Hat sich ein 50-jähriger Mann aus dem Raum Marktheidenfeld im August 2017 ritterlich verhalten, als er einen Jüngeren, der eine Auseinandersetzung mit einer 18-jährigen jungen Frau hatte, mit Schlägen und Tritten traktierte, oder führte er dabei einen persönlichen Rachefeldzug? Dies wollte Richterin Kristina Dürr in der Verhandlung vor dem Amtsgericht Gemünden klären. Damit muss sie aber warten, denn der Geschädigte erschien nicht zur Verhandlung.
Den Vorfall, der sich am 19. August im Anschluss an einen Besuch auf der Laurenzi-Messe ereignet hat, würdigte das Amtsgericht zunächst mit einem Strafbefehl über 3600 Euro (90 Tagessätze zu 40 Euro). Gegen diesen hatte der 50-jährige Betriebsschlosser über seinen Anwalt Widerspruch eingelegt, sodass es jetzt zur mündlichen Hauptverhandlung kam.
Dem Alkohol gut zugesprochen hatte der Angeklagte an jenem Abend, den er zusammen mit seinem 43-jährigen Bruder auf dem Volksfest verbracht hatte. Mit einem der letzten Festwochen-Express Busse fuhren die beiden Männer zurück zu ihrem Wohnort. Nach dem Aussteigen hörten sie Hilferufe und auch Weinen. In etwa 100 Meter Entfernung saß oder lag ein Mädchen auf der Straße und vor ihr stand ein kräftiger junger Mann, mit dem sie sich stritt. „Da war Gefahr im Verzug“, so schätzte der 50-jährige die Situation ein, der sich zu den Kontrahenten begab. „Ich habe ausgeteilt und auch eingesteckt“, erklärte der Angeklagte, als er den jungen Mann von der 18-Jährigen weggebracht habe.
Das, was sich auf den ersten Blick als gute Tat darstellt, hat allerdings ein „Geschmäckle“: Der Angeklagte, der den jungen Mann beim Näherkommen erkannt hat, hatte vor einiger Zeit eine unangenehme Begegnung mit diesem, als der Jüngere mit seinem Fahrrad den Älteren belästigte und bedrohte, indem er ganz dicht an ihm vorbei und um ihn herumfuhr. Im Dorf war der junge Mann dafür bekannt, dass er gerne Mitmenschen anpöbelte und mit Gegenständen wie Feuerwerkskörpern bewarf.
„Sie hat gewimmert und mehrmals betont, dass sie in Ruhe gelassen werden will.“
Zeuge vor dem Amtsgericht in Gemünden
Teilnehmer einer kirchlichen Prozession soll er auch mit Eiern beworfen haben. So könnte aus der gut gemeinten Hilfe aber auch ein Fall von „Rachefeldzug“ geworden sein.
Rund ein Jahr war die 18-jährige Auszubildende mit dem zur Verhandlung geladenen, aber nicht erschienen, geschlagenen Zeugen befreundet. Allerdings hat sie sich von ihm wegen mehrerer Gewaltübergriffe getrennt und bei Gericht sogar eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkt.
„Sie hat gewimmert und mehrmals betont, dass sie in Ruhe gelassen werden will und er sie endlich loslassen soll“, schilderte der 43-jährige Bruder des Angeklagten das Geschehen. Daher seien die beiden Männer von einer Notfallsituation ausgegangen, bestätigte ein Poliozeibeamter. Weiter bestätigte er, dass der Geschädigte mehrfach wegen Gewalttätigkeit in Erscheinung getreten ist. Die Verhandlung wird an diesem Mittwoch fortgesetzt.