Eine Beratung über den Masterplan und seine 39 Projekte war am Freitag in der Lohrer Stadthalle nicht vorgesehen. Doch die Pause zwischen beiden Programmteilen nutzten Vertreter aller Fraktionen für Anmerkungen zu den Vorträgen von Landrätin Sabine Sitter und Klinikreferent René Bostelaar. Viele griffen dabei das Bild auf, das Sitter zuvor bemüht hatte: Das Klinikum sei das Schiff, auf dem sie alle Beschäftigten und den Kreistag sehe, der Masterplan die Seekarte für die Fahrt zum Ziel. Und sie stellte klar: "Einzelne versuchen, hinten am Tau hängend, das große Schiff aufzuhalten; aber es ist nicht mehr aufzuhalten und ich will das auch nicht."
Sitter und Bostelaar bedauerten, dass aufgrund der Pandemie aktuell keine ausgiebige Diskussion über den Masterplan möglich sei. Sie soll nun am 21. Mai oder bei einer Sondersitzung stattfinden, kündigte Landrätin Sitter an. Wegen der unterschiedlichen Summen, die bezüglich Klinikneubau im Umlauf sind, sagte Sitter: "Der Neubau hat ein Kostenvolumen von 145 800 000 Euro – damit Sie mal eine Zahl aus meinem Munde hören."
Der Klinikreferent wiederum zeigte in seinem Rückblick auf die "richtigen Entscheidungen", die zum Masterplan führten, Verständnis für die seit zehn Jahren teilweise sehr emotional geführte Diskussion um die Krankenhäuser im Landkreis. Das neue Klinikum in Lohr mit 100 Millionen Euro Förderung sei das zweithöchste staatliche Förderprojekt in ganz Bayern. Jetzt brauche es Weichenstellungen: "In den nächsten fünf Jahren wird die Hälfte der niedergelassenen Ärzte und Fachärzte im Landkreis in Rente gehen – wir müssen damit rechnen, dass immer mehr Verantwortung in den stationären Bereich übergehen wird."
Es braucht weiterhin noch Einzelbeschlüsse
Im Saal spüre er "viel Misstrauen", das er in Vertrauen umwandeln möchte, so Bostelaar. Er versprach: "Ich werde diesen Job zu Ende bringen." Daniel Schulze, Leitung der Abteilung Bauangelegenheiten im Landratsamt, versicherte auf die entsprechende Anfrage, dass ein Beschluss zum Masterplan keinen bisher getroffenen Einzelbeschluss aufhebe und für viele seiner Bausteine weitere Einzelbeschlüsse erforderlich seien. Der Masterplan sei kein Vertrag, sondern eine übergreifende Planung.
Walter Heußlein (CSU) schmeckte der Vorwurf des Misstrauens gar nicht. "Wir müssen Sie kritisch begleiten, so werden wir unserer Aufgabe gerecht", rückte er Bostelaars Aussage zurecht. Der wiederum verwies darauf, dass Negatives über das Klinikum in den Medien oder im Stadtgespräch die Beschäftigten belaste und ihm erst eben wieder ein Facharzt abgesagt habe, weil er gelesen hätte, dass am Klinikum schlechte Stimmung sei.
Richard Roos (UGM) gefiel der Hinweis der Landrätin nicht. Er sehe sich keineswegs als "Tölpel, der am Tau hänge", sondern sehe alle 60 Kreisräte an Bord. Allerdings halte er es für seine Pflicht, an die Brücke zu funken, wenn Eisberge in Sicht seien.

Christine Kohle-Weis (SPD) erinnerte die Landrätin daran, dass das Informieren der Kreisräte keine Hol- sondern eine Bringschuld sei. "Informationen müssen geliefert werden."
Kurt Schreck (AfD) äußerte einmal mehr seine "Sorge, ob das Ganze finanzierbar ist". Es gehe ihm nicht darum, Störfeuer zu veranstalten. "Wenn Dinge aus dem Ruder laufen, müssen kritische Fragen erlaubt sein."
Zweifel an genannter Summe fürs Klinikum
UGM-Fraktionssprecher Christian Menig hatte in der Sitzung am Vormittag nichts Neues erfahren und fand diese deshalb "nicht zielführend". Was der Klinikreferent in einem Monolog vorgetragen habe, sei eine "sehr einseitige Darstellung" gewesen. Die genannten 145 Millionen Euro Kosten bezweifelte er, da auch der Planer schon von 160 Millionen gesprochen habe.
"Diesen Plan hätten wir schon 2015 gebraucht", merkte Grünen-Fraktionschef Gerhard Kraft an. Auf dem Weg zum neuen Klinikum gebe es kein Zurück. Dringenden Gesprächsbedarf sah er bei den Senioreneinrichtungen, die im Masterplan zu kurz kämen. Landrätin Sitter versicherte in diesem Zusammenhang: "Von mir gibt es ein klares Bekenntnis zu unseren Senioreneinrichtungen." Sie aufzugeben, sei nicht vorgesehen.
"Den Anklang eines Eigenlobs", hatte Brigitte Riedmann (Freie Wähler) aus dem Bostelaar-Vortrag herausgehört. Der Kreistag stehe hinter allen Beschäftigten des Klinikums. Diese verdienten Wertschätzung. "Ich bitte da auch die Geschäftsleitung, ein Augenmerk darauf zu haben." Sie wünschte, dass sich der Umgangston ändere. Auch Robert Herold (Freie Bürger) fragte sich, ob es an den Kreisräten liege, wenn die Stimmung am Klinikum schlecht ist, oder an internen Dingen im Krankenhaus.

Mehr Kommunikation mit Beschäftigten
Bostelaar verwies auf die schwierige Kommunikation in Pandemie-Zeiten. Aber er habe einige Dinge verändert, eine Sprechstunde und einen Videoblog eingeführt und einen anonymen Briefkasten für Beschwerden des Personals.
SPD-Fraktionvorsitzender Sven Gottschalk war, was die Schiffsreise anbelangt, zuversichtlich. Alle seien an Bord. Das Hafentor sei noch zu, weil ein Beschluss noch fehle, aber es werde öffnen. Aber Gottschalk stellte klar: "Wenn uns etwas auffällt, bevor die Reise beginnt, dann müssen wir das auch sagen."
Hubert Fröhlich (FDP) wünschte, dass die Berufsschule für Pflege aus dem künftigen Kommunalunternehmen herausgenommen werde, was wiederum Thorsten Schwab (CSU) nicht gut fand. Ohne das Klinikum werde es die Schule schwer haben. Am neuen Klinikum, egal ob es 145 oder 160 Millionen Euro koste, führe kein Weg vorbei, so Schwab: "Es gibt keine Alternative, um in Main-Spessart am Schluss noch ein Haus der Grund- und Regelversorgung zu behalten." Diesem Ziel pflichtete stellvertretender Landrat Christoph Vogel (FW) bei. Und in Richtung Bostelaar sagte er, dabei sei es nicht das Ziel, Rendite zu erzielen, sondern eine schwarze Null.