Die Zukunft des Klinikums Main-Spessart war das beherrschende Thema der Marktheidenfelder Bürgerversammlung. Etwa 100 Teilnehmer kamen dazu am Dienstagabend ins Rathaus.
Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder hatte Landrat Thomas Schiebel, die Klinikleitung und den Vertreter der KVB für die Hausärzte in Unterfranken dazu geladen. Interessierter Beobachter war der Karlstadter Bürgermeister Paul Kruck, dessen Standort wie Marktheidenfeld von der Zentralisierung in Lohr betroffen ist.
Die Ausgangslage zur Jahreswende
Klinikreferent Gregor Bett erläuterte anfangs die Ausgangslage des Klinikums so wie am Morgen zuvor auf der Pressekonferenz und unterstrich sein Credo, „exzellente Medizin“ bieten, aber nicht mehr über die Standorte diskutieren zu wollen (wir berichteten ausführlich).
Was ist ein echter Notfall?
Da die Bürgerinitiative proMAR für die Nachnutzung des Kreiskrankenhauses Marktheidenfeld den Erhalt einer rund um die Uhr besetzten Notfallambulanz fordert, erläuterte Dr. Susann Walz, Leitende Ärztin in der Zentralen Notaufnahme Lohr, die dafür wesentlichen Fakten.
Zunächst unterschied Walz zwischen lebensbedrohlichen Notfällen, die im Krankenhaus behandelt werden müssten, und körperlichen Beschwerden, wie zum Beispiel ein eingewachsener Zehennagel, die von niedergelassenen Ärzten behandelt werden sollten.
Deutlich betonte Walz, dass der echte Notfall nicht allein durch einen Arzt abgedeckt werden könne. Vielmehr brauche es je nach medizinischem Problem eine differenzierte Infrastruktur. „Für eine vernünftige Medizin“ seien mindestens Computertomograf, Intensivstation und Schlaganfall-Einheit vorzuhalten. Für wichtig hielt Walz auch, dass Anästhesist, Chirurg und Internist greifbar seien.
Ausgeklügelte Infrastruktur
Sie machte das am Beispiel von unklaren Bauchschmerzen deutlich, die auf verschiedene, durchaus auch ernste Krankheiten hindeuten würden und unterschiedliche Untersuchungen erforderten.
Ein Labor und ein Blutdepot seien weitere Einrichtungen, die zu einer Notfallmedizin gehören – und das alles an 24 Stunden am Tag und 365 Tage im Jahr.
Nach einem geplanten bundesweiten Versorgungssystem seien künftig drei Stufen der Notfallversorgung zu erwarten: Demnach würden die Kreiskrankenhäuser Karlstadt und Marktheidenfeld nicht mehr dafür in Frage kommen, während Lohr als Notfallkrankenhaus akzeptiert werde, denn dort sei die nötige Infrastruktur vorhanden. Die höchste Stufe sei Großkliniken wie in Würzburg oder Aschaffenburg vorbehalten.
Zukunftsmodell Marktheidenfeld
Klinikreferent Bett erklärte dazu, dass Marktheidenfeld auch nach dem Abzug der Chirurgie und der Notfallversorgung Standort für Altersmedizin und Altenpflege bleiben werde. Die Geriatrie werde demnächst um 27 Betten aufgestockt; auch das Bildungszentrum für Pflegeberufe neben dem Kreiskrankenhaus soll dauerhaft in Marktheidenfeld bleiben. Weitere Formen der medizinischen Nachnutzung würden derzeit geprüft und erarbeitet.
Das Gesundheitswesen aus Sicht der KVB
Dr. Christian Pfeiffer, niedergelassener Arzt in Giebelstadt und Vorstandsbeauftragter der KVB für den hausärztlichen Bereich Unterfranken, erklärte ausführlich, warum die KVB ihren Bereitschaftsdienst im Landkreis Main-Spessart ebenfalls in Lohr zentralisieren werde. Sobald eine Dienstgruppe von Hausärzten unter die Zahl von 15 Mitgliedern falle, strukturiere die KVB die entsprechende Region um.
Das sei derzeit im Raum Gemünden der Fall. Der Gesetzgeber fordert von der KVB in solchen Fällen, ihre Bereitschaftspraxis möglichst an den Sitz eines Krankenhauses zu koppeln. Der Vorteil liege auf der Hand: Der Bereitschaftsdienstarzt könne die Infrastruktur wie CT oder Labor des Krankenhauses mitnutzen. Und im Ernstfall ist die stationäre Aufnahme ohne weitere Verzögerung oder Wege möglich.
Ein Bereitschaftsarzt im Klinikum, einer im Auto
Die Zentralisierung in Lohr ab Sommer 2017 sehe vor, einen Arzt in der Bereitschaftspraxis im Kreiskrankenhaus anzusiedeln, der nach Dienstschluss der Hausärzte ohne Anmeldung erreichbar sei. Ein zweiter Arzt – oder auch zwei – werde per Fahrdienst Hausbesuche übernehmen. Diese Umstrukturierung betreffe nicht nur Main-Spessart, sondern sei in ganz Bayern im Gange, belegte Pfeiffer anhand einer Landkarte.
Ärzteschwund auf dem Land
Die Gründe dafür: Zum einen gebe es auf dem Land immer weniger Hausärzte. Und zum anderen seien immer weniger von ihnen zu einem Bereitschaftsdienst bereit. Dazu komme, dass immer mehr Frauen in den Beruf strebten, die in Teilzeit arbeiten wollten und somit ebenfalls für Bereitschaftsdienst-Wochenenden nicht zur Verfügung stünden.
Auch die immer größere Zahl der angestellten Ärzte, die kein Interesse an der Selbstständigkeit hätten, mache die Besetzung der Bereitschaftsdienste immer schwerer. Pfeiffer fragte provokant: „Wenn ein junger Arzt entscheidet, ob er aufs Land gehen und Bereitschaftsdienste übernehmen soll oder in Würzburg frei von solchen Belastungen eine Praxis führen kann: Wohin wird er wohl gehen?“