Dieser Moment, wenn der Vorstand in der Versammlung verkündet, sein Amt niederzulegen. Schockstarre. Niemand hebt die Hand, um sich zur Wahl aufstellen zu lassen. Fragen, wie es mit dem Verein weitergehen soll, kommen auf. So kann die Nachfolgersuche im Extremfall ablaufen. Genau diese Situation wollen die Triathleten des TSV Karlstadt gar nicht erst aufkommen lassen. Seit mehr als zehn Jahren rotieren sie deshalb den Posten der Abteilungsleitung, bisher war noch niemand doppelt dran. Wie haben sie es geschafft, dass dieses System bereits so lange reibungslos läuft?
1. Der aktuelle Abteilungsleiter Jürgen Höfling empfiehlt das Modell eher für größere Vereine

Jürgen Höfling, der aktuelle Abteilungsleiter, bringt seine Krone zum Pressetermin mit ins Training. Für die Übergabe des Amts hat sich mittlerweile ein Hofprotokoll entwickelt: Der Nachfolger oder die Nachfolgerin bekommt die Krone auf den Kopf, es gibt ein Krönungsfoto. Die Amtszeit wird im Inneren des Kronenrings schriftlich vermerkt. Höfling erinnert sich, dass die Arbeit im Verein durch den stetigen Mitgliederzuwachs immer mehr wurde, vor allem auch im Jugendbereich. Weit über 100 Mitglieder seien es mittlerweile.

Von der Gründung der Abteilung Triathlon im Jahr 1999 bis zum Jahr 2011 habe die Leitung immer bei einer Person gelegen, dann musste eine neue Lösung her. "Viele wissen gar nicht, was an einer Abteilungsleitung alles dranhängt", sagt Höfling. Vor allem zu Stoßzeiten, wenn Wettbewerbe anstehen, sei viel zu erledigen. Jährlich organisiert der Verein auch selbst einen Kinder- und Jugendwettbewerb, den "Swim and Run".
"Mal schauen, wie viele Jahre es noch gut geht", sagt der 49-Jährige. Einem kleineren Verein kann er das Modell eher nicht empfehlen, sonst würde es unter den Mitgliedern doch immer wieder die gleichen treffen.
2. Friederike Reiser-Dobler leitete den Verein 2023 und findet, die Rotation schweißt zusammen

Höflings Vorgängerin, Friederike Reiser-Dobler, hatte vorher noch kein Amt im Verein inne. Es gibt eine "feste Truppe", sodass sich etwa seit Jahren immer die gleiche Person um die Aufgaben des Kassiers kümmert. Würde auch diese Gruppe rotieren, wäre das Modell in der Form nicht möglich, findet Reiser-Dobler. "Es ist interessant, wenn man noch kein Amt hatte, mal hinter die Kulissen zu schauen", findet die 62-Jährige.
Absprachen mit den Stadtwerken, Trainingszeiten abklären, Veranstaltungen organisieren – ein normales Vereinsmitglied wisse von der Arbeit im Hintergrund dafür nichts. "Man weiß die Arbeit von denen, die einen festen Posten haben, mehr zu schätzen", sagt sie im Rückblick auf ihre kurzzeitige Vorstandschaft. Einen weiteren Vorteil, den sie in der Rotation sieht: "Jeder kann unterschiedliche Akzente setzen." Für Reiser-Dobler war die Kinder- und Jugendarbeit etwa besonders wichtig.

Immer im Januar, in der ersten Sitzung des Jahres, geht das Amt über. Inklusive eines Ordners und eines USB-Sticks mit den wichtigsten Unterlagen, in die sich der oder die Neue erst einmal reinfuchsen muss. "Es ist ein Mehraufwand, aber es funktioniert gut", sagt Reiser-Dobler. Mit einem "Hast du schon...?" oder "Denk dran: ..." stünden die ehemaligen Abteilungsleiter und -leiterinnen dem Amtierenden auch zur Seite.
Im Notfall könnte sie sich vorstellen, das Amt noch einmal zu übernehmen. Aber erst einmal hoffen sie und ihre Amtskollegen auf die neuen Mitglieder und die heranwachsende Jugend, die schließlich auch mit in die Rotation genommen werden kann.
3. Christiane Gössl blickt gespannt auf ihre anstehende Amtszeit 2024

"Kein Verein kann eine Wahl machen, ohne dass es vorher abgeklärt ist", glaubt Christiane Gössl. Schon seit einigen Monaten weiß die 60-Jährige, dass zum Jahreswechsel die Abteilungsleitung an sie übergeht. "Ich denke, ein Jahr schafft man schon", ist sie zuversichtlich. Wie es sich anfühlt, bald das Zepter in der Hand zu haben? "Es ist schon ein bisschen spannend."
Für Gössl war die kurze Dauer der Amtszeit auf jeden Fall ein Argument. Ein Jahr könne sie gut mit der Familie absprechen: So erhöht sich der zeitliche Einsatz für den Triathlon-Verein nicht auf lange Sicht, falls die Familienzeit in diesem Jahr etwas zurückstecken müsste. Außerdem ist die 60-Jährige auch in anderen Ehrenämtern eingespannt, etwa im Gemeinderat und im Sportverein in Gössenheim. "In so einem Dorf ist man ja fast in jedem Verein", sagt sie.
Viele, die sich ein Amt vorstellen könnten, haben Angst vor der Nachfolgersuche, glaubt Gössl. "Ich denke, dass das schon viele überzeugt", sagt sie über das Rotations-Modell der Triathleten. Und was würde passieren, wenn jemand die Krone länger als ein Jahr aufbehalten möchte? "Da würden wir nicht 'Nein' sagen", sind sich die drei einig.