Viele Paare begannen in der Hochzeitsstadt Karlstadt ihren gemeinsamen Lebensweg und reisten für ihren schönsten Tag von weither an. „Sie kamen aus dem Allgäu und sogar aus Norddeutschland“, erinnert sich Standesbeamtin Sabine Zabl, die 1999/2000 auf Wunsch des damaligen Bürgermeisters Karl-Heinz Keller gemeinsam mit dem Kulturreferenten Detlef Wagenthaler die Hochzeitsstadt Karlstadt ins Leben rief – eine der ersten in Deutschland.
Das Einmalige: In Karlstadt durften die Paare auch Heiligabend, Ostern, Pfingsten, an allen Feiertagen und um Mitternacht zum Jahreswechsel heiraten, zu Zeiten also, in denen Verwaltungen geschlossen haben und Standesbeamte selbst feiern. „25 bis 30 Wochenenden kamen anfangs jährlich schon zusammen“, erinnert sich Sabine Zabl.
In der ersten Reihe
Ein Prospekt, ein Auftritt bei der Mainfrankenmesse, ein Bericht im Fernsehen und einsetzende Mundpropaganda spülten Karlstadt als deutsche Hochzeitsstadt in die erste Reihe. Die Stadt bot ein Rund-um-Paket ums Ja-Wort: als Räumlichkeiten statt des sterilen Standesamts im Rathaus die historische Ratsstube oder das Klempnermuseum mit seinem Garten, dazu Sekt nach der Zeremonie auf Kosten der Stadt, einen geschmückten Bürgersaal, eine heimische Gastronomie für Übernachtungen oder Hochzeitsfeiern, Blumengeschäfte, Juweliere und Fotostudios, die ein prächtig festliches Ambiente schufen, Accessoires lieferten und die schönsten Momente im Bild festhielten, sowie Cateringfirmen, die für eine köstliche Hochzeitstafel sorgten.
Parkgebühren übernommen
„Auf Wunsch besorgten wir Hochzeitskutschen und Oldtimer als Brautfahrzeuge, Live-Musik, Chöre oder einen Glück bringenden Schornsteinfeger“, erzählt Sabine Zabl, die mit ihren Standesamtskollegen Bürgermeister, Jan Binner, Bernhard Köhler und Doris Winheim persönliche Trauansprachen hielt. „Auch Priester bei einer rein standesamtlichen Trauung sprachen ein paar Worte, wenn ein Paar sich das wünschte“, erzählt Zabl. Allein das Zuckerl, die Stadt Karlstadt sorgt für ortsnahe Parkplätze und übernimmt die Parkgebühren, könnte einigen Hochzeitsgesellschaften die Stadt am Main schmackhaft gemacht haben.
Die Dienste oder Vermittlungen gab es natürlich nicht kostenlos, aber Paare wie Gäste schätzten die Möglichkeiten, das Karlstadter Ambiente und die Würde des Augenblicks. „Es gab Trauzeugen und Gäste von außerhalb, die dann selbst Karlstadt zu ihrer Hochzeitsstadt wählten“, berichtet die Standesbeamtin Zabl.
Die Anzahl der steigenden standesamtlichen Eintragung sprach für sich: 80 (2001), 99 (2002), 91 (2003), 84 (2004) und 99 (2005). 2006 vermerkte das Standesamt: 35 Prozent der fast 90 Eheschließungen waren außerhalb der „normalen“ Öffnungszeiten. 62 Prozent der Paare wohnten nicht in Karlstadt.
2007 stieg die Zahl der Trauungen außerhalb der „Dienstzeiten“ auf 60 Prozent. In den Folgejahren pendelte sich die Zahl bei 47 Prozent ein. 2007 waren 69 Prozent der Paare nicht aus Karlstadt. Diese Zahl sank stetig bis 2010 auf 28 Prozent, wobei man bei der Statistik nicht übersehen darf, dass die Heiratsbereitschaft bis heute allgemein nachgelassen hat und sich die demografische Entwicklung auswirkt.
Kein Alleinstellungsmerkmal
Es hat sich einiges verändert. Karlstadt liegt zwar immer noch im Herzen Deutschlands und damit zentral für die Hochzeitsgäste aus verschiedenen Himmelsrichtungen, hat aber Konkurrenz bekommen, denn viele Städte sind auf den Zug aufgesprungen und vermarkten sich als Hochzeitsstadt. Auch scheint es, dass in der Stadtverwaltung die Bereitschaft zurückgegangen ist, an allen Samstagen und Feiertagen zu trauen, wenn dies gewünscht wird. Es sind nicht nur die Standesbeamten gefordert, auch der Hausmeister beispielsweise im historischen Rathaus muss Sonderschichten einlegen. Dazu gehören eine Portion Idealismus bei den Mitarbeitern und für die zusätzliche Personalkosten.
„Wir bewerben Karlstadt als Hochzeitsstadt nicht mehr exzessiv“, erklärt denn auch Bürgermeister Paul Kruck auf Nachfrage der Main-Post. Man müsse den Aufwand aufwägen und die zusätzliche Belastung für die Mitarbeiter sehen. „Das Hochzeitsgeschäft hat sich auch verändert“, sagt Kornelia Winkler, Nachfolgerin des damaligen Mitinitiators Detlef Wagenthaler. Es gebe kaum noch Nachfragen von auswärtigen Paaren. Sie halten wohl auch nicht mehr so viel von speziellen Hochzeitstagen.
Wer Heiligabend oder in der Silvesternacht heiraten möchte, sollte trotzdem beim Karlstadter Standesamt nachfragen. Ein Versuch ist es wert. Das beliebteste Hochzeitsdatum dürfte heuer der 12.12.12 sein. Es ist ein Mittwoch.