Der lange Weg zum Lohrer Verbraucher begann im Februar 1998: Die Lidl-Zentrale in Alzenau, unter anderem zuständig für den Main- Spessart-Kreis, begann mit der Suche nach einem Gewerbegrundstück. Der Lebensmittel-Discounter, der ein ähnliches Angebot unterhält wie Aldi, plante in Lohr einen Markt mit einer Verkaufsfläche von zirka 800 Quadratmetern, dazu 120 Parkplätze. Etwa zehn Arbeitsplätze sollte dieser Markt nach Lohr bringen. Als Standort kam für Lidl sowohl das Industriegebiet Süd als auch der Bereich Rexrothstraße in Frage.
Im Januar 1999 kaufte Lidl das 6000 Quadratmeter große Firmengelände der Rexroth B. the identity company GmbH an der Rexrothstraße. Dieses Unternehmen zog nach Bessenbach um. Bürgermeister Siegfried Selinger ließ durchblicken, dass der Lidl-Plan seiner Einschätzung nach aufgrund des Bebauungsplanes auf der östlichen Seite der Rexrothstraße nicht genehmigungsfähig ist. Lidl ließ sich aber durch des Bürgermeisters Sicht der Dinge nicht verunsichern.
Im Februar 1999 reichte das Unternehmen die Bauanträge bei der Stadt ein. Anschließend herrschte lange Zeit Funkstille.
Im Juli 2000 lehnte der Stadtrat den Lidl-Bauantrag ab, wollte dem Unternehmen aber eine andere Möglichkeit eröffnen: im Westen von Obi im Industriegebiet Süd. Der Bürgermeister stellte sich vor, dort solle ein doppelstöckiges Gebäude errichtet werden. Lidl solle das Erdgeschoss beziehen, im ersten Stock solle ein Kino oder eine Diskothek Platz finden, die Parkplätze sollten gemeinsam genutzt werden. Lidl wollte nicht so recht: "Wir gucken erst einmal, was aus unserem anderen Projekt wird."
Noch im selben Monat ließ der Stadtrat den Bürgermeister-Plan wieder sterben: Er änderte den entsprechenden Bebauungs- und Grünordnungsplan nicht, was im Klartext hieß: Wir wollen dort keinen Einkaufsmarkt.
Im Oktober 2000 bekam die Stadt Schützenhilfe von der Regierung von Unterfranken: Die Ablehnung des Lidl-Bauantrags an der Rexrothstraße sei rechtens. Das sah Lidl allerdings komplett anders. Im März 2001 wurde bekannt, dass Lidl wegen des abgelehnten Bauantrags gegen die Stadt Lohr vor Gericht gezogen war.
Die Stadt Lohr muss im Gewerbegebiet "Nägelsee Nord" einen Lebensmittel-Discount-Markt der Lidl & Schwarz Stiftung & Co. KG zulassen, urteilte das Verwaltungsgericht Würzburg im Mai 2001. Der aus dem Jahr 1999 stammende Bebauungsplan sei ungültig, begründeten die Richter. Grund: ein Verfahrensfehler der Stadtverwaltung.
Im Juni 2001 akzeptierte der Stadtrat, dass er Lidl an der Rexrothstraße nicht verhindern konnte, es aussichtslos wäre, Berufung einzulegen.
Die Räte bewerteten dies unterschiedlich: von einer "Katastrophe für die Geschäfte der Innenstadt" sprachen Bärbel Imhof (Grüne) und Reinhold Lachmann (CSU), von einem "ärgerlichen Fehler" Bürgermeister Selinger (SPD). Im Dezember 2001 genehmigte schließlich das Landratsamt Main-Spessart den Lidl-Bauantrag.
Im Zusammenhang mit der Lidl-Entscheidung wird Renate Hasenstab die Stadt möglicherweise auf Schadenersatz verklagen, entsprechende Überlegungen seien allerdings noch nicht abgeschlossen, so die Lohrer Geschäftsfrau. Hintergrund: Norma - jetzt 200 Meter weiter nördlich an der Walter-Senger-Straße angesiedelt - hatte ursprünglich vorgehabt, auf Hasenstabs Grundstück an der Rexrothstraße einen Einkaufsmarkt zu errichten. Diesen Plan hatte die Stadt jedoch verhindert.