Das Schloss Seewiese in Schonderfeld hat bei seinem Bau 1888/89 120 000 Mark gekostet. Jetzt steht das als Swingerclub genutzte „Lustschloss im Spessart“ für 650 000 Euro zum Verkauf. Swingerclub-Betreiberin Gaby Neumann macht sich allerdings keine Sorgen, dass bald nicht mehr geswingt wird im Schloss: „Im Lauf der Jahre sind hier immer wieder potenzielle Interessenten durchgelaufen.“ Am Ende seien sie doch wieder abgesprungen, freut sich die Pächterin.
Das einstige Jagdschloss bei Gräfendorf bietet mit seinen 16 Zimmern viel Platz: Das Erdgeschoss ist etwa 240 Quadratmeter groß, das Obergeschoss knapp 350 Quadratmeter, das Dachgeschoss wartet mit 160 Quadratmetern auf. Hinzu kommt ein geräumiger Keller von rund 245 Quadratmetern und ein Grundstück von fast sieben Hektar. Ein Schwimmbad im Nebengebäude gibt es obendrein.
Gemeinderat gegen Swingerclub
Swingerclub ist das vor knapp 125 Jahren erbaute Schloss seit September 2005. Dass sich Swinger dort mit Blick aufs Saaletal vergnügen, war anfangs nicht jedem recht – zwar unterschrieben fast alle Anwohner eine Liste pro Swingerclub, der Gräfendorfer Gemeinderat jedoch lehnte eine Nutzungsänderung des Jagdhotels in einen Swingerclub ab. Die Entscheidung war mit einem Patt hauchdünn. „Mit sechs zu sechs Stimmen wurde der Sexclub abgelehnt“, kalauert Gräfendorfs Bürgermeister Alfred Frank.
Doch vergeblich. Der Swingerclub kam als Privatclub. Mit großem Aufwand wurde das Schloss innerhalb weniger Monate zum „Lustschloss“ umgestaltet und spezielle Räume eingerichtet, etwa eine große „Spielwiese“, ein auf Mittelalter getrimmtes Zimmer und eine „Dschungelecke“ mit Whirlpool. Zwei abschließbare Zimmer gibt es auch.
Zunächst betrieb Neumann, die das Schloss samt Hotelanbau über eine Anzeige bei Ebay fand, den Club zusammen mit einem Geschäftspartner als GmbH. Der, so die Chefin, habe aber 2006 Geld unterschlagen, das sie bis heute nicht wiedergesehen habe. Die GmbH wurde aufgelöst. Seitdem führt die Unternehmerin den Club mit ihrem Mann als Einzelfirma weiter. Von den finanziellen Nöten, in die der ehemalige Geschäftspartner den Betrieb stürzte, hat dieser sich offenbar erholt: „Ich lebe noch“, sagt die aus Duisburg stammende Neumann. Inzwischen seien es einige mehr als die 15, 20 Paare, die anfangs pro Abend kamen.
Das Schloss Seewiese gehörte, wie der ehemalige Landgasthof Klingenmühle zwischen Kleinwernfeld und Gemünden und wie der alte Sitz des Landgerichts Gemünden in Sachsenheim, dem Anfang 2011 verstorbenen Karl Selig. Selig betrieb im 1732/33 errichteten Gebäude in Sachsenheim einst ein Altenheim. Sein Sohn Hans Selig bietet nun alle drei Gebäude zum Kauf an.
„Ich habe dafür keine Verwendung“, sagt der Eigentümer. Deshalb wolle er die Gebäude verkaufen. Beim Swingerclub habe es ihn schon gewundert, wie gelassen die Bevölkerung den Club aufgenommen habe. Gegen ein Pflegeheim an der Stelle habe es mehr Widerstände gegeben. Der Pachtvertrag mit dem Swingerclub läuft noch eine Weile. Deshalb sagt Selig in Richtung potenzieller Interessenten: „Entweder man kauft den Club mit oder man muss noch ein bisschen warten.“
Frank früher Ausbilder im Schloss
Bürgermeister Alfred Frank wundert sich nicht, dass das Schloss zum Verkauf steht: „Es wird eigentlich schon immer verkauft.“ Ihm sind keinerlei Beschwerden über den Swingerclub darin bekannt. Im Gegenteil hat er beobachtet, dass bei „Themenabenden oder wie die Dinger heißen“ alle Ferienwohnungen und Hotels in Gräfendorf ausgebucht sind. „Die Leute lassen ihr Geld da“, freut er sich. Frank war von 1972 bis 1976 als Ausbilder der Bundeswehr für Einzelkämpfer im und um das Schloss tätig. „Ganz oben unterm Dach war die Stube für die Ausbilder“, erinnert sich Frank.
Schloss Seewiese
Ein Gustav Schallhorn, Reserveoffizier bei den Bonner Husaren, ließ das Jagdschloss Seewiese mit Wohnhaus für Diener und Stallungen 1888/89 erbauen. Die Baukosten betrugen 120 000 Mark. Das Schloss erbte anschließend sein Bruder, dann ein Onkel. 1914 erwarb es Dr. Hartwig aus Antwerpen. 1928 übernahm die Kreisfürsorge Gemünden das Gut als Erholungsstätte für Kinder und Kriegsopfer.
1968 kaufte die Bundeswehr das Anwesen zur Ausbildung von Einzelkämpfern. 1976 erwarb es der Kaufmann und Fischgutbesitzer Alois Heinlein aus Frankfurt und gestaltete es zu einem Ferienhotel mit Restaurant um. Angegliedert wurde noch ein Neubau mit Hallenbad. Unter Führung des Ehepaars Heinlein wurde das Hotel schnell zu einem beliebten Urlaubs- und Ausflugsziel im Spessart.
1993 verkaufte Alois Heinlein den Komplex an den gelernten Krankenpfleger Karl Selig aus Sachsenheim, der dort ein Altenheim betrieb. Selig beließ den Restaurant- und Beherbergungsbetrieb im Schloss und richtete im Neubau ein Pflegeheim ein. 1995 pachtete das Wirtsehepaar Nordis und Peter-Jürgen Schmidt für nur rund fünf Monate das Anwesen. Von Anfang 1996 bis zur Eröffnung des Swingerclubs 2005 blieb das Hotel mit Restaurant geschlossen.
ONLINE-TIPP
Frühere Berichte zum Swingerclub und dem Jagdschloss: www.mainpost.de/regional/main-spessart/gemuenden.