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Würzburg/Aschaffenburg: "Müssen wehrhaft sein": Grünen-Abgeordneter will Milliarden für die Bundeswehr und verpflichtendes Gesellschaftsjahr

Würzburg/Aschaffenburg

"Müssen wehrhaft sein": Grünen-Abgeordneter will Milliarden für die Bundeswehr und verpflichtendes Gesellschaftsjahr

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    Nachdenklich: Niklas Wagener, der unterfränkische Spitzenkandidat der Grünen, beim Redaktionsgespräch in Würzburg.
    Nachdenklich: Niklas Wagener, der unterfränkische Spitzenkandidat der Grünen, beim Redaktionsgespräch in Würzburg. Foto: Thomas Obermeier

    Niklas Wagener war gerade mal 23 Jahre alt, als er im September 2021 für die Grünen in den Bundestag gewählt wurde. Der studierte Forstwirt und ehrenamtliche Jäger aus Aschaffenburg hat sich dort inzwischen als Waldexperte seiner Fraktion einen Namen gemacht. Dazu engagiert sich der Sohn eines US-Soldaten als Mitglied des Verteidigungsausschusses angesichts der Bedrohung durch Putins Russland für die Aufrüstung der Bundeswehr.

    Im Interview fordert Wagener, der bei der Bundestagswahl am 23. Februar als Grünen-Spitzenkandidat für Unterfranken antritt, unter anderem die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs für junge Menschen. Mehrheitsmeinung in seiner Partei ist das bislang nicht. 

    Herr Wagener, Sie sind 2021 mit gerade mal 23 Jahren in den Bundestag gewählt worden. Was hat Sie am meisten überrascht?

    Niklas Wagener: Wie lange es dauert, bis gute Ideen und Vorschläge in Politik umgesetzt werden. Überrascht hat mich zudem, wie freundlich die Vertreterinnen und Vertreter der demokratischen Parteien jenseits der großen, öffentlichen Bühne miteinander umgehen.

    Was ist Ihr größter Erfolg?

    Wagener: Der größte Erfolg, an dem ich mitgewirkt habe, ist das Förderprogramm "Klimaangepasstes Waldmanagement". Inzwischen wurden sämtliche Fördermittel in Höhe von 900 Millionen Euro abgerufen. Wir haben rund 9000 Anträge bewilligt und so private und kommunale Waldbesitzer dabei unterstützt, zusammen 1,6 Millionen Hektar Wald an den Klimawandel anzupassen. Zusätzlich konnten wir über 90.000 Hektar Wald für den Arten- und Naturschutz einer natürlichen Entwicklung überlassen.

    Das geplante neue Waldgesetz aber ist gescheitert. Ein Misserfolg?

    Wagener: Ja. Ein Misserfolg, den die FDP zu verantworten hat. Das Landwirtschaftsministerium von Cem Özdemir hat einen guten Gesetzentwurf vorgelegt. Das Gesetz sollte allen Ansprüchen an den Wald gerecht werden. Ich habe viele Gespräche geführt – mit dem Waldbesitzerverband, den Naturschutzverbänden, den Mountainbikern. Wir waren gewillt, zwischen allen Interessen Kompromisse zu finden. Letztlich aber gab es große Differenzen mit der FDP, insbesondere zu Fragen der Jagd und zur Förderung der Ökosystemleistung des Waldes. Mit dem Ampel-Aus ist dann auch das Gesetz gescheitert.

    Niklas Wagener aus Aschaffenburg ist Spitzenkandidat der Grünen in Unterfranken. Der zweitjüngste Bundestagsabgeordnete gilt in seiner Fraktion als Experte für Forst- und Verteidigungspolitik.
    Niklas Wagener aus Aschaffenburg ist Spitzenkandidat der Grünen in Unterfranken. Der zweitjüngste Bundestagsabgeordnete gilt in seiner Fraktion als Experte für Forst- und Verteidigungspolitik. Foto: Thomas Obermeier

    Sie haben einen Bachelor-Abschluss in Forstwirtschaft und wollten parallel zu Ihrer Abgeordnetentätigkeit noch einen Master draufsatteln. Ist das gelungen?

    Wagener: Leider nein, aber das Mandat hat Vorrang, es ist meine Priorität Nummer eins. Ich gehöre in der ablaufenden Amtsperiode neben dem Landwirtschaftsausschuss auch dem Verteidigungsausschuss an. Und da stand nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine intensive Arbeit an.

    Ausgerechnet die vermeintliche Friedenspartei Bündnis90/Die Grünen fordert immer mehr Waffen für die Ukraine und plädiert für eine stärkere Aufrüstung der Bundeswehr. Sie auch?

    Wagener: Ja.

    Warum?

    Wagener: Wir müssen in unsere Sicherheit, in den Frieden in Europa mehr investieren. Wir stehen in der Verantwortung, die Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr, die sich für unser freiheitliches Zusammenleben engagieren, so auszurüsten, dass sie ihrem Auftrag zur Landesverteidigung und den Verpflichtungen, die wir in der Nato eingegangen sind, nachkommen können. Das bedeutet insbesondere, die Landstreitkräfte, mit der Panzerdivision in Veitshöchheim, in der nächsten Wahlperiode weiter zu stärken. Damit sie gemeinsam mit den Partnern in der Lage sind, unsere Freiheit gegenüber jenen zu verteidigen, die meinen, Grenzen mit Waffengewalt verschieben zu müssen.

    Kanzlerkandidat Robert Habeck hat eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gefordert – das wäre fast eine Verdoppelung auf 140 Milliarden Euro. Geld, das bei Klimaschutz, sozialer Sicherung, Wirtschaftsförderung und Ausbau der Bahn- und Straßeninfrastruktur fehlt.

    Wagener: Falsch. Wir müssen beides tun. Ich sehe einen massiven Geldbedarf, um die aktuellen Defizite, die wir in der Bundeswehr haben, abzustellen. Die Wehrbeauftragte hat bereits von einmalig 300 Milliarden Euro gesprochen. Aber wir dürfen die Anforderungen an die militärische Verteidigung nicht gegen die Ertüchtigung der Infrastruktur ausspielen. Wir Grüne schlagen vor, die Schuldenbremse so zu reformieren, dass Investitionen in die Zukunft möglich sind. Die schwarze Null der letzten Jahre war am Ende auch eine Verschuldung. Die stand zwar nicht auf dem Papier, aber zeigte sich beispielsweise in einer maroden Bundeswehr.

    "Wir müssen mit der Bundeswehr abschrecken können."

    Niklas Wagener, Bundestagsabgeordneter der Grünen

    Sie haben bei Ihrer Nominierung auf dem Listenparteitag der bayerischen Grünen ausdrücklich erwähnt, dass Sie das Kind eines in Deutschland stationierten US-Soldaten sind. Wie hat Sie das geprägt?

    Wagener: Mein Vater war als Soldat schon im Vietnam-Krieg dabei. Aufgrund seiner Erzählungen, oft sehr grausame Erlebnisse, haben mich Fragen von Sicherheit und Verteidigung schon immer beschäftigt. Wahrscheinlich habe ich deshalb auch weniger Berührungsängste als andere Grüne, mich mit diesen Themen zu beschäftigen. Meine Lehre aus den Erzählungen ist, wir dürfen keine Kriege aus ideologischen Gründen führen – wie die USA damals in Vietnam. Aber wir müssen wehrhaft sein, müssen mit der Bundeswehr abschrecken können, damit niemand auf die Idee kommt, uns anzugreifen.

    Beim Bundesparteitag am Wochenende fordern Sie die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs für junge Leute. Ist das nicht die Wiedereinführung der Wehrpflicht durch die Hintertür?

    Wagener: Nein. Ich sehe in einem Wahlpflichtmodell die Chance für junge Frauen und Männer, nach dem Schulabschluss Einblicke in unterschiedliche Bereiche der Gesellschaft bekommen. Sie sollen sich selbst aussuchen können, ob sie sich in sozialen, kulturellen oder ökologischen Einrichtungen, beim Zivil- und Katastrophenschutz, bei der Feuerwehr, im Rettungsdienst oder der Bundeswehr engagieren. Das sorgt für Erfahrungen, die sehr wertvoll sein können, und bringt die unterschiedlichsten Gruppen miteinander ins Gespräch. Ich befürworte nicht die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht, aber ich glaube, dass es der Demokratie guttäte, das Grundgesetz zu ändern und ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr einzuführen.

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