Die Unsicherheit war Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder und den Stadträten am Donnerstagabend anzumerken. Wie soll sich die Stadt Marktheidenfeld im Laurenzi-Streit weiter verhalten? Der Rechtsanwalt der Stadt gab einen klaren Rat: in Berufung gehen.
Nach zwei Gerichtsentscheidungen über die Frage, ob die Stadt Marktheidenfeld den Autoscooter-Besitzer Klaus Zöllner (Öhringen) 2010 rechtmäßig nicht mehr zur Laurenzi-Messe zugelassen hat, steht die Stadt immer noch im Regen.
Erst hatte das Verwaltungsgericht Würzburg die Marktsatzung der Stadt beanstandet, später sogar den Entscheidungsprozess als unfair und rechtswidrig eingestuft. Wie berichtet hat die Stadt Zöllners Autoscooter, der acht Jahre lang unbeanstandet auf Laurenzi stand, 2010 nicht mehr zugelassen. Im gleichen Jahr hatte der Generalpächter für den Vergnügungspark gewechselt. Daraufhin bekam der neue Chef, Horst Ferling, prompt den Zuschlag für den Autoscooter seiner Familie.
Zu Beginn der Stadtratssitzung stellte Schmidt-Neder im Beisein des Würzburger Verwaltungsjuristen Wolfgang Baumann fest, dass sie und der Stadtrat „rechtssicher und fair handeln“ wollen, ohne jedes Jahr eine Zitterpartie wegen möglicher Verfahrensfehler durchleiden zu müssen. Die Bürgermeisterin warf auch die Frage auf, ob die Stadt die Vergabe der Schausteller künftig vielleicht doch in die eigene Hand nehmen sollte.
Baumann seinerseits erklärte, dass es in dem Rechtsstreit „um die Reputation der Stadt und des Stadtrats“ gehe. Das Verwaltungsgericht habe der Bürgermeisterin und den Räten eine „Mauschelentscheidung“ vorgeworfen und dass es bei der Vergabe des Scooter-Standplatzes „nicht mit rechten Dingen zugegangen“ sei.
Baumann sagte dem Gremium mit Blick auf dessen lange geübte Entscheidungspraxis, dass sich die Rechtsprechung seit den 1980er Jahren verändert habe. Der Zulassungsgrundsatz, ein Schausteller sei „alt(bekannt) und bewährt“, „war nie falsch“, aber inzwischen würden die Gerichte aus Wettbewerbsgründen erwarten, dass jährlich etwa 20 Prozent der Schausteller ausgetauscht würden, damit auch neue Bewerber zum Zuge kommen könnten. Baumann erklärte dann wortreich, dass der neue Generalpächter zwar die Bewerbungen für die Mess' 2010 vorgelegt habe, entschieden habe aber über den Antrag Zöllners erst die Bürgermeisterin allein und im zweiten Fall der Messeausschuss des Stadtrats, ohne dass Ferling daran beteiligt gewesen sei. Demgegenüber habe das Gericht eine „Infizierung“ der Entscheidungen unterstellt, weil der Generalpächter sich zugleich selbst um den Scooterplatz beworben habe. „Damit hat das Gericht den Fachverstand des Stadtrats angezweifelt“, wetterte Baumann. Das sei eine „Nicht-Kompetenz-Unterstellung“. Er zweifelte die Rechtmäßigkeit des Gerichtsbescheids an und empfahl die Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof in München (wir berichteten). Dieser Empfehlung folgte der Rat dann einstimmig.
Stadträtin und Anwältin Gaby Hofstetter (CSU) wollte eine „Risikoabschätzung“ von Baumann. „Gewissheit kann ich Ihnen nicht verschaffen“, räumte der Jurist ein. Vor Gericht gebe es „gewisse Unsicherheiten“. Baumann gab zu, seiner Sache schon vor der letzten Gerichtsentscheidung sicher gewesen zu sein, weshalb er ausdrücklich auf eine mündliche Verhandlung verzichtet habe. Das Gericht entschied nach Aktenlage schriftlich.
In der Diskussion mit den Räten erklärte Baumann, dass er Probleme für die Laurenzi-Messe 2011 ausschließen könne, weil hierfür „rechtskräftige Bescheide“ vorlägen. Schadensersatz für den Ausfall im Jahre 2010 könne – falls er den Rechtsstreit gewinne – auch nur der abgewiesene Autoscooter-Besitzer Zöllner verlangen. Denn nur in seinem Fall habe es die direkte Konkurrenz zum Generalpächter gegeben.
Dass in Zukunft Ablehnungsbescheide an Messe-Bewerber wieder zu Rechtsstreitigkeiten führen, glaubt Baumann „komplett ausschließen“ zu können. Seiner Meinung nach erfülle die Stadt mit ihrer angepassten Marktsatzung die vom Gericht eingeforderten Kriterien.
Chronologie des Laurenzi-Streits
05.11.2009: Klaus Zöllner (Öhringen) bewirbt sich mit seinem Autoscooter für die Laurenzi-Messe 2010 in Marktheidenfeld. Seit acht Jahren hat er mit seinem Fahrgeschäft dort den Standplatz inne.
24.11.2009: Der Messeausschuss des Marktheidenfelder Stadtrats empfiehlt den Konkurrenten und neuen Generalpächter Horst Ferling (Offenbach).
25.11.2009: Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder entscheidet sich auf Empfehlung des Ausschusses für Ferling und lehnt Zöllners Bewerbung schriftlich ab.
04.01.2010: Zöllner klagt gegen seine Ablehnung vor dem Verwaltungsgericht in Würzburg.
28.01.2010: Der Stadtrat Marktheidenfeld ändert mit Blick auf den bevorstehenden Rechtsstreit seine Marktsatzung vom 1.12.2006.
12.02.2010: Der Messeausschuss lehnt aufgrund der neuen Satzung Zöllners Bewerbung erneut ab.
23.03.2010: Das Verwaltungsgericht Würzburg fordert die Stadt in einem Bescheid zu einer neuen Entscheidung auf. Grundlage ist die Rechtsauffassung des Gerichts über ein faires Verfahren.
15.04.2010: Der Stadtrat beschließt neue Vergaberichtlinien für die Standplätze.
15.06.2010: Der Messeausschuss entscheidet auf Grundlage der neuen Richtlinien erneut über alle Zulassungen zur Laurenzi-Messe 2010.
18.06.2010: Zöllner erhält erneut eine schriftliche Ablehnung.
05.07.2010: Zöllner klagt dagegen beim Verwaltungsgericht Würzburg.
08.06.2010: Das Verwaltungsgericht Würzburg entscheidet ohne mündliche Verhandlung. In ihrem Bescheid gibt die 6. Kammer dem Antrag Zöllners Recht.
30.06.2010: Der Marktheidenfelder Stadtrat entscheidet sich mit Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder einstimmig dafür, eine Berufung gegen den Gerichtsbescheid beim Verwaltungsgerichtshof in München einlegen zu lassen.