Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Karlstadt
Icon Pfeil nach unten

Karlstadt: Nach Jahren als Einrichtungsleiterin zurück in die Pflege: Warum eine Führungskraft zur Arbeit am Menschen zurückkehrt

Karlstadt

Nach Jahren als Einrichtungsleiterin zurück in die Pflege: Warum eine Führungskraft zur Arbeit am Menschen zurückkehrt

    • |
    • |
    Nach fast 30 Jahren in Führungspositionen kehrt Elfriede Roth für die verbleibenden Berufsjahre in die Tagespflege zurück. Was hat sie zu diesem Schritt motiviert? 
    Nach fast 30 Jahren in Führungspositionen kehrt Elfriede Roth für die verbleibenden Berufsjahre in die Tagespflege zurück. Was hat sie zu diesem Schritt motiviert?  Foto: Silvia Gralla

    Ohne nachzudenken kann Elfriede Roth ihren ersten Tag als Pflegekraft in Karlstadt nennen: der 1. April 1990. Ab diesem Tag ging die Karriereleiter für sie Stück für Stück nach oben: Bald schon übernahm sie die Verantwortung für einen ganzen Wohnbereich. Nach der Geburt ihres dritten Kindes stieg sie wieder voll ein, allerdings in der Verwaltung: Sie wurde kommissarische Heimleitung und Assistentin der Heimleitung; in den vergangenen 15 Jahre leitete sie schließlich das Seniorenzentrum der Heroldstiftung in Karlstadt. Und nun ist sie zurück im Tagesgeschäft, als Pflegerin. Ein Schritt, den die 61-Jährige nicht bereut. "Zurück ist dann schon schwieriger", gibt sie jedoch zu.

    An diesem Vormittag im August, wenige Wochen nach ihrem Wechsel zur Pflegekraft, räumt Roth die Spülmaschine ein, bringt einige Tagesgäste ins Erdgeschoss zum Chor und schaut wieder zurück im ersten Stock beim Schnippeln der Suppen-Zutaten vorbei. Nachher geht es raus auf die Terrasse zur Bewegungsrunde. Für ein Spiel mit einem Gymnastikball schiebt sie einige Rollatoren zur Seite, sobald die Tagesgäste im Sitzkreis platziert sind. Kondition darf dabei nicht fehlen. Aus der Tasche ihrer Arbeitskleidung zieht Roth eine Fitnessuhr, etwa 12.000 Schritte zeigt sie ihr pro Tag an. "Wenn ich keinen Bürojob haben will, muss ich mich bewegen", sagt sie.

    Bewegung trainiert Roth nicht nur mit den Pflegegästen. Sie selbst sieht am Ende eines Arbeitstages viele Schritte auf der Fitnessuhr.
    Bewegung trainiert Roth nicht nur mit den Pflegegästen. Sie selbst sieht am Ende eines Arbeitstages viele Schritte auf der Fitnessuhr. Foto: Silvia Gralla

    Ihre Aufgaben als Führungskraft waren in den vergangenen 27 Jahren jedoch hauptsächlich Büroarbeit: Heimaufnahmen, Vorstellungsgespräche, Dienstpläne – und viele Konzepte, nach denen das Seniorenzentrum immer wieder umstrukturiert werden musste. Schon vor Jahren kam der Gedanke bei ihr auf, dieses Kapitel hinter sich zu lassen.

    Neue Abläufe und Rituale der Gäste muss Roth erst kennenlernen

    "Ich genieße jeden Tag", sagt sie über ihre ersten Wochen zurück in der Pflege. An einem besonderen Moment kann Roth aber nicht festmachen, was ihr die Arbeit zurückgibt: "Wenn man es nur wegen solchen Momenten macht, ist es nicht das Richtige", sagt sie. Schon eine kleine Geste, ein liebes Wort, und die Dankbarkeit der Pflegegäste, das mache es für sie aus.

    Immer wieder dürfen die Tagesgäste auch selbst beim Kochen helfen. Die Pflegekräfte übernehmen dann die Zubereitung und Essensausgabe.
    Immer wieder dürfen die Tagesgäste auch selbst beim Kochen helfen. Die Pflegekräfte übernehmen dann die Zubereitung und Essensausgabe. Foto: Tabea Goppelt

    "Mit Nudeln oder mit Kartoffeln?", fragt sie jeden einzelnen Gast bei der Essensausgabe nach der heutigen Wahl. Eine ältere Dame kann sich nicht entscheiden zwischen dem Rindfleisch und dem Gemüsegericht – kein Problem, Roth packt einfach zwei kleine Portionen auf ihren Teller. Alles wirkt professionell und routiniert, aber auch sie musste wieder lernen. 

    Die Abläufe in der Tagespflege und die Rituale der Gäste waren neu für die erfahrene Pflegerin. Wie geht jemand zur Toilette, wo legt er oder sie sich zur Mittagsruhe hin? "Das muss ich lernen – und bei manchen frage ich immer noch nach", sagt sie. "Ich bin noch vorsichtiger, weil ich doch lange Zeit heraus bin und manchmal nicht ganz sicher: Wie sehr muss ich jemanden unterstützen, um ihn vom Rollstuhl in den Ruhesessel zu bekommen?" Das sei aber alles Routine und man bekomme ein Gefühl für den Unterstützungsbedarf der Gäste mit der Zeit – das kann Roth aus ihrem ersten Einstieg aus eigener Erfahrung sagen.

    Keine Angst vor dem späten Einstieg in den Job

    Neben den zusätzlichen Laufmetern, die ihre Fitnessuhr nun misst, bringt ihr neuer Job noch andere körperliche Anforderungen mit sich. Zwar sei es in der Tagespflege leichter als in der vollstationären Pflege, aber auch hier muss Roth Gäste stützen und eventuell anheben. Zugetraut hätte sie sich aber auch die Arbeit auf Station.

    "Ich habe viele Mitarbeiter eingestellt, manche waren schon Mitte 50 und sind erst in die Pflege eingestiegen."

    Elfriede Roth, ehemalige Leiterin des Seniorenzentrums in Karlstadt

    Woher kommt ihr Vertrauen, dass ein körperlich so fordernder Job auch als Spät(wieder)einsteigerin machbar ist? "Ich habe viele Mitarbeiter eingestellt, manche waren schon Mitte 50 und sind erst in die Pflege eingestiegen. Und die haben das ganz gut gemacht", sagt Roth. Sicherlich sei es ein anstrengender Beruf, aber es habe bis zur Rente funktioniert. Die Bewohner seien dankbar für jeden unterstützenden Handgriff: "Das lässt manches Zipperlein vielleicht auch einmal vergessen", sagt Roth.

    Quereinsteigern rät sie immer, mindestens zwei Wochen Praktikum zu machen; einmal Früh- und einmal Spätdienst. Ansonsten glaubt Roth: "Auf den Schritt in die Pflege kann man sich eigentlich nicht vorbereiten." Das Wichtigste sei Empathie, ein Gefühl für die Gäste. Manchmal seien Gäste oder Bewohner nicht so freundlich, sogar teils krankheitsbedingt aggressiv. "Auch das muss ich aushalten können", sagt sie.

    Nicht nur die Pflegegäste muss Elfriede Roth anheben und stützen – auch die vollen Essensbehälter und großen Töpfe muss sie bewegen können.
    Nicht nur die Pflegegäste muss Elfriede Roth anheben und stützen – auch die vollen Essensbehälter und großen Töpfe muss sie bewegen können. Foto: Silvia Gralla

    Durch ihren Wiedereinstieg nach vielen Jahren kann Roth einen direkten Vergleich ziehen, wie sich die Arbeit gewandelt hat. Schon immer habe es wenig Personal gegeben, erinnert sie sich. "Schon damals haben wir gedacht, wir haben nicht viel Zeit, aber es war trotzdem gefühlsmäßig noch mehr", sagt sie. Roth glaubt, dass Pflegekräfte grundsätzlich gern mehr Zeit für die einzelnen Bewohner hätten; deshalb hätten sie den Beruf schließlich gewählt.

    "Auf den Schritt in die Pflege kann man sich eigentlich nicht vorbereiten."

    Elfriede Roth war am Beginn ihrer Karriere bereits einige Jahre als Pflegekraft tätig

    Dazu kommt: Die Ressourcen Zeit und Personal sind auch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens knapp, das wirkt sich wiederum auf die Arbeit in der Pflege aus. Fehlt in den Arztpraxen die Zeit, müssen die Pflegekräfte für ein Rezept teils lange telefonieren, bis sie durchkommen. "Diese Zeit geht von der Zeit für die Bewohner ab", sagt Roth. Die ausführlichere Dokumentation sieht Roth ambivalent. "Manches ist wichtig und manches ist richtig – vieles ist aber auch Schreibarbeit und kommt nicht direkt beim Bewohner an", sagt sie.

    Roths Chefin war ihr früher unterstellt

    Eine Hoffnung liege seit Jahren auf der Digitalisierung. Hier wünscht sich Roth einen Sprachassistenten, dem sie etwa das Gewicht eines Bewohners sagt und der es automatisch in ein Vitalwerteblatt einträgt. Die andere Hoffnung liege auf ausländischen Pflegekräften, aber die würden teils die Praxiserfahrung nicht mitbringen, wenn die Ausbildung im Herkunftsland eher einem Studium ähnelt.

    Die ausführliche Dokumentation sieht Roth zwiegespalten. Vieles komme nicht direkt bei den Pflegebedürftigen an, sondern raube eher Zeit. 
    Die ausführliche Dokumentation sieht Roth zwiegespalten. Vieles komme nicht direkt bei den Pflegebedürftigen an, sondern raube eher Zeit.  Foto: Silvia Gralla

    Roth ist natürlich auch mit einer seltenen Situation konfrontiert: Monika Oppelt, ihre aktuelle Chefin, war bis vor kurzem Roth unterstellt. Oppelt sieht das gelassen. "Es ist sehr von Vorteil, dass sie so ein großes Know-How hat und jetzt schneller verfügbar ist. Ich finde es fast erleichternd", sagt die Pflegedienstleitung der Tagespflege. "Die Mitarbeiterinnen sind alle sehr offen gewesen, da habe ich keine Distanz gespürt", sagt auch Roth.

    Frühestens 2028 wird sie wohl in Rente gehen, muss die 61-Jährige erst nachrechnen. So wichtig scheint ihr der genaue Termin nicht zu sein. Für die verbleibenden Jahre bis dahin wünscht sie sich vor allem "wieder mehr Zeit mit den älteren, hilfsbedürftigen Menschen verbringen zu können und alles ein bisschen ruhiger angehen lassen."

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden