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KARLSTADT: Mit 28 Jahren zum ersten Mal in Urlaub

KARLSTADT

Mit 28 Jahren zum ersten Mal in Urlaub

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    Im Wohnmobil: Marga Kütt mit Sohn Bernd 1981.
    Im Wohnmobil: Marga Kütt mit Sohn Bernd 1981.

    Wenn heute Jugendliche von ihrem Strandurlaub oder ihrer Jugendreise berichten, dann ist das vielen Erwachsenen fremd. Vor wenigen Jahrzehnten nämlich war solcher Ferienluxus noch undenkbar. Persönlichkeiten aus dem Raum Karlstadt erzählen, wie sie in ihrer Jugend ihre Ferien verbrachten.

    Elmar Kütt (Jahrgang 1952), der von 2002 bis 2008 zweiter Bürgermeister von Eußenheim war, ist Geschäftsführer der Volkert GmbH, die an der Roßmühle alles rund um das Thema Wohnwagen und Wohnmobile bietet. Paradox: Gerade er, dessen Beruf das Thema Urlaub ist, hat in der Jugend nie Urlaub gemacht: „Wir hatten zu Hause Landwirtschaft. Da haben wir in den Ferien auf dem Bauernhof mitgeschafft.“

    Den ersten Urlaub machte er mit 28. Da war er schon mit seiner Frau Marga, geborene Volkert, verheiratet. Und so kam es, dass auch gleich schon mit einem Wohnmobil weggefahren wurde – vier Tage an den Neusiedler See. Eigentlich hätten die Kütts damals auch gerne einen Abstecher nach Ungarn gemacht, hatten aber keinen Ausweis für ihre einjährige Tochter Claudia. So blieb es zunächst beim Neusiedler See.

    Kütt erinnert sich noch an das Gefühl des ersten Urlaubs: „Es war, wie wenn man aus der Welt rausgenommen ist – und zugleich ein gewisses Eroberungsgefühl.“

    Bei Schwarzwald-Wanderungen mit ihrem Vater reifte bei Susan Schubert (Jahrgang 1951) in zartem Jugendalter der Entschluss, Brauereichefin zu werden. Heute leitet sie unter anderem ihre Benderbräu in Arnstein. Ihre Familie war Anfang der 60er Jahre nach Badenweiler gefahren. „Das ist zwar ein Urlaubsort für Ältere, aber meine Eltern fanden es dort entspannend“, erinnert sie sich. Ihre Schwester habe die Tage mit der Mutter verbracht, während sie mit ihrem Vater die Berge erklomm, was für sie damals recht anstrengend war. „Ich war nicht so kräftig als Mädchen.“

    Unterwegs sammelten die beiden Beeren im Wald. Ihr Vater erzählte ihr aber vor allem von seiner Arbeit als Chef der familieneigenen Michelsbräu in Babenhausen oder von seinen Einsätzen in der Brauerei seines Schwiegervaters Max Bender in Arnstein, dem er öfter half. „Er berichtete, was er bei seiner Tätigkeit erlebte, wie er mit den Menschen sprach – ich war total beeindruckt und fasste den Entschluss, dass ich diesen Job eines Tages auch machen will.“ Im Alltag gab es die Zeit für solche Gespräche nicht. Da aß der Vater mittags schnell und musste wieder ins Büro. Und wenn er von dort wiederkam, musste die kleine Susan schon ins Bett. Später studierte sie Jura und promovierte hier auch – alles im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Brauereichefin. Typische Jugendurlaube wie Zeltlager oder Radtouren unternahm sie nicht. „Dafür waren wir zu behütet.“

    Anders Dietholf Schröder (Jahrgang 1966). Der Geschäftsführer der Karlstadter Stadtmarketing GmbH war als Jugendlicher hauptsächlich mit den Retzstadter Ministranten und den Schützen unterwegs. Als Oberministrant übte er sich schon früh im Organisieren. Im Alter von etwa 14 Jahren fuhr er mit seinen Kumpels mit dem Rad ins Jossatal zum Zelten. Befreundete Ministranten sorgten für die Zeltmöglichkeit dort. Und abends kamen manchmal die Eltern, um nach dem Rechten zu sehen oder Essen zu bringen.

    Später radelte er mit der Schützenjugend nach Miltenberg zum Zelten. Schließlich erinnert er sich daran, wie er einen Freund aus Himmelstadt auf einer längeren Radtour über Heidelberg, Mainz und Trier bis nach Koblenz begleitete. „Der war im Himmelstadter Radfahrverein und hat noch Kilometer gebraucht.“ Übernachtet wurde in Jugendherbergen.

    Mit 16 Jahren fuhr die Karlstadter Volkshochschulleiterin Anna-Elisabeth Hennrichs (Jahrgang 1951) erstmals ohne Eltern weg, und dann gleich in die Normandie. Es war eine Fahrt des Kreisjugendrings Kitzingen – sie stammt aus Obernbreit. „Ich war überwältigt von Frankreich und dem Meer, noch mehr aber von der Millionenstadt Paris, die wir auf der Rückfahrt besuchten“, erinnert sich die Vhs-Leiterin .

    Schockierend dagegen war für sie ein Urlaub in der DDR. Mit 18 fuhr sie alleine zu einer älteren Tante nach Karl-Marx-Stadt – heute wieder Chemnitz. Der Schock begann gleich an der Grenze, als mit Schäferhunden der Zug durchsucht wurde und die Grenzbeamten die Koffer durchwühlten. „Wie viele politisch Interessierte war ich damals eher links orientiert und meine Eltern hatten mich extra zu der Tante geschickt“, erzählt Anna-Elisabeth Hennrichs.

    Ihr Weltbild sei mit dem Besuch tatsächlich ein Stück weit zurechtgerückt worden. „Mir wurde klar, dass man so mit einer Gesellschaft nicht umgehen kann. Es war verstörend, dass selbst am Tisch in der Verwandtschaft niemand offen redete, sondern jeder sich nur verhalten zu allem äußerte.“ Die Kinder hätten etwas ausplaudern können. Die Tante deutete gegenüber der jungen Westbesucherin nur an: „Du kennst die Stasi nicht.“

    Sieben Studenten des Priesterseminars kauften 1963 einen alten VW-Käfer – der Retzbacher Pfarrer Gerold Postler war einer von ihnen. Südfrankreich war das Ziel. Erst gingen vier der jungen Autobesitzer auf Tour. Als sie wieder zurück waren, folgte Postler mit zwei weiteren Kommilitonen. Die jungen Studenten besuchten Arles und Lourdes, den Pont du Gard und das Meer. Unterkunft fanden sie in Pfarrhäusern und Klöstern.

    „Wir haben erlebt, dass die Kirche in Frankreich sehr arm ist, aber wurden überall mit offenen Armen empfangen und eingeladen.“ Der Rückweg führte die Urlauber durch die Schweiz. Am Genfer See fanden die jungen Herren kein Quartier. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu dritt in dem Brezelfenster-Käfer zu übernachten.

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