Seit drei Jahren und einem Monat ist er auf der Walz, der 23-jährige Steinmetz Niklas Dienstl aus Neustadt an der Aisch. Seit rund drei Wochen ist er bei Familie Engelhorn in Karbach zu Gast. Dort möchte er voraussichtlich noch bis Anfang August bleiben – denn in Karbach gefällt es dem Gesellen.
Karbach war sein Ziel, da dort ein weiterer Wandergeselle im Maurerhandwerk, Achim Engelhorn, zu Hause ist. Die beiden haben bereits einige Wanderstrecken gemeinsam zurückgelegt. Drei Monate wanderten sie durch Indien.
Michael und Christine Sendelbach haben im „Gässlein“ zwei ehemalige Bauernhöfe gekauft, abgerissen und nun ein neues Wohnhaus mit einer Schreinerei errichtet. Das Paar will mit einem „Karbacher Wappen“ an die 775 erstmals erwähnte Beurkundung von „Carabach“ erinnern. Die beiden Gehöfte wurden 1702 erstmals dokumentarisch erfasst, sind aber wesentlich älter. Den neuen Eingang ziert der „Fränkische Rechen“. Ein weiteres Werk aus rotem Sandstein wird derzeit bearbeitet.
So kam Dienstl zum richtigen Zeitpunkt nach Karbach. Der Steinmetz arbeitet aus einem Block aus „Schönbrunner weissem Sandstein“ das örtliche Wappen der Marktgemeinde heraus. Meist mit Hammer und Meisel; eine elektrische Bearbeitungsmaschine erleichtert ihm zeitweise die diffizile Arbeit.
Milan als Wappentier
Davor hat er das blau-gelb-weiße Karbacher Wappen mithilfe einer gelöcherten Folie und Farbe auf den Sandstein übertragen. Das fertige Wappen zeigt im oberen Bereich den Roten Milan (gelb), Karbachs Wappenvogel, in der Mitte fließt der Bach Karbach, das Initial „n“ im unteren Teil erinnert an die Zugehörigkeit zum Kloster Neustadt.
Michael Sendelbachs Vater Dietmar – ebenfalls Maurer – hat bereits beim Abriss alte Backsteine und Ziegel aussortiert und für den Neubau verarbeitet. Damit hat er im Innern des Gebäudes Sichtmauerwerk mit Jahrhunderte alten Eichenbalken als Blickfang in den neuen Räumen.
Die Geschichte der Walz geht bis ins Spätmittelalter zurück und umfasst die Zeit der Wanderschaft zünftiger Gesellen nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit, der sogenannten Freisprechung. Die Gesellen gehören sogenannten „Schächten“ während ihrer Zeit auf der Walz an. Dienstl gehört dem Schacht „Die Rechtschaffenden Fremden“ an. Weitere Schächte sind „die Rolandsbrüder“, „der Fremde Freiheitsschacht“, „der Freie Begegnungsschacht“ und die „Freien Voigtländer“.
Während der regulären Beschäftigung, die von sechs Wochen bis sechs Monate dauern kann, sind die Gesellen voll versicherungspflichtig beschäftigt. Unterkünfte oder eine kleine Unterstützung findet man in Pfarrhäusern, in den Gemeinden oder aber bei gastfreundlichen Privatpersonen und Jugendherbergen. Für Fortbewegungskosten, egal in welcher Form, dürfen nach dem selbst auferlegten Ehrenkodex keine Geldmittel ausgegeben werden.
Vom Spätmittelalter bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts war die Walz Voraussetzung für Gesellen, um eine Meisterprüfung zu beginnen. Nach Abschluss der Gesellenprüfung wird der Lehrling vom Meister frei gesprochen und geht auf die Walz, um andere Regionen, Kulturen, aber vor allem neue Fertigkeiten im jeweiligen Fach kennenzulernen. Auch Frauen können gemeinsam auf Wanderschaft gehen.
Die Zahl der reisenden Gesellen lag Anfang des 20. Jahrhundert im vierstelligen Bereich. Sie ging dann in der Zeit der Weltkriege allerdings stark zurück und stieg anfangs der 50er Jahre wieder an.
Einen wandernden Gesellen erkennt man an seiner traditionellen Kluft: Kopfbedeckung Zylinder oder Melone, Weste und an seiner „Ehrbarkeit“. Sie besteht aus einem gehäkeltem, schmalen Stoffband und wird um den ersten Knopf der Staude geschlungen und mit einer Nadel – oft mit dem Zunftzeichen des zugehörigen Handwerks – festgesteckt.
Stenz und Wanderbuch
Wichtigster Begleiter des Gesellen ist der „Charlottenburger“, ein etwa 88 mal 88 Zentimeter großes Tuch, in dem er Wechselwäsche, Zahnbürste und eventuell Werkzeug mit sich trägt. Ein weiteres wichtiges Utensil ist der „Stenz“, eine Art gewundener Wanderstab, durch Schlingpflanzen zugewachsener Krüppelstock, sowie das wichtige Wanderbuch mit all seinen vielen Einträgen, Beglaubigungen und Stempeln, das die Arbeitseinsätze des Wander-Gesellen belegt und gleichzeitig von ihm als eine Art Reisetagebuch akribisch geführt wird.