankenhaus kann nicht umgewidmet werden, da sonst die Rückzahlung von Zuschüssen droht.
Bostelaar: Der Aspekt ist zu vernachlässigen, die Summe verkleinert sich mit jedem Jahr bis 2030.
"Wir machen derzeit 750.000 Euro Schulden in jedem Monat. Vielen Dank, Herr Lauterbach."
René A. Bostelaar
Wieviel wird das neue Seniorenzentrum kosten und wann ist Baubeginn?
Bostelaar: Wir planen mit 15 Millionen Euro für das Gebäude, davon sind, wenn wir in das Programm PflegesoNah aufgenommen werden, acht Millionen Euro Förderung. Baubeginn ist Ende 2024 oder Anfang 2025, wenn alles klappt.
Die weiteren Einrichtungen dort wie das Soziale Wohnen und Pflegezentrum sollen mit Hilfe privater Investoren finanziert werden? Wie sicher sind Sie, dass es diese gibt?
Bostelaar: Sehr sicher, da für Investoren gerade das soziale Bauen interessant ist. Die wichtigste Frage ist, ob der Bau auf eigenem Grund oder auf Erbpacht errichtet wird. Dieser Punkt muss grundsätzlich noch im Kreistag diskutiert werden.
Für das laufende Jahr sind 10,43 Millionen Euro Verluste für den Eigenbetrieb Kreisklinikum und Senioreneinrichtungen eingeplant. Die Zahl schockiert.
Ja, soviel Schulden machen wir, derzeit 750.000 Euro in jedem Monat. Vielen Dank, Herr Lauterbach. Es geht nicht uns alleine so. 90 Prozent aller Krankenhäuser fahren große Verluste ein. Daher muss sich die Finanzierung dringend ändern, sonst fahren wir unsere gesamte Gesundheitsversorgung, in Bayern und Deutschland, gegen die Wand.

Wird das fertige Klinikum ohne Defizite zu führen sein?
Bostelaar: Das wird davon abhängen, wie die Finanzierung der Krankenhäuser 2026 aussieht. Wir gehen davon aus, dass wir in Level 2 eingruppiert werden und damit einen großen Teil des Betriebes finanziert bekommen. Durch die Attraktivität des neuen Hauses werden die Patientenzahlen steigen und damit die Erlöse. Auch die enge Zusammenarbeit mit dem Bezirkskrankenhaus wird sich positiv auswirken. Ich hoffe, wir haben dann ausreichend Personal und alle Mitarbeitenden ziehen an einem Strang. Dann gehe ich davon aus, dass das neue Klinikum eine ausgeglichene Bilanz haben wird.
Neubau Zentralklinikum Das Kreiskrankenhaus in Lohr verfügt aktuell über zehn Fachabteilungen mit zusammen 260 Betten. Im geplanten Zentralklinikum am Lohrer Sommerberg, welches das Bestandskrankenhaus ersetzen soll, sind nach bisheriger Planung 280 Betten vorgesehen. In diesem Jahr wurde mit dem Bau der Zubringerstraße des Klinikums begonnen. Der erste Spatenstich ist für den 11. September 2023 mit Ministerpräsident Markus Söder vorgesehen. Es ist das Ziel, das neue Klinikum Mitte bis Ende 2026 fertigzustellen. Quelle: gi