Eigentlich ist die niedrige Arbeitslosenquote von nur 1,9 Prozent in Main-Spessart eine erfreuliche Nachricht. Doch für die Unternehmen hat die gute Lage am Arbeitsmarkt auch Schattenseiten: Fachkräfte sind immer schwerer zu bekommen. "Die Situation wird sich verschärfen", sagte der Leiter der Arbeitsagentur Würzburg, Stefan Beil, am Mittwoch bei der Firma Zöller Bau in Triefenstein.
Im Rahmen der "Woche der Ausbildung 2022" warb er zusammen mit dem Präsidenten der Handwerkskammer Unterfranken, Michael Bissert, bei dem Straßen- und Tiefbauunternehmen für eine Ausbildung im Handwerk. Das beste Mittel gegen Fachkräftemangel sei die Ausbildung eigener Mitarbeiter, so Stefan Beil.

Doch die Zahlen auf dem Ausbildungsmarkt im Handwerk sind ernüchternd. Im Bezirk der Arbeitsagentur Würzburg kamen zum Beispiel im Bereich Hochbau auf 68 freie Ausbildungsstellen nur 20 Bewerber. Im Landkreis Main-Spessart ging für elf freie Stellen im Tiefbau keine einzige Bewerbung ein. In ganz Unterfranken haben sich im vergangenen Jahren 2563 Menschen für eine Ausbildung im Handwerk entschieden. Das sind zwar 0,5 Prozent mehr als 2020. "Doch der starke Rückgang von 7,6 Prozent von 2019 auf 2020 konnte nicht aufgefangen werden", stellte Michael Bissert fest.
Nicht ganz unschuldig an den schlechten Zahlen ist laut Bissert die Corona-Pandemie, die vor allem durch fehlende Kontaktmöglichkeiten und ausgefallene Schülerpraktika auf dem Ausbildungsmarkt ihre Spuren hinterlassen hat. Doch damit herausreden möchte sich der Handwerkskammer-Präsident nicht: "Die Corona-Pandemie hat als Katalysator fungiert. Die Probleme waren schon davor da und sind es immer noch." Ein wichtiger Faktor sei auch die demografische Entwicklung. Die Zahl der Schulabgänger ist 2021 im Vergleich zu 2019 um neun Prozent gesunken, so Bissert. Das mache sich natürlich bei den Ausbildungszahlen im Handwerk bemerkbar.
"Mundpropaganda ist das beste Mittel, um Auszubildende zu gewinnen"
Christiane Hofmann ist Geschäftsführerin von Zöller Bau und weiß aus Erfahrung: "Mundpropaganda ist das beste Mittel, um Auszubildende zu gewinnen." Aber auch der Kontakt mit den Schulen und Praktika in den Betrieben seien sehr wertvoll. Sie erinnert sich an ihre eigene Schulzeit, in der viele Mitschüler und -schülerinnen bis zu 400 Bewerbungen geschrieben hätten und teilweise trotzdem keine Stelle gefunden hätten.

"Und heute kämpfen wir um Azubis", so Hofmann. Einen Appell hat die Unternehmerin auch an die Eltern der Auszubildenden, zu denen ihr der Kontakt sehr wichtig ist. "Gerade bei jüngeren Auszubildenden ist es schön, wenn die Eltern einfach mal vorbeischauen und sich informieren, was mein Kind da eigentlich lernt." Damit meine sie kein "helikoptermäßiges betuddeln", sondern einfach den Willen zum Austausch, der natürlich auch vom Unternehmen selbst ausgehen sollte.
Die Wertschätzung in der Gesellschaft steigt wieder
Das Werben um Auszubildende ist nicht neu, seit vielen Jahren kämpft das Handwerk um Nachwuchs. Trotz der niedrigen Zahlen sieht Stefan Beil eine leichte Kehrtwende in der Gesellschaft: "Das Bewusstsein wächst, dass wir einen Investitionsstau haben." Eine Rückbesinnung, dass wir Handwerker brauchen, sei spürbar, so Beil. Nicht zuletzt würden die Menschen das merken, wenn sie zum Beispiel ein halbes Jahr auf einen Termin beim Handwerker warten würden.

Mangelnde Wertschätzung ist für Felix Lödel, der bei Zöller Bau eine Ausbildung zum Straßenbauer macht, eigentlich kein Problem. In seinem Freundeskreis bemerkt er jedoch, dass oft Unwissen darüber herrsche, was ein Handwerksberuf alles beinhalte. "Viele sind überrascht, wenn man sagt, dass wir nicht nur den ganzen Tag asphaltieren", erzählt der 17-Jährige.