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Würzburg/Gemünden: Nach Großrazzia in Gemünden erschien vor Gericht nur ein befangener Zeuge aus der Ukraine: Er arbeitet wieder dort

Würzburg/Gemünden

Nach Großrazzia in Gemünden erschien vor Gericht nur ein befangener Zeuge aus der Ukraine: Er arbeitet wieder dort

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    Im März 2020 kam es zur Durchsuchung durch die Bundespolizei in Gemünden.
    Im März 2020 kam es zur Durchsuchung durch die Bundespolizei in Gemünden. Foto: Björn Kohlhepp

    Im März 2020 kam es zu einer Großrazzia bei einem metallverarbeitenden Unternehmen in Gemünden. Mehrere Arbeiterunterkünfte sowie eine offenbar nur zum Schein gegründete Leiharbeitsfirma in Lauda-Königshofen waren weitere Ziele der Ermittler. Wegen illegaler Beschäftigung von Mitarbeitern aus der Ukraine und Moldau müssen sich seit diesem Februar fünf Angeklagte, vier Männer und eine Frau im Alter von 38 bis 49 Jahren aus den Landkreisen Main-Spessart und Main-Tauber, vor dem Würzburger Landgericht verantworten. Angeklagt sind 49 Fälle, bei denen Arbeiter aus Moldawien und der Ukraine illegal beschäftigt wurden.

    Mit Spannung erwartet wurden nun die Aussagen der betroffenen Mitarbeiter aus der Ukraine. Der Vorsitzende Richter Boris Raufeisen erwartete davon genauere Einblicke in die Abläufe und vor allem, inwiefern zwei leitende Mitarbeiter aus Gemünden in das organisierte Netzwerk eingebunden waren.

    Ukrainischer Zeuge arbeitet nach wie vor für das Unternehmen

    Von den Zeugen, die das Gericht geladen hatte, war jedoch nur einer erschienen. Die anderen leben offenbar wieder in der Ukraine. Für den vom Gericht vernommenen 31-Jährigen aus der Westukraine geriet die Aussage zu einem heiklen Balanceakt. Immer wieder führte er Antworten nicht zu Ende oder reagierte ausweichend.

    Erst auf die Frage Raufeisens hin, ob er jetzt gerade Angst habe, machte er klaren Tisch: Der zwischenzeitlich wegen illegaler Einreise und Arbeitsaufnahme zu einer Geldstrafe verurteilte Mann arbeitet inzwischen wieder – legal – in Gemünden bei der damals durchsuchten Firma. Sein aktueller Chef ist ausgerechnet derjenige, der bis 2017 als Geschäftsführer tätig war und der der Staatsanwaltschaft als einer der Hauptakteure gilt.

    Richter sieht Gewissenskonflikt bei Zeuge

    "Dass ein gewisser Gewissenskonflikt auf der Hand liegt, ist offensichtlich", folgerte der Richter. Auf die Frage, warum er nicht offen seinen derzeitigen Arbeitgeber benannt habe, erklärte der Mann, dass er nicht danach gefragt worden sei.

    Zuvor hatte der 31-jährige Ukrainer dem Gericht eine komplett andere Version zur Herkunft der gefälschten rumänischen Papiere gegeben, mit denen er 2018 eingereist war. Noch bei der Durchsuchung der Firma 2020 hatte er auf den früheren Geschäftsführer verwiesen. Nun will er die Papiere schon in der Ukraine erhalten haben. Während der gut eineinhalbstündigen Aussage verwies der Zeuge auffallend oft auf den russisch-sprachigen Chef der vermeintlichen Leiharbeitsfirma. Dieser sei sein Arbeitgeber gewesen, von ihm habe er in Briefumschlägen sein Gehalt bekommen.

    Zeuge sagte aus, dass er die Arbeit und das Geld brauchte

    Die Stelle will er über eine ukrainische Agentur gefunden haben. Welche Arbeit ihn genau in Gemünden erwartete, habe er nicht gewusst. Es sei ihm egal gewesen, wohin er fährt. Er habe das Geld gebraucht. Als seine Aufgabe beschrieb er das Bearbeiten von Metall. Angelernt worden sei er über ein Video und andere Mitarbeiter. Eine entsprechende Ausbildung hatte er nicht. Erstmals war er 2018 in Gemünden im Einsatz. Sein Verdienst – zweimal 800 Euro – betrug damals mehr als das Doppelte eines durchschnittlichen Monatsverdienstes in der Ukraine.

    2019 kam es zu einem weiteren mehrmonatigen Arbeitseinsatz mit einem polnischen Visum. Diesmal seien die Arbeiter davon ausgegangen, legal beschäftigt zu sein. Die Leiharbeitsfirma habe zudem ein deutsches Arbeitsvisum in Aussicht gestellt. Als damaligen Stundenlohn gab der Mann vor Gericht acht Euro an, für später Angeworbene nur noch 7,50 Euro. Der gesetzliche Mindestlohn lag 2019 bei 9,19 Euro. Gearbeitet wurde täglich, manchmal auch samstags, von 6 bis 14 Uhr. Vom Gehalt gab es Abzüge: Für eine An- und Abmeldegebühr zahlte er 100 Euro und die Miete in einer der Unterkünfte kostete 150 Euro im Monat.

    Das Treiben in Gemünden fiel den Ermittlern erstmals im August 2019 auf. Der 31-jährige Ukrainer wollte damals einen Bekannten aus seinem Dorf am Frankfurter Flughafen abholen und nach Gemünden zur Arbeit fahren, als er von der Flughafenpolizei aufgegriffen wurde. Im März 2020 erfolgte schließlich die Razzia.

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