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Gemünden: Personalnot: Hat die Impfpflicht die Situation in den Altenheimen in Main-Spessart verschärft?

Gemünden

Personalnot: Hat die Impfpflicht die Situation in den Altenheimen in Main-Spessart verschärft?

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    Ein Mangel liege im Landkreis nicht nur bei Pflegefachkräften vor, sondern auch bei Pflegehilfskräften. Darauf verweist Franziska Schön, Pressesprecherin des Klinikums Main-Spessart (Symbolbild).
    Ein Mangel liege im Landkreis nicht nur bei Pflegefachkräften vor, sondern auch bei Pflegehilfskräften. Darauf verweist Franziska Schön, Pressesprecherin des Klinikums Main-Spessart (Symbolbild). Foto: Jens Büttner, dpa

    Längst ist der Pflegenotstand in den Alten- und Pflegeeinrichtungen in Main-Spessart angekommen und wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Rund 700 Pflegekräfte werden 2030 im Landkreis fehlen, schätzt die Caritas-Sozialstation St. Rochus. Bereits heute gestaltet sich die Suche nach Pflegekräften schwierig, sodass viele Stellen unbesetzt bleiben, was Auswirkungen sowohl für die Pflegeheime als auch die Pflegebedürftigen hat. Hat die Corona-Impfpflicht in der Branche die Lage weiter verschlechtert?

    "Wir haben unser Haus nicht ganz ausgelastet, nicht weil wir keine Nachfrage nach Pflegeplätzen hätten, sondern weil das Personal fehlt", sagt Dieter Reichert, Geschäftsführer der Otto und Anna Herold-Altersheimstiftung. Von 145 Plätzen könnten derzeit 20 nicht vergeben werden, da acht Vollzeitkräfte in Karlstadt fehlen würden. 

    Der Bedarf an Pflegeplätzen in Main-Spessart ist hoch, die Wartelisten sind lang

    So wie Reichert geht es auch Emelie Schneider, der Leiterin des Caritas Seniorenzentrums St. Martin in Lohr, die dringend drei bis fünf Pflegefachkräfte mehr benötigt. "Wir haben eine komplette Ebene leere Betten", informiert sie. "Das sind 16 Betten, die unbelegt sind." Dabei sei der Bedarf hoch, die Wartelisten für Pflegeplätze lang.

    "Wir haben eine komplette Ebene leere Betten. Das sind 16 Betten, die unbelegt sind."

    Emelie Schneider, Leiterin des Caritas Seniorenzentrums St. Martin in Lohr

    Da sich die Auslastung von Pflegeheimen nach einem festen Personalschlüssel richtet, durch den eine ausreichende Versorgung gewährleistet werden soll, sind Einrichtungen bei fehlendem Personal eben nicht voll belegt, erklärt der Geschäftsführer der Heroldstiftung. In seinen Augen ist jedoch bereits dieser Schlüssel zu knapp bemessen, was wiederum Überstunden, Krankheitsausfälle und Stress nach sich ziehe.

    "Es sind nicht mehr die Löhne, die den Pflegeberuf unattraktiv machen", so Dieter Reichert. "Die Angestellten sagen, es sind die Arbeitsbedingungen. Und zwar ganz konkret, dass sie ihre Freizeit nicht planen können und dass sie, wenn sie frei haben, in den Dienst gerufen werden." Er fordert deshalb eine Anpassung des Personalschlüssels, damit Angestellte mehr Zeit für die Pflegebedürftigen haben. Das müsse aber wiederum von der Gesellschaft finanziert werden.

    Finanzielle oder materielle Anreize würden das Problem nicht lösen

    Finanzielle oder materielle Anreize – wie ein kostenloses E-Auto, das beispielsweise das Klinikum Aschaffenburg-Alzenau seinen Pflegekräften zur Verfügung stellt – könnten das Image des Pflegeberufes laut Reichert jedoch nicht aufbessern. Schneider ergänzt: "Anreize lösen im Grunde nicht das Problem, das wir haben, sie verschieben es nur." Kliniken, die ihren Mitarbeitenden zum Beispiel kein E-Auto bieten könnten, stünden dann schlechter da. 

    Laut Dieter Reichert wird sich der Personalmangel in der Pflege weiter verschärfen. Die aktuelle Situation "sei erst der Anfang". Abhilfe könnten in seinen Augen Fachkräfte aus dem Ausland schaffen. 
    Laut Dieter Reichert wird sich der Personalmangel in der Pflege weiter verschärfen. Die aktuelle Situation "sei erst der Anfang". Abhilfe könnten in seinen Augen Fachkräfte aus dem Ausland schaffen.  Foto: Stefanie Koßner

    Auch für Sanela Jonjic, Leiterin des Arnsteiner Pfründnerspitals, haben solche Anreize "keine langfristigen Auswirkungen auf die innere Motivation zur Ausübung einer pflegerischen Tätigkeit". Wichtiger seien ideelle Werte wie Wertschätzung, Zusammenhalt, Solidarisierung, Anerkennung oder Teamarbeit. Es gehe darum, den individuellen Interessen der Mitarbeiter gerecht zu werden.

    Das sei gerade jetzt wichtiger denn je, ergänzt sie. Durch die Pandemie und den Personalmangel hätten die beruflichen Anforderungen zugenommen. Gerade "durch die zunehmenden Covid-19-Infektionen und die damit verbundenen psychischen Belastungen sowie das dauerhafte Arbeiten mit Schutzausrüstung" habe sich die Situation verschärft.

    Keine spürbaren Auswirkungen durch die einrichtungsbezogene Impflicht 

    Dass dadurch viele Pflegekräfte ihren Beruf aufgegeben haben, bereite ihr "mehr Sorgen als die Frage nach dem Impfstatus der Mitarbeiter im Gesundheitswesen". Das könnte auch daran liegen, dass die große Kündigungswelle durch die einrichtungsbezogene Corona-Impfpflicht, die seit 16. März für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen gilt, in den Pflegeheimen in Main-Spessart ausgeblieben ist.

    "Keiner hat gekündigt, wofür wir sehr dankbar sind", berichtet Emelie Schneider und betont, dass in ihrer Einrichtung in Lohr bis auf zwei oder drei Angestellte alle geimpft sind. Im Kreisseniorenzentrum Marktheidenfeld habe "lediglich ein Mitarbeiter vorauseilend gekündigt", berichtet Pressesprecherin Franziska Schön auf Nachfrage. Derzeit seien an den Standorten in Marktheidenfeld und Gemünden drei beziehungsweise vier Personen ungeimpft.

    "Lediglich ein Mitarbeiter hat aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorauseilend gekündigt."

    Franziska Schön, Pressesprecherin des Klinikums Main-Spessart

    Auch der Geschäftsführer des Karlstadter Altenheims kennt niemanden, der wegen der Impfpflicht gekündigt hat. Für ihn ist sie deshalb vor allem eines: "viel heiße Luft um nichts." Schon deshalb, weil der Landkreis es sich nicht leisten könne, Pflegekräfte zu verlieren, da sonst die Versorgung der Pflegebedürftigen nicht mehr sichergestellt werden könne, so Reichert. Zwar hätte er ungeimpfte Pflegekräfte an das Gesundheitsamt gemeldet, passiert sei bislang allerdings nichts.

    Bislang wurden in Main-Spessart keine Bußgelder oder Arbeitsverbote verhängt

    Auf Nachfrage bestätigt das Landratsamt, dass bislang keine Bußgelder verhängt oder Arbeitsverbote ausgesprochen wurden, obwohl dem Gesundheitsamt "42 Beschäftigte von Alten- und Pflegeheimen im Landkreis Main-Spessart gemeldet wurden, die nicht über einen vollständigen Impfschutz" verfügen. Ungeimpfte Pflegekräfte hätten Informationsschreiben mit einem Angebot zu einer freiwilligen Impfberatung erhalten und  seien aufgefordert worden, "innerhalb von vier Wochen den Impfnachweis vorzulegen."

    Doch nicht alle seien dieser Aufforderung nachgekommen. Eine konkrete Anzahl an Personen nannte die Behörde zwar nicht, die betreffenden Personen hätten jedoch nach Ablauf der Frist ein weiteres Erinnerungsschreiben erhalten. Ob und inwieweit striktere Maßnahmen ergriffen werden, dazu machte das Landratsamt keine konkreten Angaben. Stattdessen verwies Pressesprecher Markus Rill  darauf, dass diese "aufgrund der Verhältnismäßigkeit in einem sich steigernden Vorgehen" vorzunehmen seien.  Außerdem seien die Maßnahmen mit festen Fristen verbunden – wie diese aussehen, teilte die Behörde nicht mit. 

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