Die Fakten sprechen Klartext: Das Klinikum Main-Spessart hat nur noch als zentral geführtes Haus eine Zukunft.
Diese Ansicht, untermauert durch Zahlen und Argumente, vertrat die Peritinos AG (Berlin), die den Main-Spessart-Kreis berät und ein Gutachten über die Zukunftsfähigkeit des Klinikums angefertigt hat. Dieses stellten vier Experten am Mittwochnachmittag in einer Sondersitzung des Kreistags Main-Spessart erstmals der Öffentlichkeit vor (die Main-Post berichtete vorab exklusiv in Auszügen). Bisher hatte nur eine Arbeitsgruppe aus Kreisräten und Klinikmitarbeitern darüber nichtöffentlich diskutiert.
Landrat Thomas Schiebel erinnerte zu Beginn daran, dass der Kreistag sich im Herbst 2014 schon einmal ein Gutachten eingeholt habe, dass die Zentralisierung des Klinikums vorgeschlagen hatte. Dies sei für die Mehrheit des Kreistags „unbefriedigend“ gewesen, weswegen man auf eine zweite Meinung wert legte. Vorgabe war: Es bleibt bei einer Krankenhaus-Versorgung im Landkreis und zwar in kommunaler Hand.
Für die Berater verdeutlichte zunächst Dr. med. Petra Schulte, warum die Peritinos AG nur auf Einhäusigkeit setzt. Sie klärte auf, dass die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen sich dramatisch geändert hätten. Die Bundesregierung wolle in Deutschland rund 200 Krankenhäuser weniger und dafür mehr große, zentrale Einrichtungen. Zielvorgabe: Innerhalb von 30 Minuten soll jeder Bürger ein Krankenhaus erreichen können.
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Dazu komme der medizinische Trend zur Spezialisierung einerseits und zur fächerübergreifenden Zusammenarbeit andererseits. Eine Besonderheit im Main-Spessart-Kreis: Entgegen vieler Bekundungen, dass die Bevölkerung wert auf wohnortnahe Krankenhäuser lege, würden mehr als die Hälfte der Patienten weite Wege in Häuser außerhalb des Landkreises in Kauf nehmen, besonders nach Würzburg und Wertheim.
Schulte benannte auch strukturelle Probleme: Während das Klinikum Main-Spessart zu wenige (gut bezahlte) stationäre Aufenthalte vorweisen könne, leiste es sich zu viele (nicht oder schlecht vergütete) ambulante Behandlungen. Zu wenige Patienten, zu wenige Erlöse – der Weg in immer höhere Defizite ist vorgezeichnet.
„Dann bekommen Sie endlich eine schwarze Null und die Bevölkerung die Leistungen, die sie braucht.“
Dr. Martin Köblers Plädoyer für einen Neubau des Klinikums
Was fehle, seien lukrative und dem Bedarf der Bevölkerung entsprechende medizinische Angebote: in erster Linie eine Kardiologie. Schulte wies darauf hin, dass schon heute Herzinfarktpatienten aus dem Landkreis hinausgefahren würden. Für Schlaganfälle habe das Klinikum noch eine zertifizierte „Stroke Unit“, eine darauf spezialisierte Abteilung, doch die werde auf Dauer ohne Herzkathederlabor nicht bestehen können. Außerdem sieht Schulte Bedarf für eine Gefäßchirurgie und den Ausbau von Urologie und Gynäkologie.
Dass es wohl keine Geburtshilfe mehr im Landkreis geben werde, erklärte ihr Kollege Dr. Martin Köbler damit, dass die Mehrzahl der heute Gebärenden wegen ihres Alters über 30 als Risikoschwangerschaften gewertet würden und somit eine Kinderintensivstation Pflicht sei. Eine solche werde Main-Spessart aber nie genehmigt bekommen. Und auch bei der Palliativmedizin werde das Klinikum leer ausgehen, weil Würzburg schon gute Angebote für die Region mache.
Unterm Strich betonte Köbler, dass aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen und des medizinisch erforderlichen Angebots nur ein Zentralklinikum überlebensfähig und für Patienten sowie medizinischen Nachwuchs attraktiv sei. Gerade der vorgeschlagene Aufbau von neuen Leistungen mit allen Experten an einem Standort sei mit drei Häusern nicht zu schaffen. Sollte sich der Kreistag aber für ein zentrales Haus entscheiden, „bekommen Sie endlich eine schwarze Null und die Bevölkerung die Leistungen, die sie braucht“.

Die Unwirtschaftlichkeit der Drei-Häuser-Politik arbeitete auch Thomas Newe, Diplom-Kaufmann bei Peritinos, heraus. Er schockierte die Zuhörer mit der Feststellung, dass die Auslastung des Klinikums bei weitem nicht an die bundesweit geltende Wirtschaftlichkeitsgrenze von 85 Prozent heranreiche. Lohr liege bei 67, Marktheidenfeld bei 72 und Karlstadt bei 75 Prozent. „100 Betten sind nicht belegt“, fasste Newe zusammen. Und selbst die belegten Betten seien gefährdet, weil der Landkreis mit ihnen zu wenige Erlöse erziele. Newe erinnerte daran, dass das Klinikum zuletzt 2010 einen geringen Gewinn erwirtschaftet habe. Die Verluste betragen seither rund zehn Millionen Euro. In den nächsten fünf Jahren kämen weitere 30 Millionen dazu, prognostizierte er.
Die Frage, ob eine Sanierung am Standort Lohr oder ein Neubau günstiger sei, klärte Schultes Kollege Konrad Goddemeier, Fachmann für Immobilien. Er rechnete den Zuhörern vor, dass der Landkreis bei der Generalsanierung und Erweiterung des Kreiskrankenhauses in Lohr Kosten von bis zu 88 Millionen Euro zu erwarten habe. Die bisher veranschlagten 68 Millionen hätten viele Bereiche noch gar nicht erfasst. Überdies stünden in den nächsten fünf Jahren in Marktheidenfeld und Karlstadt zusammen rund 18 Millionen Euro für Sanierungen an.
Ein Neubau für ein 250-Betten-Haus würde dagegen 100 Millionen Euro verschlingen, zeigte sich Goddemeier überzeugt. Während es für die Sanierung 60 Prozent staatliche Zuschüsse gebe, seien beim Neubau 70 bis 80 Prozent zu erwarten.
Dr. Köbler fasste die Aussagen aller Experten in einem Appell an den Kreistag zusammen: „Krempeln Sie die Ärmel hoch und legen Sie los.“ Selbst nach einer zügigen Entscheidung für einen Neubau würden noch sieben bis zehn Jahre bis zur Verwirklichung ins Land gehen.