Samstags in Marktheidenfeld: Rentnerinnen und Rentner schieben ihre Rollatoren über den extra-glatt gepflasterten Streifen der Mitteltorstraße, treffen sich mit Bekannten im Bäckerei-Café und machen Besorgungen in der Apotheke. Marktheidenfeld ist ein Paradies für Senioren, das sagt jedenfalls eine Studie, die das Unternehmen Contor und die Zeitschrift "Kommunal" durchgeführt haben.
In Sachen Seniorenfreundlichkeit ist Marktheidenfeld von allen Kleinstädten in Deutschland auf Platz 6 gekommen – und lässt damit mehr als 800 andere Städte hinter sich. Der Autor der Studie hat die Stadt aus der Ferne anhand sehr theoretischer Kriterien beurteilt. Kommen Seniorinnen und Senioren, die in Marktheidenfeld leben, zum gleichen Ergebnis?
Weite Wege zum Facharzt sind ein großes Hindernis
Andrea Dürr (61), die ehrenamtliche Seniorenbeauftragte der Stadt, Karin Schneider-Schüßler (68), die dem Sozialbeirat vorsitzt, Adelgunde Hörschlein (79) und Monika Stahl (73) gehen mit offenen Augen durch die Stadt. In Marktheidenfeld könnten Seniorinnen und Senioren sehr gut leben, sagt Schneider-Schüßler – mit einer großen Einschränkung: "Die ärztliche Versorgung macht mir Sorgen."

Viele Hausärzte gehen hier in den nächsten Jahren in Rente, zu den Fachärzten müssen Patienten oft weite Strecken fahren: etwa zur Augenklinik nach Lohr, für andere Spezialisten nach Wertheim, Würzburg oder Aschaffenburg. Lange Busfahrten mit Umstieg in Wertheim, das trauen sich viele ältere Menschen nicht zu. Adelgunde Hörschlein fährt zwischen Marktheidenfeld und ihrem Wohnort in Zimmern mit dem Auto, den Würzburger Stadtverkehr vermeidet sie aber. "Ich nehme deswegen nur die allernötigsten Arzttermine wahr", sagt sie.
Auch Heimplätze und Möglichkeiten für Tages- und Kurzzeitpflege gebe es zu wenig, sagt Andrea Dürr. Als Seniorenbeauftragte der Stadt höre sie von diesem Problem immer wieder.
Ärztezentrum im Baumhofquartier wäre für viele schlecht zu erreichen
Sollte Marktheidenfeld ein Ärztezentrum bekommen, dann müsste das auf jeden Fall in der Innenstadt sein, finden die vier Seniorinnen. Der Standort am Krankenhaus sei für viele ältere Menschen nicht zu erreichen.
"Wenn ich irgendwann nicht mehr Auto fahren kann, dann sehe ich schwarz für mich."
Adelgunde Hörschlein, Rentnerin aus Zimmern
Mobilität ist ein großes Thema: Den Stadtbus schätzen die Seniorinnen, doch der fährt nicht in die Stadtteile. Dort gibt es nur einen Rufbus oder die Möglichkeit, mit einem überregionalen Bus in die Stadt zu fahren. "Das ist vielen Menschen zu kompliziert", sagt Monika Stahl. Besser fände sie, der Stadtbus würde jeden Ortsteil an einem festen Tag in der Woche anfahren. "Dann könnte man Arzttermine auf diesen Wochentag legen und seine Einkäufe passend planen." Adelgunde Hörschlein aus Zimmer betrifft diese Problematik noch mehr. "Wenn ich irgendwann nicht mehr Auto fahren kann, dann sehe ich schwarz für mich", sagt sie.
Viele Barrieren wurden bereits abgebaut
Um die Stadt für Menschen im Rollstuhl, mit Rollator oder Kinderwagen zugänglicher zu machen, ist schon viel passiert. In der Innenstadt gibt es das, was Adelgunde Hörschlein scherzhaft "die Rennstrecke" nennt. Ein etwa ein Meter breiter Streifen ist hier glatt gepflastert, damit zum Beispiel Menschen mit Rollator weniger durchgeschüttelt werden. "Leider wird der Streifen oft zugeparkt", beobachtet Monika Stahl, oft von jungen Leuten, die "nur mal eben schnell" etwas beim Bäcker holen wollen.

Für den Busbahnhof hat sie noch einen Verbesserungsvorschlag: Hier ist der Bussteig an vielen Stellen schon abgesenkt, um den Weg zum Beispiel für Rollatoren freizumachen. Stahl schlägt vor, diese Querungshilfe noch farblich zu markieren, damit sie mehr genutzt wird. "Am Busbahnhof ist alles so grau in grau."
Andrea Dürr lobt die vielen Angebote, die es für Seniorinnen und Senioren in der Stadt gibt. Die Stadtbücherei sei eine tolle Einrichtung, auch das Senioreninternetcafé, das Repair-Café oder die Fitness-Geräte am Mehrgenerationenspielplatz. Mehr öffentliche Toiletten in der Stadt fände sie jedoch wünschenswert.
Seniorentreff in Marktheidenfeld geplant
Gerne möchten sie und Karin Schneider-Schüßler einen regelmäßigen Seniorentreff einführen, bei dem man sich austauschen, etwas spielen und neue Freundschaften knüpfen kann. Wer Interesse hat, kann sich bei Dürr per E-Mail an seniorenbeauftragte@marktheidenfeld.de oder im Bürgerbüro melden.

Obwohl sie einige Verbesserungsvorschläge haben, leben die vier Frauen gern in Marktheidenfeld. Im Alter in eine andere Stadt ziehen, nur weil dort vielleicht der Nahverkehr besser oder die ärztliche Versorgung einfacher ist, kommt für keine von ihnen in Frage. Monika Stahl ist froh, dass sie vor einigen Jahren aus Würzburg hergezogen ist: "In Marktheidenfeld wird man gesehen, das ist ganz anders, als in der Großstadt", sagt sie. Hier falle zum Beispiel dem Personal auf dem Grünen Markt auf, wenn sie einmal nicht zu gewohnten Zeit am Freitag komme.
Wie schneiden die anderen Städte in MSP ab?Die Studie betrachtet Städte mit Einwohnerzahlen zwischen 10.000 und 20.000. Bei den seniorenfreundlichen Städten ist Lohr auf Platz 16, Gemünden auf Platz 73 und Karlstadt auf Platz 119. Die komplette Studie ist hier frei zugänglich. Bewertet wurde zum Beispiel, wie hoch die Kriminalitätsrate in einem Ort ist, wie hoch der Anteil der Bevölkerung über 65 und wie weit der Anschluss zur Autobahn oder zu einem ICE-Bahnhof entfernt ist.Auftraggeber war das Magazin "Kommunal", das sich an Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Verwaltungsangestellte und Lokalpolitikerinnen und -politiker richtet. Das Unternehmen Contor hat im Auftrag von "Kommunal" zum Beispiel auch die Familienfreundlichkeit deutscher Kleinstädte untersucht.Quelle: ins