Angefangen hat alles mit der "Hausfrauengymnastik" – so hieß die Sportgruppe damals, 1980, als Uschi Hartmann in den ESV Bavaria Gemünden eintrat. Gut zehn Jahre später übernahm sie als erste Frau in Main-Spessart den Vorsitz eines so großen Vereins. Heute kann die 77-Jährige zurückblicken auf 25 erfolgreiche Jahre als erste Vorsitzende des großen Gemündener Sportvereins. "Dass ich den Posten so lange machen würde, hätte ich nicht gedacht", sagt sie.

Der ESV ist vergleichbar mit einem mittelständischen Unternehmen. Der Verein hat mehr als 700 Mitglieder, ein Sportgelände mit Vereinsheim, verpachtet die Gemündener Hütte in der Rhön. Hartmann hat die Finanzen des Vereins im Blick, verhandelt mit dem Bürgermeister über Zuschüsse und mit der Bank über nötige Kredite, sichtet 700 Seiten lange Förderregularien, schreibt Anträge, plant Vereinsfeste, spricht Begrüßungsworte bei Sportwettkämpfen, schreibt die Vereinschronik fort. Sie schreibt den älteren Vereinsmitgliedern von Hand Geburtstagskarten, jedes Jahr ungefähr 50 Stück. Der Chef eines mittelständischen Unternehmens hätte wohl ein Sekretariat, 30 Tage bezahlten Urlaub und ein gutes Gehalt. Uschi Hartmann ist ihre eigene Schriftführerin, bekommt im Monat zehn Euro Aufwandspauschale – und zahlt gleichzeitig ihren Mitgliedsbeitrag.
Nach dem Tod ihres Mannes gab der ESV Hartmann Halt
"So ein Vorstandsposten ist aber nicht nur Arbeit", sagt sie, "er macht auch so viel Freude." Über die Vereinsarbeit habe sie Menschen kennengelernt und Freundschaften aufgebaut, die sonst nie zustande kommen wären. Und der Verein hat ihr durch eine schwere Zeit im Leben geholfen: Sie war Mitte 50 und erst seit ein paar Jahren Vorsitzende, als ihr Mann starb. "Da habe ich gespürt, der Verein steht hinter mir." Der Vorstandsposten habe ihr eine Aufgabe gegeben, sie gezwungen, vor die Tür und unter Leute zu gehen. "Das hätte ich sonst wahrscheinlich gar nicht gemacht", sagt sie rückblickend. Der Verein habe sie in den ersten zwei Jahren nach dem Tod ihres Mannes getragen.

An die Vereinsführung hat sie sich langsam herangetastet. Erst war sie Schriftführerin der Leichtathletikabteilung, dann Abteilungsleitung. "In der Funktion war ich bei den regelmäßigen Vorstandssitzungen dabei und habe gesehen, wie die Dinge laufen." Sechs Jahre lang war sie Schatzmeisterin und begleitete den damaligen Vereinsvorsitzenden Robert Nöth zu vielen Terminen. "Irgendwann hat er zu mir gesagt: Du bist meine Wunsch-Nachfolgerin. Da habe ich mich natürlich geehrt und auch ein bisschen verpflichtet gefühlt." Als sie 1999 zur Vorsitzenden gewählt wurde, war ihr Mann schon schwer krank. "Die Vorstandsarbeit war ein guter Ausgleich in dieser Zeit."
Hinwerfen war keine Option
Gleich zu Beginn arbeitete sich tief ein: "Ich habe die Sitzungsprotokolle der letzten 14 Jahre durchgearbeitet und alle Beschlüsse aufgelistet." So bekam sie einen guten Überblick über alle Aktivitäten des Vereins. Manchen gab es, der mit einer Frau so seine Probleme hatte. Unterschwellig habe sie das immer wieder zu spüren bekommen. An einen Moment zu Beginn ihrer Vorstandszeit erinnert sie sich deutlich: Weil auf der Gemündener Hütte immer wieder Dinge kaputtgingen, schlug Hartmann von, von Gästegruppen eine Kaution zu verlangen. "Da sagte einer zu mir, 'Was willst Du junges Ding denn!'"
Diese Momente seien jedoch weniger geworden, je länger sie als Vorsitzende im Amt war. "Ich hatte immer ein gesundes Selbstbewusstsein", sagt sie. In 25 Jahren habe sie nie darüber nachgedacht, das Amt hinzuwerfen. Auch nicht, als Hochwasser 2003 und 2011 das Vereinsgelände zerstörten. Beide Male waren Reparaturen von 40.000 Euro und mehr notwendig. Im ersten Stock des Vereinsheims stand das Wasser auf Höhe der Fensterbänke. "Ich erinnere mich, dass ich auf der Scherenburg stand, das überflutete Gebiet anschaute und dachte: Da säuft unser ganzes Vereinsleben ab." Die Corona-Zeit war ein weiterer Tiefpunkt für sie, auch wenn der Verein Glück im Unglück hatte und die Mitglieder dem Verein die Treue gehalten haben.

Digitalisierung hat vieles leichter gemacht
Aber auch Höhepunkte kann sie aus 25 Jahren viele aufzählen: Wie der Verein 2018 ein Jahr lang 125 Jahre Sport in Gemünden gefeiert hat; die Vereinschronik, ein dickes, A4-großes, gebundenes Buch, das sie zu diesem Anlass zusammengestellt hat; oder der Spatenstich für den Anbau des Vereinsheims im Jahr 2001. Und dann sind da die vielen kleinen Momente: Hartmann erinnert sich an die Familie, deren zwei Töchter lange Jahre im Verein Sport gemacht haben, bis sie für Studium und Ausbildung aus Gemünden weggingen. "Da haben die Eltern zu mir gesagt: 'Unsere Kinder hatten so viele tolle Jahre bei Euch, dass wir trotzdem im Verein bleiben und Euch unterstützen.'"

Vieles hat sich verändert seit 1999. Der Fußballplatz pflegt sich jetzt quasi selbst, mit einem Rasenmähroboter und einer Bewässerungsanlage. Den Strom für das Vereinsheim produziert die Photovoltaikanlage auf dem Dach. Einladungen zur Vorstandssitzung verschickt Hartmann jetzt per E-Mail, statt sie auszudrucken, 15 Mal zu kopieren, in Kuverts zu verpacken und zur Post zu bringen. "Es ist wirklich vieles einfacher geworden", sagt sie.
Nachfolge ist noch nicht geklärt
Schwieriger ist es geworden, engagierte Leute zu finden. Wenn sie auf Menschen zugehe, die Verantwortung im Verein übernehmen könnten, dann hört sie Sätze wie "So habe ich mir meinen Ruhestand eigentlich nicht vorgestellt", "Meine Kinder sind noch so klein" oder "Das Zeug am Computer kann ich aber nicht". Hartmann sagt: "Die mittlere Altersklasse, zwischen 30 und 50, die war früher leichter zu mobilisieren." Die jungen Leute gingen heute eben lieber ins Fitnessstudio, wo sie nicht an feste Zeiten gebunden sind.

Sie hat den Entschluss getroffen, bei der nächsten Vorstandswahl im März 2025 nicht noch einmal anzutreten. "Aber es sieht schlecht aus", sagt sie und wird dabei ganz still. Sie möchte sicher sein, dass sie den Verein gut und sicher übergeben kann. Ein Nachfolger, eine Nachfolgerin soll Zeit haben, sich einzuarbeiten. Der Vorstand sei ohnehin ein Team, die Sportabteilungen mit ihren eigenen Leitungen ein Selbstläufer. Aber es braucht eben eine Person, die vorne dran steht. Sie weiß noch nicht, was bei der Wahl im März passieren wird. "Ich bin aber nicht der Typ, der sagt: 'Seht zu, wie ihr ohne mich zurechtkommt.'" Sie würde einen Nachfolger in der ersten Zeit gern unterstützen: "Die Geburtstagskarten würde ich schon noch selbst schreiben", sagt sie lachend.