Ging es um die Karlstadter Innenstadt, herrschte auf der Bürgerversammlung Anfang Mai eine bedrückend pessimistische Stimmung. Die Wortwahl einiger Bürgerinnen und Bürger war geradezu martialisch. Eine Bürgerin sprach von einem "Ausbluten" der Innenstadt, ein anderer bezeichnete den Bereich der Hauptstraße zwischen Marktplatz und dem Turmkaufhaus gar als "Todeszone".
Zumindest von einer "aussterbenden" Altstadt und "prägnanten Leerständen" ist des Öfteren die Rede – in zitierter Weise auch in unserer eigenen Berichterstattung. Drei Geschäftsführer aus Karlstadt sehen die Lage entspannter als der Goßteil der Bevölkerung. Karlheinz Schmidt vom Büro-Vollsortimenter Schmidt & Kurtze, Christoph Weißhaar von der Mohren Apotheke und der Vita Fit Apotheke sowie Martin Krause vom Modehaus Koch wollen den Marktplatz und seine direkte Umgebung noch nicht totreden.
"Ein Sterben der Innenstadt kann ich nicht erkennen."
Karlheinz Schmidt
Innenstadt im Wandel, aber nicht tot
"Ein Sterben der Innenstadt kann ich nicht erkennen. Allein gestern, was da im Zentrum los war - gerade an Markttagen sind viele Menschen unterwegs", meint Schmidt. Zusätzlich zu seiner Filiale im Gewerbegebiet hat er vor zehn Jahren noch ein für die Innenstadt konzipiertes Geschäft in der Hauptstraße eröffnet. Schmidt missfällt die Art und Weise, wie die Innenstadt auch in Presseberichten dargestellt wird. "Man kann durchaus mal berichten, dass man auch einkaufstechnisch in Karlstadt seine Möglichkeiten hat – auch wenn sich die Innenstadt natürlich verändert."

Die angesprochene Veränderung erkennt auch Martin Krause, der gleich drei Modegeschäfte in der Hauptstraße betreibt. "Natürlich gibt es Branchen, die ihren Zyklus erreicht haben und durch andere Konzepte abgelöst werden. Ein Kompromiss, auf den sich Schmidt, Weißhaar und Krause einigen können, ist: Die Karlstadter Innenstadt ist – trotz einiger Leerstände – nicht tot, befindet sich aber im Wandel."
Christoph Weißhaar, der das Apothekengeschäft von seinen Eltern übernommen hat, sieht ein Problem darin, die Innenstadt permanent totzureden. "Dann wagen es die Leute nicht, innovative Ideen im Stadtzentrum umzusetzen. So haben manche tolle Konzepte und es gäbe die Flächen dafür, ein schlechtes Image der Stadt hält sie aber davon ab, diesen Schritt auch zu gehen", sagt er.

Eigeninitiative als wichtiger Schlüssel
Ein für tot erklärtes Konzept wieder zum Leben erweckt hätten beispielsweise Ingrid und Armin Warmuth in ihrem Stadtladen, betont Martin Krause. "Wenn die großen Supermärkte alle außerhalb der Innenstadt zu finden sind, wird es mit Lebensmitteln im Zentrum schwierig. Die Warmuths haben das erkannt", sagt der 52-Jährige.
Die existierenden Leerstände kann Karlheinz-Schmidt ebenso wie seine beiden Mitstreiter nicht leugnen, sieht aber durch Eigeninitiative von Einzelnen große Chancen. "Man hat seine Möglichkeiten und wer Ideen hat, soll sich gerne mit Carolin Müller vom Stadtmarketing in Verbindung setzen", ruft Schmidt auf.
"Nach so viel Gastro würden sich andere Städte die Finger lecken."
Martin Krause
Keinen Grund zur Sorge bietet die Gastronomieszene in Karlstadt, die kürzlich durch die Eröffnung der "Hecke" in der Hauptstraße wieder um eine Einkehrmöglichkeit reicher geworden ist. "Nach so viel Gastro würden sich andere Städte die Finger lecken", so Krause, der 15 Jahre lang Vorsitzender des Gewerbe- und Tourismusvereins in Karlstadt war.
Synergieeffekt zwischen Einzelhandel und Gastronomie
Zwischen Einzelhandel und Gastro sieht Weißhaar einen wichtigen Synergieeffekt. "Wer tagsüber in der Stadt einen Kaffee trinkt, macht das oft nach dem Einkauf oder Arztbesuch. Beide Infrastrukturen begünstigen sich", erklärt der 51-Jährige. Die Gefahr einer Verdrängung der Geschäfte durch eine zu stark wachsende Gastronomie sehen die Unternehmer nicht.

In der Karlstadter Bürgerversammlung Anfang Mai wurde auch der Neubau des Kindergartens in der Eußenheimer Straße scharf kritisiert. In einem früheren Kommentar dieser Redaktion war davon die Rede, dass "alles, was Kunden in die Stadt bringen könnte, in die Peripherie verlagert" werde. Das bedauert auch Weißhaar. "Auch ich würde den Kindergarten lieber in der Innenstadt sehen", sagt er.

Einen Punkt, der gegen die allgemeine Innenstadtflucht spricht, nennt Karlheinz Schmidt: "Alle Ärzte, die die Möglichkeit hatten, ins Gesundheitszentrum in der Gemündener Straße zu gehen, sind in der Innenstadt geblieben", hält er fest.
Drei Stunden kostenlos am Main parken
Ein anderes Thema, das in der öffentlichen Debatte regelmäßig für Aufruhr sorgt, ist die Parkplatzsituation in Karlstadt. Weißhaar hält die aktuelle Lage für besser als zum Beispiel in Würzburg: "Man kann unten am Main nach wie vor drei Stunden kostenlos parken und auch die Tiefgarage ist zentrumsnah und sehr groß."
"Auch ich würde den Kindergarten lieber in der Innenstadt sehen."
Christoph Weißhaar
Schmidt pflichtet ihm bei. "Wer auf einen freien Parkplatz am Kirchplatz spekuliert, muss vielleicht ein bisschen warten, aber sonst findet man immer schnell einen Parkplatz", meint der 55-Jährige. Von der Idee, den Weg am Main in eine Flaniermeile umzugestalten, hält er wenig und sieht die Gefahr, dass dann alle an der Innenstadt vorbeigehen. "Es könnten Parkplätze ohne Ausgleichsflächen wegfallen und die Gastronomie würde auch darunter leiden", folgert Schmidt.
Anschubprogramm auch in Karlstadt denkbar?
Als Perspektive für eine belebte Zukunft der Kreisstadt können sich Schmidt, Weißhaar und Krause eine attraktive Nutzung des Turmkaufhauses sowie der Südstadt mit Hegewaldgelände vorstellen. "Das Gebiet könnte sich durchaus als Kopf für die Innenstadt anbieten, aber die Planungen sind bisher noch sehr vage", stellt Schmidt fest.


Um in Zukunft weniger von "Leerstandsmanagement" reden zu müssen, hält Krause Anschubprogramme für sinnvoll, wie sie schon in Marktheidenfeld mit "Dein Hädefeld" oder in Lohr mit der "Lohrer Starthilfe" umgesetzt wurden. In Lohr wurde auf diese Weise sieben leerstehenden Flächen neues Leben eingehaucht. "Es muss natürlich nachhaltig sein, aber selbst, wenn sich von sieben neuen Läden nur drei halten sollten, ist das ja deutlich besser als null", so Krause.