Diese Nachricht sorgte für ordentlich schlechte Stimmung im Arnsteiner Stadtrat: Vertreter der Telekom und der GlasfaserPlus hatten die Nachricht überbracht, dass die Mehrkosten sich unvorhersehbar enorm gesteigert hätten und der Ausbau im Herbst 2024 abgebrochen wird. Nun stellt sich die Frage: Wie geht es weiter mit dem schnellen Internet in der Stadt?
Für Bürgermeister Franz-Josef Sauer ist die Situation vor allem schwer nachzuvollziehen, weil der Anstoß ursprünglich von Unternehmensseite gekommen sei: "Das waren Vertriebsleute der Telekom, die uns freudig erklärt haben, dass Arnstein von ihrer Seite in der Kernstadt eigenwirtschaftlich ausgebaut wird", erinnert er sich. Letztlich ist es ein GlasfaserPlus-Ausbau, den die Telekom als Baufirma für die GlasfaserPlus ausführt, erklärt Stephan Betz, der zuständige Kommunalberater Glasfaser Telekom Deutschland. Gleichzeitig ist GlasfaserPlus ein Gemeinschaftsunternehmen von der Telekom und IFM Investors.

"Von dem, was man von einer Fachfirma erwartet, von einem Konzern, sind wir da schon schwer enttäuscht", sagt Sauer. Tragisch sei, dass auch Gewerbeflächen dabei seien, die nicht ausgebaut werden. Geplant sei laut Betz der Ausbau von rund 2200 Adressen im Stadtgebiet gewesen, etwas mehr als 200 Haushalte werden nun nicht ausgebaut. Nur: Sie sind im Stadtgebiet verteilt und liegen meist am Ende von Straßenzügen, erklärt der Bürgermeister. In den "peripheren Teilen" des Netzes müsse ein anderer Anbieter nun neu beginnen. "Die Telekom hat ihre eigene Infrastruktur bis einen Straßenzug weiter liegen, ein anderer hat das eben noch nicht", sagt Sauer.
Mehrere Faktoren führten zum Abbruch des Ausbaus
Ob andere Anbieter im Fall Arnstein die Infrastruktur der Telekom nutzen könnten, weiß Betz aktuell nicht. Es gebe aber immer wieder Gespräche mit Anbietern zu diesem Thema. "Das sind natürlich auch die Strecken, die vielleicht etwas mehr Aufwand machen, die die Telekom da liegen lässt", sagt Sauer. Betz stellt die Situation anders dar: Er erklärt, dass der Ausbau insgesamt schon schwierig gewesen sei und zählt verschiedene Faktoren auf.

Ganz allgemein seien die Mehrkosten beim Ausbau durch die Inflation gestiegen. Doch andere Faktoren würden speziell mit den Gegebenheiten in Arnstein zusammenhängen: An mehreren Stellen in der Stadt habe es überdurchschnittliche Bodenbelastungen gegeben, sodass der Boden teuer entsorgt werden musste.
Des Weiteren sei die Telekom auf einen überproportionalen Anteil sehr schmaler Gehwege gestoßen. Das bedeute, dass die Grabungen für die Kabelverlegung nicht einfach mit einem Teerstreifen beendet werden könnten, sondern der komplette Gehweg saniert werden müsse. Außerdem sei vom Bauamt eine Verlegung der Kabel in einer Tiefe von 60 Zentimetern gefordert und erst nachträglich auf die derzeitige Standardtiefe von 45 Zentimetern umgeschwenkt worden. Da war das Kind schon in den Brunnen gefallen, formuliert es Betz.

"Das hat man erst nach einem Jahr in der Abrechnung gesehen", sagt er über die Kostensteigerungen. Die Subunternehmen, die den Bau ausführen, würden teils erst Wochen später die Rechnungen stellen. So sei das ganze Budget aufgebraucht worden: "Das Geld, das schon investiert wurde, war für alle Haushalte gedacht", sagt Betz. Sowohl GlasfaserPlus als auch die Telekom hätten zudem weitere Gelder bereitgestellt.
Finanzielle Beteiligung der Stadt am Ausbau wäre zu hoch
"Für uns ist es auch enttäuschend, weil wir die restlichen Stadtgebiete, die die Telekom nicht eigenwirtschaftlich ausbaut, in entsprechenden Förderverfahren angemeldet haben", sagt Sauer. Für die übrig gebliebenen Gebiete der Kernstadt muss die Stadt nun erst wieder Förderungen beantragen und Anbieter finden.
Im Falle einer Neuausschreibung rechnet der Bürgermeister mit einem halben bis dreiviertel Jahr für die Markterkundung und Ausschreibung – wie schnell die Firma den Ausbau dann durchführen kann, sei ein Blick in die Glaskugel. Die Stadt sei bereits mit Ausschreibungsbüros in Kontakt. "Es hilft nicht, zu jammern. Wir müssen jetzt gucken, dass wir eine Lösung finden", sagt Sauer.

Für den Ausbau in den Stadtteilen erhielt Arnstein zuletzt mehr als drei Millionen Euro Förderung. Dort bauen ab Herbst 2024 die Stadtwerke Hammelburg das Netz aus, die Überlandzentrale Mainfranken (ÜZ) übernimmt den Weiler Ruppertzaint und die Höfe Lindenhain. Diese vergleichsweise kleinen Player würden sich den Ausbau im ländlichen Raum auch trauen, bringt der Bürgermeister an. Ein deutschlandweit agierendes Unternehmen müsse seiner Meinung nach die lukrativen Bereiche mit den weniger lukrativen Bereichen kompensieren und nicht einzelne Projekte auf die Waagschale legen.
Die Stadt habe mit der Telekom auch darüber verhandelt, sich am eigenwirtschaftlichen Ausbau der GlasfaserPlus mit finanziellen Mitteln zu beteiligen, so Sauer. Doch die geforderten Summen seien weit entfernt vom kommunalen Anteil bei Förderungsprogrammen gewesen. In der Regel wird der Glasfaserausbau zu 90 Prozent bezuschusst. Das kann Stephan Betz bestätigen: In Gesprächen sei der Stadt etwa angeboten worden, dass diese die Gehwege selbstständig sanieren könnte. Jedoch: Die Kosten hätten dabei über den zehn Prozent gelegen, die die Stadt getragen hätte.
Bürgermeister: Gemeinden sind mit Ausbau personell und finanziell überfordert
Die Stadt wandte sich mit dem Fall auch an den Bayerischen Gemeindetag, um herauszufinden, ob es in anderen Kommunen ähnliche Fälle gab. Das sei bisher nur in zwei oder drei weiteren Gemeinden passiert. Dazu kommt: Die Grundlage des Ausbaus sei kein Vertrag mit Rechten und Pflichten, sondern eher eine gemeinsame Absichtserklärung, erklärt Fabian Helmerich, geschäftsführender Beamter der Stadt Arnstein. Der Rat an die Gemeinde sei also, mithilfe eines Förderprogramms die restlichen Adressen auszubauen oder anderweitige Lösungen zu finden.
"Wir haben die Befürchtung, dass der ländliche Raum wieder hinten runterfällt", sagt Sauer. Der eigenwirtschaftliche Ausbau durch die Anbieter sei in Großstädten rentabler. "Es ist kein Wunder, wenn Deutschland im Ranking in Europa und auf der Welt im Digitalisierungsfortschritt weit abgehängt ist, wenn wir so agieren und versuchen, unsere Netze auszubauen", schimpft der Bürgermeister. Seit mehr als zehn Jahren gebe es verschiedene Programme für den Ausbau: "An manchen Stellen ist die Technik, die zuerst verbaut worden ist, schon wieder überholt", sagt Sauer.
Und er findet, dass die Aufgabe die Gemeinden personell und finanziell überfordert, trotz der Fördergelder: "Eigentlich ist es eine Bundesaufgabe, Kommunikationsnetze aufzubauen. Beim Glasfaser, dieser Zukunftstechnologie, machen wir so ein Gestümper zusammen, dass zig Firmen irgendetwas zusammenstöpseln. Ich habe da die größten Bauchschmerzen momentan."
Doch noch hegt der Bürgermeister die Hoffnung, dass der Ausbau komplett abgeschlossen wird: Sauer erhielt kürzlich eine Mail, dass es Anfang Juli noch einmal Gespräche geben soll. "Wir sind da natürlich offen für", sagt er. Betz weiß, dass intern bei GlasfaserPlus und der Telekom Gelder für den Ausbau in Arnstein gesucht werden. Doch die Telekom müsse auch gegenüber den eigenen Investoren und den vielen Anteilseignern für ihre Projekte "gerade stehen".