Das rot-weiße Absperrband in einem der Schaufenster der Rathaus-Apotheke in Uettingen deutet darauf hin: Hier kann etwas nicht stimmen. Kaputt ist das Fenster aber nicht. Vielmehr weist das Absperrband auf die Notlage hin, in der sich viele Apotheken sehen. Und deshalb blieb auch die Rathaus-Apotheke – wie die meisten Apotheken in Main-Spessart und im Landkreis Würzburg - am 14. Juni, dem bundesweiten Protesttag, geschlossen. Standen Kundinnen und Kunden vor verschlossenen Türen und haben sie Verständnis für die Situation?
Sie habe davon gehört, aber nicht daran gedacht, dass der Streiktag heute ist, sagt eine Frau, die vor der verschlossenen Tür der Uettinger Apotheke steht. Aktuell sei ja überall Streik. Aber es sei auf jeden Fall gerechtfertigt, auf "die Probleme, die jeder andere auch hat", aufmerksam zu machen. Die Apotheke vor Ort ist für sie von großer Bedeutung, vor allem auch aufgrund des "super Service". Rezepte könnten hier einfach eingeworfen werden, außerdem erfolge die Lieferung auch in Nachbarorte wie Greußenheim.
Die Apotheke vor Ort und Medikamentenkäufe bei Online-Apotheken
Einige Leute kommen an diesem Mittwochmorgen, rütteln an der Apothekentür und schauen einen kurzen Augenblick verwirrt. "Selbst Schuld. Dann geh' ich halt woanders hin", murmelt ein Kunde. "Ganz ehrlich, ich bin der Meinung, dass Apotheker schon immer zu viel verdienen", sagt er dann. In den Nachrichten habe er gehört, dass die Preise angeblich 20 Jahre nicht angepasst wurden, "das glaube ich nicht". Preissteigerungen hätten die Apotheken immer sofort weitergegeben. Wie es bei den Lohnkosten ausschaut, könne er nicht sagen. "Freilich haben sie das Recht zu streiken", ergänzt er. Wenn man jetzt aber wichtige Sachen wie Blutdruckmedikamente brauche, dann sei es schon bedenklich, diese wegen so einer Aktion nicht zu bekommen. Die Apotheke vor Ort sei für ihn aber auf alle Fälle wichtig.

"Wir haben es ja in der Corona-Pandemie gesehen, wie wichtig Apotheken sind", sagt eine Kundin. Eines von vielen Problemen seien Medikamente, die aus dem Ausland kommen. "Wir sind viel zu abhängig, es muss etwas passieren." Dennoch kaufe sie Medikamente "leider öfter online, als mir lieb ist, aber es ist halt auch oft billiger". Eine andere Frau verweist auf die Vorteile der persönlichen Beratung der Apotheke vor Ort. In einer Online-Apotheke habe sie noch nie bestellt.

"Es ist schon wichtig, ich bin schon dagegen, dass Apotheken schließen", sagt eine Kundin bereits am Vortag des Streiks. Die meisten Medikamente, 90 Prozent, kaufe sie vor Ort und nicht online. Sie fährt immer direkt nach der Arbeit vorbei, das sei einfacher, "bis ich da lang im Internet rummache".
"Apotheken sind unverzichtbar, gerade in Notfällen"
Für "gut und wichtig" hält ein anderer Kunde den Streik. Denn die Probleme der Apotheken seien schon längere Zeit im Fokus, er höre immer wieder davon. "Das kann nicht sein, eine Lösung muss her", sagt er, verbunden mit der Aussage, dass er froh sei, dass es hier in der Umgebung noch viele Apotheken gibt. "Es ist absolut berechtigt, dass nicht immer nur Eisenbahner oder Piloten, sondern auch mal die Apotheken streiken", erzählt eine Frau. "Gesundheit ist das Wichtigste im Leben, auch Apotheken sind unverzichtbar, gerade in Notfällen", ergänzt sie.
Ein Mann gibt dagegen an, er werde zukünftig extra bei Online-Apotheken bestellen. Ein anderer, der verwundert von der verschlossenen Türe steht, hat bisher nichts von dem Streik gehört. Doch was wollen die Apotheken überhaupt? Der Zettel im Schaufenster verrät es – darauf steht etwa: "Entlastung von der blöden Masse willkürlicher Bürokratie", "nicht der Willkür der Krankenkassen ausgesetzt sein", "Ausgleich für die Mehrarbeit" und "angemessene Vergütung". Außerdem wünsche man sich Planungssicherheit für eine gute Versorgung, damit es nicht ständig zu Lieferengpässen käme.
Warnung: "Ohne Apotheke vor Ort ist alles doof"
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen machten den Apotheken dagegen wenig Hoffnung: Für Honorarerhöhungen sehe er keinen Spielraum, sagte Lauterbach am Dienstag. Dahmen hingegen verstehe die Sorgen vieler Apotheker, "aber Streik ist wirklich die falsche Medizin". Aufgrund des Sparzwangs sei die Forderung nach mehr Geld vermutlich nicht erfüllbar, auch wenn er sehe, dass durch Inflation und steigende Personalkosten die Apotheken unter Stress seien. Durch die Gas- und Strompreisbremse hat die Politik nach Ansicht des Grünen-Politikers kleine und mittelständische Unternehmen zudem bereits unterstützt.

Für die Apotheken klingen dieses Aussagen wohl eher "doof". Darauf lässt zumindest ein weiterer Zettel im Schaufenster schließen: "Ohne Apotheke vor Ort ist alles doof." Darunter heißt es weiter: "keine persönliche Beratung und Betreuung doof, keine schnelle Erreichbarkeit bei Fragen zu Arzneimitteln doof, kein 24-Stunden-Notdienst doof, keine Anfertigung von individuellen Rezepten doof, keine Medikamentenberatung doof".