Viele kennen das: Man sitzt mit 20 anderen Patienten Stunden beim Hausarzt, ehe man drankommt. Oder man erhält beim Facharzt einen Termin, der Monate in der Zukunft liegt. Das Gefühl entsteht: Es gibt zu wenig Ärzte. Wie sieht es wirklich in Main-Spessart aus? Die Landkreis-CSU wollte das auf ihrem Parteitag in Marktheidenfeld mit Experten klären. Dabei kamen alte Reizthemen auf den Tisch.
Der Landkreis ist medizinisch gut versorgt, stellenweise zu gut. Das belegten im Hotel „Zur Schönen Aussicht“ Dr. Christian Pfeiffer und Dr. Hildgund Berneburg, bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) jeweils für die Bereiche Haus- und Fachärzte zuständig, mit Zahlen.
Rechtliche Vorgaben aus Berlin besagen: Ein Hausarzt soll 1671 Menschen betreuen. Dividiert man nun die Einwohnerzahl eines festgelegten Planungsbereiches durch diese Anzahl, ergibt sich die Menge Hausärzte, mit der eine 100-prozentige Abdeckung des Bereiches erreicht ist. Bei ihrer Bedarfsplanung muss sich die KVB an diesem Wert orientieren.
Eine Unterversorgung liegt vor, wenn die Quote unter 75 Prozent rutscht. Als überversorgt gilt ein Planungsbereich, wenn er 110 Prozent Abdeckung mit Hausärzten oder mehr aufweist. Die KVB würde diesen Bereich sperren, also keine weiteren Hausärzte sich ansiedeln lassen.
Beispiel Kreissitz Karlstadt: Dort weist die Statistik einen Versorgungsgrad von 108,5 Prozent aus. Nach KVB-Kriterien ein guter Wert. Würde dort ein weiterer Arzt eine Praxis eröffnen, wäre das Gebiet überversorgt. Neue Hausärzte dürfen lediglich vakante Praxen übernehmen.
Spitzenwert in Marktheidenfeld
Überversorgung herrscht auch im Planungsbereich Gemünden. Dort liegt die Versorgung bei 115,7 Prozent. Diesen Wert toppt der Bereich Marktheidenfeld mit 137 Prozent.
Anders die Lage in und um Lohr. Der Bereich gilt mit 105,1 Prozent zwar als gut abgedeckt. Doch droht eine Unterversorgung. Denn 40 Prozent der Hausärzte sind 60 Jahre und älter, hören wohl bald auf. In Marktheidenfeld sind es gar 48 Prozent. Der bayerische Schnitt: 34,6 Prozent.
Im Planungsbereich Lohr sind rechnerisch 1,5 Arztsitze zu vergeben. Die KVB fördert das finanziell. Wer eine Hausarztpraxis nachbesetzt, erhält 60 000 Euro Zuschuss. Arbeitet ein Inhaber übers 63. Lebensjahr hinaus zwei Jahre weiter, kann er mit 18 000 Euro rechnen.
Auch mit Fachärzten ist der Main-Spessart-Kreis sehr gut versorgt – zumindest nach der KVB-Statistik. Wobei der Bedarf an diesen Spezialisten auf drei Ebenen geplant wird.
Die Verteilung zum Beispiel von Augenärzten, Chirurgen, Frauenärzten, HNO-Medizinern oder Urologen wird auf Kreisebene berechnet. Die Versorgung mit „spezialisierten Fachärzten“ (Anästhesisten, Radiologen, Fachinternisten, Kinder- und Jugendpsychiater) erfolgt nach „Raumordnungsregionen“ (ROR). Main-Spessart gehört mit Stadt und Landkreis Würzburg sowie dem Landkreis Kitzingen zu einer solchen.
Und dann sind da Fachärzte, für die der Bedarf bayernweit geplant wird. Zum Beispiel Nuklearmediziner, Strahlentherapeuten, Transfusionsmediziner, Pathologen.
Zu viele Chirurgen
Auf Kreis- und Regionenebene weisen die Berechnungen für Main-Spessart fast immer eine Überversorgung aus. Bei Chirurgen sind es im Kreis 200 Prozent. Mit 400 Prozent bei Kinder- und Jugendpsychologen ist die ROR Würzburg (mit Main-Spessart) deutlich überversorgt.
Nur im Fachbereich Hals-Nasen-Ohren zeigt sich ein anderes Bild. Dort besteht ein Versorgungsgrad von 52,3 Prozent; zweieinhalb Arztsitze sind frei. Bei 50 Prozent beginnt – anders als bei Hausärzten (75 Prozent) – die Unterversorgung. Deshalb ist HNO der einzige Planungsbereich, den die KVB nicht blockiert.
Warum das so ist, kann Hildgund Berneburg nur bedingt erklären. Vielleicht ziehe es HNO-Ärzte mehr in die Ballungszentren. In Würzburg herrsche Überversorgung.
Ein weiteres Problem sieht Berneburg im hohen Altersschnitt der Nervenärzte im ROR Würzburg. Er liegt bei 60,3 Jahren. Dort könnte eine Unterversorgung drohen, der beizeiten entgegengewirkt werden müsse.
Befürchtungen der Politiker
Also eigentlich alles gut im Landkreis? Einige Gäste sahen das anders. In manchen Orten gebe es nicht einmal mehr eine Hausarztpraxis. Auch ging die Furcht um, dass die Noch-Klinikstandorte Karlstadt und Marktheidenfeld zu stark zugunsten Lohrs geschwächt würden. Das galt auch für die hausärztliche Bereitschaft.
KVB-Mann Pfeiffer kann sich gut vorstellen, dass zwei gut ausgelastete Bereitschaftsärzte an einem Ort im Landkreis genügten, sich nach Sprechstundenschluss und an Wochenenden um Patienten mit „Schnupfen und Schnittwunden“ zu kümmern. Schwerere, akute Fälle seien beim Notruf gut aufgehoben.
Auch das stieß auf Kritik. Ein zentraler Standort im Landkreis reiche nicht; die früheren Krankenhäuser könnten Stützpunkte für Bereitschaftsärzte werden. Pfeiffer lehnt das ab. Dafür sei schlicht zu wenig Personal da und die Gebäude zu groß.