Es ist der Aha-Effekt, der einen überkommt, wenn man als Ortsfremder die kleine Stichstraße zur Hauptstraße 54 in Hafenlohr einbiegt: Nach einigen Metern öffnet sich das Gelände und präsentiert einen weitläufigen Platz, eingerahmt von mehreren sandfarbenen Gebäuden. Auffälligster Bau: Der große Kühlturm mit der Aufschrift "Schwind-Bräu".
In den 1970er Jahren hat die Brauerei Schwind in Hafenlohr ihr letztes Bier gebraut. Seitdem ist es still geworden auf dem Brauereigelände. Doch das könnte sich in den Augen der Architektin Daniela Wagner bald ändern. Sie sieht in dem Gelände ein ideales Terrain zum Thema Revitalisierung und Nachverdichtung von Ortskernen. Ein Thema, das ihr schon länger am Herzen liegt. Denn die Menschen im Landkreis werden immer älter. Gebaut wurden in den letzten Jahren aber in erster Linie Einfamilienhäuser in Neubaugebieten. "Immer neue Gebiete auszuweisen, um sie zu versiegeln kann gerade in Zeiten des Klimawandels nicht die Antwort sein", erläutert die Architektin. Vor allem nicht, wenn es an altersgerechten Wohnungen mangelt.
Idee: Generationenübergreifenden Wohnraum schaffen
Das Hafenlohrer Schwind-Gelände hingegen hat in ihren Augen Potential, genau diese Lücke zu schließen. Hier könnte man gerade für ältere Hafenlohrer, die in ihrem Ort wohnen bleiben wollen, alters- und behindertengerechte Wohnungen anbieten. Darüber hinaus könnte auch – generationenübergreifend – Wohnraum für Familien und junge Menschen entstehen. Auch diese freuten sich über breite Türen und bodengleiche Duschen in Wohnungen.

Wie sie auf das Gelände aufmerksam wurde? Wagner ist gebürtige Hafenlohrerin. Die alte Brauerei ist ihr vertraut. Und so war auch der Kontakt zur Eigentümer-Familie schnell hergestellt. "Die ersten Fragen, die es zu klären galt, waren: Was kann man hier machen? Was macht hier Sinn?", erzählt sie. Zudem habe sie sich eine Partnerin gesucht: Bettina David-Müller, Geschäftsführerin der Raiffeisen Immobilien Dienstleistungs GmbH. Im November 2020 hat die gebürtige Lohrerin den Bereich bei der Raiba angefangen aufzubauen. Davor hat sie 20 Jahre lang im Immobilienbereich der Sparkasse gearbeitet.
Von fünf Kundenanfragen geht es in vier um altersgerechtes Wohnen
Das Thema "Revitalisierung und Nachverdichtung von Ortskernen" ist ihr eine Herzensangelegenheit. Und sie bestätigt, dass es bereits eine verstärkte Nachfrage für nachverdichtete Projekte gibt. "Von fünf Kundenanfragen geht es in vier um das Thema altersgerechtes Wohnen, um Wohnen in Orten mit Infrastruktur", erzählt sie. "Alle wollen dorthin, wo der Stadtbus fährt und der Arzt nah ist." Allerdings habe der Geschosswohnungsbau in der Peripherie nicht wirklich stattgefunden, so David-Müller. Und auch in den Mittelzentren seien nur punktuell solche Projekte entstanden.
Für das Gelände in Hafenlohr konnte sie sich sofort begeistern. Und sie konnte bejahen, dass der Standort Hafenlohr gefragt ist. Der Ort liegt im Marktheidenfelder Einzugsgebiet, die Preise sind noch bezahlbar. Mit der Eigentümerfamilie hat sich Daniela Wagner darauf geeinigt, eine Machbarkeitsstudie für das Gelände zu erstellen.

Denn ein solches Areal neu zu planen, das sei ganz klar mehr Arbeit, als auf die grüne Wiese zu gehen. Denn was passiert mit dem Altbestand? Was kann erhalten werden? Was nicht? "Das alte Sudhaus hat sehr viel Charme, ist aber auch sehr baufällig", beschreibt die Architektin. Dann gibt es da noch einen alten Stollen, der rund 70 bis 80 Meter hinten in den Berg hinein läuft und im früheren Braubetrieb wahrscheinlich als Eisstollen genutzt wurde. Schnell wurde klar: Das was an Gebäuden da ist, ist wohl nicht zu erhalten. Allerdings würde ein Abriss immense Kosten bedeuten.
Schwind-Bräu soll erkennbar bleiben
Wichtig war der Architektin und der Immobilien-Beraterin auch, frühzeitig das Landratsamt mit ins Boot zu holen. Denn für das Grundstück gibt es keinen Bebauungsplan. Sowohl das Landratsamt als auch die Gemeinde Hafenlohr hätten die Projekt-Idee sehr begrüßt und bereits grünes Licht gegeben, so Wagner. Die nächsten Schritte sollen jetzt im Gespräch mit der Eigentümer-Familie geklärt werden.
Wie konkret die Pläne für die Gebäude schon sind? "Es gibt noch keinen Grundriss und keine Wohnungsgrößen", so Wagner. Leider gebe es für das rund 5000 Quadratmeter große Grundstück auch keine Bestandspläne. Als erstes müsse man den Bereich vermessen und schauen: Wo sind die Baulinien? Welche Höhenentwicklung haben wir? Welche Geschossigkeit kann man planen? Bei der Bauweise steht fest: Es muss wirtschaftlich sein.
Dadurch, dass die Häuser nicht direkt an der Hauptstraße stehen und sich dadurch nicht an das Straßenbild anpassen müssen, sei man in der Architektur jedenfalls flexibler. Da das Gelände relativ schmal ist, muss man sich allerdings wohl auf drei Baukörper beschränken. Was der Architektin vor allem wichtig ist: Teile des alten Sandsteins sollen auf jeden Fall erhalten bleiben und wiederauftauchen. "Die Schwind-Bräu soll noch irgendwo erkennbar sein."
Für Daniela Wagner und Bettina David-Müller ist aber auch klar: Hafenlohr ist nur der Auftakt zu mehreren Projekten dieser Art. "Wir wollen schauen, dass wir mehr Alternativen schaffen, dass Generationen zusammen bleiben können", so Bettina David-Müller.