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Marktheidenfeld: Nackte Tatsachen im Franck-Haus

Marktheidenfeld

Nackte Tatsachen im Franck-Haus

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    Smalteblau ist die Farbe des Marktheidenfelder Franck-Hauses.
    Smalteblau ist die Farbe des Marktheidenfelder Franck-Hauses. Foto: Martin Harth

    Die Idee des Bauherrn funktioniert noch nach über 270 Jahren. Menschen schlendern durch die Untertorstraße in der Marktheidenfelder Altstadt. Plötzlich bleiben sie stehen und stutzen. Die prachtvolle, dunkelblaue Fassade des Franck-Hauses hat ihr Interesse geweckt. Was verbirgt sich hinter ihr?

    Der Kaufmann Franz Valentin Franck war 1726 nach Marktheidenfeld zugezogen, hatte die Witwe des Schultheißen Störkel geheiratet. In Marktheidenfeld blühte in dieser Zeit der Weinhandel. Franck wurde schnell ein wirtschaftlich erfolgreiches Mitglied der damaligen Gesellschaft im Ort, lieferte Wein bis nach Lübeck. Über seine Frau erwarb das Oberhaupt einer kinderreichen Familie mit neun Nachkommen die Gebäude des bedeutsamen Weinhändlers Hans Günther an der Untertorstraße. Schon 1730 lässt sich Francks Monogramm am neuen Zugang zu einem Keller aus dem Jahr 1617 nachweisen.

    Erbauer ist Franz Valentin Franck 

    1745 errichtete Franz Valentin Franck sein barockes, repräsentatives Palais, mit dem das bis dahin übliche Maß in Marktheidenfeld bei weitem überschritten wurde. Dazu erweiterte er zwei vorhandene Fachwerkhäuser und überbaute sie über einer Hoffeinfahrt zu einem Gebäude. Dies führte zu einer Auseinandersetzung mit der politischen Gemeinde, denn der Bauherr hatte mit seiner Schmuckfassade den öffentlichen Straßenraum um 50 bis 60 Zentimeter überbaut.

    Im Jahr darauf schloss man auf Vermittlung der hochstiftischen Beamtenschaft einen Vergleich. 1753 entstand mit dem rückwärtigen Bau ein eindrucksvoller Innenhof. Ab 1764 wohnte der Homburger Oberamtmann Franz Philipp Adolf von Gebsattel im Marktheidenfelder Franck-Haus. 1756 hatte Franz Valentin Franck den Besitz des Weinhändlers Franz Joseph Stöber erworben. Das Franck-Haus konnte vermietet werden.

    Franck handelte neben dem Wein auch mit Luxusgütern, stand mit dem Wertheimer Hof in guter Verbindung. Sein Anwesen wurde zum Treffpunkt der damaligen besseren Gesellschaft. Beziehungen zur Familie des bedeutenden Komponisten Friedrich Fleischmann waren ebenso gegeben.

    Im Jahr 1764 wurde Franck Witwer. Auf dem wichtigen Frankfurter Markt erhielten die Marktheidenfelder Weinhändler mehr und mehr Konkurrenz. Die goldenen Zeiten waren vorbei. 1767 veräußerte Franz Valentin Franck sein Haus an den Schiffer Marcus Schatz und starb schließlich mit 75 Jahren am 7. Oktober 1777 in Marktheidenfeld.

    Viele Eigentümerwechsel

    Das Franck-Haus erlebte eine wechselvolle Geschichte mit einigen Eigentümerwechseln. Mit dem Namen des Weinhändlers Andreas Schulz (1735–1809) und seiner angeheirateten Verwandtschaft aus der Karlstädter Familie Siligmüller verbindet sich die Legende, dass die Sektherstellung in Deutschland im Franck-Haus, sozusagen als "Sektwiege", begründet worden sei. Dazu sollen die 1796 nach Marktheidenfeld gekommenen Soldaten der französischen Revolutionsarmee mit ihrer Kenntnis der "Methode Champenoise" beigetragen haben.

    Zwischenzeitlich war das Franck-Haus ab 1829 als Sitz des inzwischen nach Marktheidenfeld verlegten Landgerichts Homburg in Betracht gezogen und wieder verworfen worden. Etwa 1864 gelangte das Anwesen in den Besitz der Familie Flasch, die für lange Zeit mit ihrem Namen für das Gebäude als "Flasch-Haus" bestimmend wurde. Schon Ende des 19. Jahrhunderts wurde die kulturhistorische Bedeutung des Franck-Hauses von den Bayerischen Kultusbehörden erkannt und in den Blick genommen.

    Trotzdem plante man es 1919 für die Bayerische Ansiedlungs-Gesellschaft mit Kriegshilfsbedürftigen zu belegen. Dagegen erhob unter anderem der damalige Arbeiter- und Bauernrat Marktheidenfeld Einspruch. Schließlich erwarb Ludwig Schmitt das Anwesen für sein Weingut. 1927 folgte der Selterswasserfabrikant Josef Scheiner. In der NS-Zeit sollte im Franck-Haus ein Heimatmuseum entstehen. Es wurde aber nach 1945 ausschließlich für Wohnzwecke genutzt. Der Zustand des Anwesens verschlechterte sich zusehends.

    Restaurierungsarbeiten im Franck-Haus.
    Restaurierungsarbeiten im Franck-Haus. Foto: Martin Harth

    Seit 1987 im Eigentum der Stadt Marktheidenfeld

    1978 wurde das Franck-Haus von dem Marktheidenfelder Unternehmer Hans-Wilhelm Renkhoff erworben. Seine Pläne für ein Tagungs- und Schulungszentrum wurden nicht realisiert. Schließlich landete das Anwesen 1987 im Eigentum der Stadt Marktheidenfeld. Umgehend wurden Voruntersuchungen des Denkmalschutzes veranlasst. Im Jahr 1994 wurde mit der Sanierung begonnen, die 1998 abgeschlossen wurde.

    Der prachtvolle Festsaal dient als Trauzimmer.
    Der prachtvolle Festsaal dient als Trauzimmer. Foto: Martin Harth

    Im Herzen der Marktheidenfelder Altstadt war ein städtisches Kulturzentrum mit zwei Bereichen für Wechselausstellungen aus Kunst und Kultur entstanden. Der barocke Festsaal wurde bald zum sehr beliebten Trauzimmer der Stadt. Der Innenhof vor dem heutigen Kaffeehaus lädt zu Veranstaltungen unter freiem Himmel ein.

    Der Historische Weinkeller dient für Konzerte, Feiern und Versammlungen. Im Haus befinden sich zwei Wohnungen. Hinter den Gebäuden zwischen Schenk- und Stiergasse lädt der neu entstandene "Westentaschenpark" zum Verweilen ein. Eine Schauschmiede berichtet über ein altes Marktheidenfelder Handwerk.

    Aktuelle Kunstausstellungen locken Gäste ins Franck-Haus.
    Aktuelle Kunstausstellungen locken Gäste ins Franck-Haus. Foto: Martin Harth

    Was aber viele Menschen in den Bann zieht, ist die kunsthistorisch bedeutsame Ausstattung des bürgerlich-barocken Franck-Hauses. Von der smalteblauen Fassade war schon die Rede. Sie hatte im 18. Jahrhundert vermutlich unwahrscheinliche Kosten verursacht. Die exklusive Farbe galt als extrem teuer. Die Maria-Immaculata-Statue in der Muschelnische unter dem Stuck-Baldachin im Zentrum zeugt von höchster bildhauerischer Qualität. Über den Fenstern des Obergeschosses finden sich Frauenköpfe, vielleicht als Art einer "Hädefelder" Schönheitsgalerie. Darunter zeigen Puttenköpfe mit Symbolen im Erdgeschoss die damals geläufigen vier Erdteile und die Jahreszeiten.

    Ein verborgener Männertraum des Barocks – Kallisto und Diana.
    Ein verborgener Männertraum des Barocks – Kallisto und Diana. Foto: Martin Harth

    Die vielleicht größte Überraschung der Sanierung kann bislang nur selten bewundert werden. Im Erdgeschoss befand sich an einer grün-weißen Stuckdecke ein stark verdunkeltes Deckengemälde. Man staunte nicht schlecht, als dort nach der Restaurierung quasi in einer spätbarocken Männerfantasie nackte Frauen zum Vorschein kamen. Dargestellt ist eine mythologische Szene: Diana entdeckt die von Jupiter verursachte Schwangerschaft der Nymphe Kallisto. Solche Darstellungen scheinen gerade in Herren- und Schlafzimmern seinerzeit sehr beliebt gewesen zu sein.

    Über der Hofeinfahrt befinden sich Stuckmedaillons mit gemalten Darstellungen der römischen Gottheiten Ceres und Bacchus. Eine wohl erst nachträglich eingefügte herrschaftliche Holztreppe führt zum Festsaal im ersten Stock. Dort wird man vom Gesamteindruck fast ein wenig erschlagen.

    Vier Erdteile in den Ecken

    Die reich ornamentierte Stuckdecke stammt aus der Zeit der Erbauung. Im Zentrum steht ein dreiteiliges Deckengemälde der Josef-Legende des Alten Testaments mit dem zentralen Festmahl der Brüder am Hof des ägyptischen Pharao. Ein guter Einfall für einen Fest- und Speiseraum möchte man meinen. Weitere Darstellungen zeigen in den Ecken die vier Erdteile, unter anderem mit einer Europa, die Kaiserin Maria Theresia nachempfunden sein dürfte. Barocke, goldene Stuck-Putti symbolisieren die vier Elemente.

    Eine Besonderheit: gemalte Wandtapeten im Festsaal.
    Eine Besonderheit: gemalte Wandtapeten im Festsaal. Foto: Martin Harth

    Als wäre das nicht alles schon mehr als genug, zeigen Supraporten über den drei Eingängen Stillleben mit satter, pflanzlicher Pracht. Sie wurden wohl etwas später zusammen mit den Tapeten des Festsaals eingebaut. Diese gemalten Wandbespannungen, die Wirkteppiche vortäuschen, erwiesen sich als wirkliche Besonderheit. Sie zeigen ländliche Idyllen nach dem französischen Rokoko-Maler Antoine Watteau, die auf die Commedia dell’arte zurückgehen. Es gibt Indizien dafür, dass diese Tapeten aus der Fabrik der Frankfurter Manufaktur Nothnagel stammen, die auch Johann Wolfgang von Goethe schätzte.

    Fast zu wenig beachtet bleibt neben diesem ganzen Pomp die Stuckdecke des benachbarten "Roten Salons". Sie ist perspektivisch aufgehöht, zeigt fröhliche Putti, seltsame Greife und pflanzliche Ranken nebst zwei südlich anmutenden Ideallandschaften.

    Der Historische Weinkeller dient für Veranstaltungen.
    Der Historische Weinkeller dient für Veranstaltungen. Foto: Martin Harth

    Seit 1998 sind nun all diese Kunstschätze öffentlich zu bewundern. Immer wieder entdeckt man dabei Überraschungen bei Details, wie etwa bei den handwerklich höchst kunstvollen Schlosserarbeiten an den Türen. Ein Nachteil der historischen Bausubstanz ist freilich, dass dieser Genuss nicht barrierefrei zu haben ist. Lange ist darüber in den Gremien der Stadt diskutiert worden. Im kommenden Jahr soll ein Aufzug so eingefügt werden, dass wenigstens die Schauräume des Vorderhauses im Franck-Haus barrierearm erreichbar sein werden.

    Zum Autor: Martin Harth (62) ist freier Journalist und Stadtrat in Marktheidenfeld. Er befasst sich seit vielen Jahren mit kulturellen und historischen Themen in der Region. Das Franck-Haus und seine Funktion als kommunales Kulturzentrum zählen zu seinen persönlichen Schwerpunkten.

    Literatur: Scherg, Leonhard / Albert, Inge; Das Franck-Haus in Marktheidenfeld – Ein Haus der Kultur; (Schriftenreihe des Historischen Vereins Marktheidenfeld Nr. 24) Selbstverlag, Marktheidenfeld 2018 (erhältlich im Franck-Haus).

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