Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Gemünden
Icon Pfeil nach unten

Kriegsdrama mit Folgen

Gemünden

Kriegsdrama mit Folgen

    • |
    • |
    Kriegsopfer: Andreas Ott war der erste Lohrer, der auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs den Tod fand. Das Foto zeigt ihn mit seiner Frau Klara, geborene Wirth, die Nazis 1940 in der Gaskammer umbrachten.
    Kriegsopfer: Andreas Ott war der erste Lohrer, der auf dem Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs den Tod fand. Das Foto zeigt ihn mit seiner Frau Klara, geborene Wirth, die Nazis 1940 in der Gaskammer umbrachten. Foto: REPRO: DEhm

    Der junge Gärtner Andreas Ott (1890 – 1914) war der erste Soldat aus Lohr, der im Ersten Weltkrieg auf dem Schlachtfeld den Tod fand. Letztendlich führte dies dazu, dass seine Witwe von den Nazis vergast wurde. Otts Enkel, der Lohrer Stadtrat Franz Wolf (SPD), erzählte uns die dramatische Geschichte.

    Der aus der Gerbergasse stammende Andreas Ott spielte in jungen Jahren in der Stadtkapelle Posaune, beruflich leitete er im Alter von Anfang 20 die Gärtnerkolonne der gerade eröffneten Heil- und Pflegeanstalt (heute Bezirkskrankenhaus). Schon früh lernte er die gleichaltrige Klara Wirth aus der Rodenbacher Straße kennen, die im Alter von 18 Jahren das erste gemeinsame Kind zur Welt brachte. Katharina hieß das Mädchen.

    Dreieinhalb Jahre später, als das zweite Kind unterwegs war, heiratete das Paar; Tochter Sabine wurde im April 1912 geboren. Das dritte Kind der Eheleute, wieder ein Mädchen, kam 1914 zur Welt. Ihre Eltern gaben ihr den Namen Christine. Als der Vater in Frankreich nach einem Bauchschuss am 20. August 1914 starb, war Christine – die Mutter von Franz Wolf – gerade ein halbes Jahr alt.

    Durch den Kriegstod ihres Mannes war Klara Ott, Mutter dreier kleiner Mädchen, mit 24 Jahren Witwe geworden. Doch sie weigerte sich, den Tod ihres Mannes zu akzeptieren. Jedes Mal, wenn Kriegsheimkehrer durch die Stadt gingen, schaut sie nach, ob ihr Mann dabei war. Er war natürlich nie dabei. Dies führte dazu, dass die junge Witwe, die versuchte, sich und ihre Kinder mit Näharbeiten über Wasser zu halten, immer depressiver wurde. Als sie gegenüber ihren Geschwistern Selbsttötungsabsichten äußerte, wurde sie, noch keine 30 Jahre alt, in die Heil- und Pflegeanstalt eingeliefert. Mehr als 20 Jahre verbrachte sie dort, bis die Nazis sie 1940 in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein in der Gaskammer umbrachten.

    Ihre drei Töchter hatten das Glück, dass drei der fünf Psychiater, die ihre Mutter vor dem Transport in die Gaskammer begutachtet hatten, zu dem Schluss gekommen waren, dass die psychische Krankheit der Mutter nicht erblich sei. Hätte die Mehrheit dieser fünf Ärzte anders befunden, wären die drei Töchter ebenfalls getötet worden. So aber blieben Katharina, Sabine und Christine Ott am Leben. Noch vor dem Tod der Mutter lernte Christine den Schreiner Anton Wolf kennen. Beide waren in der Wandervogelbewegung, über die Wolf in die SS (Schutzstaffel der NSDAP) kam.

    Als sich Anton Wolf und Christine Ott 1936 entschlossen, zu heiraten, hatte dies zur Folge, dass Anton Wolf aus der SS flog. Weil ein SS-Mann nicht mit der Tochter einer „Verrückten“ verheiratet sein durfte. Eigenartigerweise konnte das Ehepaar aber Hausmeister im „braunen Haus“ an der Rechtenbacher Straße, dem Parteihaus der NSDAP, bleiben. Heute befindet sich dort das Rotkreuzhaus.

    Im Zweiten Weltkrieg war Anton Wolf Soldat, während seine Frau alleine im „braunen Haus“ wohnte. Als 1945 die Amerikaner kamen, stand „Nazi-Bonze“ über der Tür und sie floh mit ihren 1938 und 1943 geborenen Töchtern vor den Amerikanern nach Sendelbach. Anton Wolf kehrte 1948 aus dem Krieg zurück, 1949 wurde Sohn Franz geboren. Seitdem lief die bis dahin dramatische Familiengeschichte in ruhigeren Bahnen. Franz Wolf verweigerte in den 1960er Jahren den Kriegsdienst – für ihn eine „logische Konsequenz“ aus den Geschehnissen der Vergangenheit. Franz Wolf erinnert sich, dass seine Mutter immer Spuren der Vergangenheit suchen wollte, im Gegensatz zu ihren beiden älteren Schwestern. Doch nun suche die Enkelin der nach Chicago ausgewanderten ältesten Schwester nach Spuren ihrer Lohrer Familie, erzählt Franz Wolf. Die Mittfünfzigerin, mit der er über E-Mail in Kontakt stehe, wolle ihn demnächst besuchen und mehr über ihre Familiengeschichte erfahren . . .

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden