Der Neustart ist international: Ein Radfahrer aus England und eine 50-köpfige Gruppe Jugendlicher aus Polen sind die ersten Gäste in der am Montag wiedereröffneten Lohrer Jugendherberge am Brunnenwiesenweg.
Nachdem das Haus des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH) von November 2015 bis Ende April als Flüchtlingsunterkunft gedient hatte, folgte eine einmonatige Sanierung. Am Freitag war sie beendet. Am Montag kamen die ersten Gäste.
Es ist nicht nur ein Neuanfang für die 1934 als solche genutzte und 1985 letztmals umgebaute Jugendherberge, sondern auch für Jürgen Goldbach. Der 38-Jährige ist der neue Leiter. Zuvor führte er seit 2011 die mit dem DJH kooperierende Jugendherberge auf Burg Rothenfels. Weitere Stationen im Jugendherbergswesen waren für den gelernte Groß- und Außenhandelskaufmann seit 2000 Oberstdorf, der Bayerische Wald, der Starnberger See und München.
Neuer Leiter wollte wieder mehr Kontakt mit Gästen haben
Für den Zwei-Meter-Mann ist der Wechsel nach Lohr eine „Verkleinerung“. Während die Jugendherberge auf Burg Rothenfels mit dem angeschlossenen Tagungshaus insgesamt 280 Betten zählt, sind es in Lohr „nur“ 96. Doch genau das sei es gewesen, was ihn gelockt habe, sagt Goldbach: „Ich wollte wieder näher am Gast sein, etwas weg vom reinen Verwalten.“ Er freue sich einfach darauf, „auch mal wieder ein Frühstück zu machen“. Der direkte Umgang mit den Gästen habe ihm in Rothenfels gefehlt.
Zum 1. Juni wechselte Goldbach nun also von dort nach Lohr. Bereits einige Tage zuvor hat er die Wohnung in der Jugendherberge bezogen. Er kann sich vorstellen dauerhaft dort zu wohnen – „auch wenn man dann immer auf der Arbeit ist“. Doch die Arbeit, das merkt man Goldbach an, macht ihm großen Spaß.
Mit „seinem“ Haus ist der nahezu voll zufrieden. Lediglich einen kleinen Spielplatz würde er sich noch wünschen, um Familien was bieten zu können. Ansonsten wurde das Haus in den vergangenen Wochen rundum saniert. Rund 250 000 Euro hat sich das DJH das Aufhübschungspaket kosten lassen.
Horrorwittchenerfinder Valentin Lude sprühte Schriftzuf an die Wand
Nach außen sichtbar zeugen nicht nur ein neuer Anstrich, sondern auch der von Valentin Lude, dem Erschaffer des Lohrer Horrorwittchens, in bunten Lettern auf die Fassade gesprühte Schriftzug vom Neustart der Jugendherberge. Auch im Inneren hat sich viel getan. Die 19 Gästezimmer seien ebenso wie die übrigen Räume doch ein bisschen abgewohnt gewesen, schildert Goldbach. Ein neuer Anstrich, sanierte Sanitärräume, ein runderneuerter Tagungsraum sowie eine neue Anrichte im Speisesaal sind nur einige der Veränderungen. Die neue Brandmeldeanlage sowie Brandschutztüren tragen dem Sicherheitsaspekt Rechnung.
Goldbach: 12.000 Übernachtungen würden mich über alle Maßen glücklich machen
Goldbach will das Haus in einem pfiffigen, „nicht spießigen“ Stil führen. Über die sozialen Medien im Internet will er um Besucher werben. Daneben arbeitet er eng mit der städtischen Touristinfo zusammen. Auch mit der Volkshochschule strebt er einen engen Kontakt an, um den Gästen einen möglichst interessanten Aufenthalt bieten zu können.
Zwar kümmert sich auch das DJH per Anzeigen um die Werbung. Auch hat es alle früheren Stammgäste, überwiegend Schulen, angeschrieben und auf die Wiedereröffnung der Lohrer Jugendgerberge hingewiesen. Goldbach ist sich jedoch bewusst, dass ihm selbst eine Schlüsselrolle bei der Vermarktung zukommt. Das ist nicht zuletzt daran erkennbar, dass sein Gehalt eine variable Größe enthält, die sich am Erfolg des Hauses bemisst.
Bange ist dem neuen Herbergsleiter jedoch nicht. „Lohr hat Potenzial“, sagt er. Früher lagen die Übernachtungszahlen der Herberge meist zwischen 7000 und knapp 9000. Goldbachs Ziel ist es, möglichst bald wieder die 10 000 zu überspringen. Das laufende Jahr sieht er dabei als Anschubphase. 2018 werde es dann hoffentlich schon mehr. „Über alle Maßen glücklich wäre ich, wenn wir irgendwann 12 000 Übernachtungen erreichen“, sagt Goldbach.
Schulklassen als eine Hauptzielgruppe
Er sieht in Lohr gute Voraussetzungen, dies erreichen zu können. Eine schöne Altstadt, reichlich Natur, den Maintalradweg und attraktive Museen zählen dazu. In den kommenden Wochen wird sich Goldbach alle Sehenswürdigkeiten der Stadt genauer anschauen, Stadtführung mitmachen, die Umgebung erkunden. Schließlich gilt es, interessante Tipps oder gar ein Angebotspaket bieten zu können.
Eine Hauptzielgruppe seien sicher auch in Zukunft Schulklassen, überwiegend aus der Grundschule oder hoch bis zur zehnten Klasse. Gerade für diese Klassen lasse sich in und um Lohr ein ansprechendes Programm zusammenstellen, „nicht nur Halligalli, sondern auch mit Lehrplaninhalten“, sagt Goldbach.
Spessart oder Schneewittchen als Markenzeichen?
Für die kommenden Tage hat er sich vorgenommen, dem im Inneren bislang noch etwas nackigen Haus durch Blumen, Bilder und sonstige Accessoires einen eigenen Charakter zu verleihen. Und wer weiß, vielleicht spielt ja auch das in Lohr mittlerweile fast allgegenwärtige Schneewittchen für die Zukunft der Jugendherberge eine Rolle.
„Man sucht für ein solches Haus immer den roten Faden“, sagt Goldbach und fügt mit Blick auf das Lohrer Schneewittchen an: „Ich kenne keine Jugendherberge, für die sich ein solcher Bezug zum Thema Märchen herstellen lässt.“ Denkbar sei allerdings auch, dass der Spessart vor der Haustüre künftig das prägende Identifikationsobjekt der Jugendherberge werde. „Das wird sich mit unserem Programm entwickeln“, blickt Goldbach nach vorn.