Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Marktheidenfeld
Icon Pfeil nach unten

MARKTHEIDENFELD: Loriot: Missverständnisse im Alltag und in der Politik

MARKTHEIDENFELD

Loriot: Missverständnisse im Alltag und in der Politik

    • |
    • |
    Loriot im Fotostudio: Die Austauschbarkeit mancher Politiker stellten Luna Mittig, Lutz Glombeck und Andreas Herden (von links) in ihrer szenischen Lesung dar.
    Loriot im Fotostudio: Die Austauschbarkeit mancher Politiker stellten Luna Mittig, Lutz Glombeck und Andreas Herden (von links) in ihrer szenischen Lesung dar. Foto: Foto: Martin Harth

    Der Perfektionist Vicco von Bülow war nur wenig amüsiert, wenn er seine Loriot-Spielszenen auf bunten Abenden schlecht nachgespielt erleben musste. Das kolportierte jüngst Fernsehunterhalter Harald Schmidt in einem Nachrichtenmagazin.

    Darin mag auch der Grund gelegen haben, dass es dem Nürnberger „Ensemble Stilblüten“ gar nicht leicht gefallen war, vom Großmeister des Humors in Deutschland noch zu Lebzeiten die Aufführungsrechte für das Programm „Holleri Du Dödl Du“ zu bekommen. Dies bekannte Lutz Glombeck am Freitagabend zum Beginn der sechsten Spielzeit im Marktheidenfelder Theater „Fasskeller“ unter dem Hotel „Anker“. Der kürzlich verstorbene Humorist hätte sein Einverständnis aber keineswegs bedauern müssen. Die Lesung des Quartetts war perfekt unterhaltend in Szene gesetzt und geriet zu einer Hommage an die Sprachkunst Loriots.

    Dabei lauern viele Gefahren in diesem Vorhaben, die Luna Mittig, Tatjana Sieber, Andreas Herden und Lutz Glombeck im routinierten Zusammenspiel allesamt vermieden. Sie beließen es eben bei einer Lesung, die mit gekonntem Vortrag die sprachlichen Feinheiten der Vorlage zur Wirkung brachte. So kamen neben den Spielszenen auch die Cartoons, wie etwa der „sprechende Hund“, auf die Bühne. Und zwei durften keinesfalls fehlen: Dr. Klöbner und Herr Müller-Lüdenscheid in der Badewanne : „Wenn Sie die Ente hereinlassen, lasse ich das Wasser heraus!“

    Schwierig wäre es geworden, wenn das Team der Versuchung erlegen wäre, das einmalige komödiantische und eben perfektionistisch inszenierte Spiel von Loriot und seinem Team nachzuspielen. Das liegt nicht nur allein an Vicco von Bülow. Auch Luna Mittig und Tatjana Sieber vermieden es, die glänzenden Vorlagen der einmaligen Partnerin an seiner Seite, Evelyn Hamann, sozusagen eins zu eins umsetzen zu wollen. Man denke an den berühmten Kampf der Fernsehmoderatorin mit dem englischen th-Laut.

    Auf der männlichen Seite liegt das nicht anders und schon kommt einem der Schauspieler Heinz Meier als Vater Hoppenstedt oder Lottogewinner Erwin Lindemann in den Sinn. So stellte auch Andreas Herden seine Darstellung vornehmlich in den Dienst des Wortspiels.

    Einzig Lutz Glombeck gab dem Affen ein wenig Zucker und spielte grimassierend seinen Part deutlicher aus, dabei das komische Fach aber bestens beherrschend. Das Programm wirkte nicht nur deswegen lebhaft, denn der Abend nutzte die Chancen, die Loriots Fernsehszenen so nicht bieten konnten, nämlich den Raum zur Spontaneität, zur Aktualität mit kleinen, satirischen Spitzen und zum direkten Kontakt mit dem Publikum im ausverkauften „Fasskeller“.

    Vor allem darin lag die Frische des Abends, denn selbstverständlich ist alles wohlbekannt und „gefühlt“ tausendmal gesehen. So gluckste es schon erwartungsfroh, wenn eine Moderation eine Spielszene nur ankündigte, sei es die Szene „An der Opernkasse“, der „Fernsehabend“ vor dem kaputten Gerät oder die dem Programm den Namen gebende „Jodelschule“ mit dem Jodeldiplom.

    Loriots großes Thema war die Kommunikation. An ihr legte er unnachahmlich dar, dass Männer und Frauen sich nicht verstehen. Es boten sich wahre Glanzstücke für den gemischten Vierer auf der Bühne, so beim Cartoon um das Frühstücksei: „Gott, was sind Männer primitiv!“

    Neben diesen alltäglichen Gemeinheiten zeigte das Ensemble „Stilblüten“ auch Loriots politische Seite, etwa wenn im Fernsehinterview ein deutscher Rüstungsindustrieller den Profit seiner Produktion zwischen Panzerwagen und Marzipankartoffeln abwägt. Vicco von Bülow hat früh schon einen Typ Politiker umschrieben, der heute scheinbar allgegenwärtig geworden ist. Im Grunde passt er nicht nur im Fotostudio auf das Wahlplakat jeder Partei. Im Bundestag hält er eine Rede voller eindrucksvoller, rhetorischer Figuren – bar jeglichen Inhalts. So hatte der heitere Abend auch seine nachdenkliche Seite.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden