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Karlstadt: Preisanstieg um 125 Prozent: 6 Gründe, warum Bauen so teuer geworden ist

Karlstadt

Preisanstieg um 125 Prozent: 6 Gründe, warum Bauen so teuer geworden ist

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    Stefan Höflich zeigt einen Meter Konstruktionsvollholz - der Einkaufspreis  für dieses Holz ist seit Jahresbeginn um 125 Prozent gestiegen. Höflich: "Wir haben jetzt schon Grenzen erreicht, die waren für uns nicht vorstellbar.“
    Stefan Höflich zeigt einen Meter Konstruktionsvollholz - der Einkaufspreis  für dieses Holz ist seit Jahresbeginn um 125 Prozent gestiegen. Höflich: "Wir haben jetzt schon Grenzen erreicht, die waren für uns nicht vorstellbar.“ Foto: Jennifer Weidle

    "Die Leute kämpfen um jede Dachlatte", sagt Zimmermann Ralph Herchet aus Flörsbachtal und schüttelt fassungslos den Kopf. "Wenn mir das jemand vor vier Monaten erzählt hätte…" Er blickt auf eine Schutzhütte, Modell Vogelhaus. 23 dieser Hütten haben er und sein Team für den Naturpark Spessart gebaut – zum Glück bevor die Holzpreise in die Höhe wuchsen.

    Holz – ein Rohstoff, der bei uns wächst – wird durch den Export knapp. "Wir verkaufen das Stammholz direkt nach China. Noch nicht mal die Veredelung bleibt bei uns", sagt Herchet. Es werden aber auch die Bau-Güter knapp, die importiert werden: Dämmstoffe, Befestigungstechnik, Abflussrohr, und so weiter.

    Die Gründe für die knappen Rohstoffe und den Preisboom: Viele blöde Zufälle. Das meint Sebastian Dengel, einer der Geschäftsführer vom Bauzentrum Kuhn. "Uns fällt die globale Wirtschaft auf die Füße", sagt der 39-Jährige, der das Geschäft nun in dritter Generation führt.

    1. Viel Holz wird exportiert

    Das Holz wächst zwar in Deutschland, doch es wird exportiert; nach China und in die USA. In China liegt das Wirtschaftswachstum bei 18 Prozent, der Bedarf an Holz ist enorm. Die USA beziehen ihr Holz normalerweise aus Kanada – doch da wütet der Borkenkäfer. "Die kaufen unseren deutschen Markt gerade leer", so Dengel. Seine Firma habe noch Glück: Das Lager ist groß. "Doch wenn es so weiter geht, wird es sehr schwer werden. Unsere Mitarbeitenden sind jetzt schon den halben Tag damit beschäftigt, Material zu bekommen."

    "Dachlatten sind das neue Gold!"

    Stefan Höflich, Karlburger Holzbau

    Auch Stefan Höflich vom Karlburger Holzbau ist froh, dass er noch ein volles Lager hat. "Noch kriegt man alles, aber zu welchem Preis…", sagt er. Seine Holzhäuser werden mit Konstruktionsvollholz (KVH) gebaut, seit Jahresbeginn stieg der Einkaufspreis für KVH um 125 Prozent. Der Preis für einen Meter Dachlatte sei von 45 Cent auf 1,50 Euro gestiegen und steige weiter. "Dachlatten sind das neue Gold! Wir haben jetzt schon Grenzen erreicht, die waren für uns nicht vorstellbar."

    Auch der Holzhaus-Experte nennt als Grund für die "Super-Inflation" bei Holz die deutlich höhere Exportquote. "Amerika hat eine Unterdeckung des Holzes. Denen fehlen sechs Millionen Kubikmeter und wir werden innerhalb kürzester Zeit auf dieses Preisniveau gehoben."

    2. Die klimaneutrale Holzbauweise boomt

    Zu den hohen Preisen trage aber noch ein Fakt bei, sagt Höflich. Der weltweite Bauboom für Holzbauweisen. "Klimaziele können nur eingehalten werden, wenn ganze Wohnblocks, Häuser und komplette Infrastrukturen in Holz gebaut werden", so der Karlburger. In Deutschland gibt es gemäß Höfling jetzt schon eine Holzbauquote: 30 Prozent bis ins Jahr 2030.

    Während Höflich sich im Holzsektor Exportbegrenzungen wünscht – "durch die Verschiffung weltweit bricht hier ein ganzer Markt zusammen" – bezweifelt Dengel vom Bauzentrum Kuhn, dass der deutsche Staat in den globalen Handel eingreifen wird. Egal, um welchen Baustoff es sich handelt.

    3. Das Kaufverhalten hat sich durch Corona verändert

    Katharina Metzger, Präsidentin des Bundesverbands Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB) sieht die Situation als kurzfristiges Phänomen. In einem Interview Anfang Mai vergleicht sie das Geschehen am Baustoffmarkt mit dem Papierhorten der ersten Corona-Welle. "Ein anderes Bestell- und Kaufverhalten hat auf einmal zu langen Lieferzeiten geführt, ohne dass sich der Bedarf wirklich verändert hat", so Metzger.

    Dass Menschen nun Bauholz horten statt Klopapier, macht sich auch bei den Baustoffzentren Kuhn in Lengfurt und Zellingen bemerkbar; Zimmereien wollen plötzlich im Bauzentrum Holz kaufen. Dengel: "Das machen die normalerweise nicht. Das Hamstern geht schon los."

    4. Handwerkern fehlt Lobby in Berlin

    "Läge das Problem in der Autoindustrie, hätte man schon längst Förderprogramme aufgelegt, um die Situation zu mildern." So äußert sich Edgar Ehrenfels, Geschäftsführer der Dachdeckerei, Spenglerei und Zimmerei Ehrenfels in Karlstadt – doch dem Handwerk fehle die Lobby in Berlin.

    Gerade im Holzsektor falle das auf, so Ehrenfels. Rohstoff, also Bäume, gibt es genug. Er macht die holzverarbeitende Industrie verantwortlich: schamloses Preisedrücken beim Holzeinkauf sei hier an der Tagesordnung.

    Die Kurzarbeit im Corona-Jahr hätten viele Produzenten genutzt, um ihre Lagerbestände zu minimieren: Die Mitarbeiter haben in Kurzarbeit weniger produziert und stattdessen das, was am Lager war mit teils über 100 Prozent Aufschlag an die Händler und Handwerker weitergereicht. Die Folge: Material ist aktuell äußerst schwer zu bekommen und wenn, dann oft ohne Preisbindung und ohne Liefertermin. Ein Ende der Preissteigerungen sei nicht in Sicht.

    5. Die globalen Lieferketten sind fragil

    Auch im Trockenbau stockt es. Knauf, Hersteller von Gipskarton aus dem Landkreis Kitzingen, fasst die Marktsituation Anfang Mai zusammen und erklärt die Engpässe: Wegen der Pandemie drosselte die Industrie in vielen Bereichen ihre Produktion. Dann erholte sich die Wirtschaft weltweit überraschend schnell; die Nachfrage überstieg schnell das Angebot.

    Als die Produktion wieder anlief, hakte es an der nächsten Stelle: beim Transport. Die Container-Schiffe zwischen Asien und Europa reichten nicht aus, um alle Waren zu transportieren. Container stauten sich in Häfen, Schiffe auf dem Suez-Kanal. Nun, da die Blockade des Kanals behoben ist, stauen sich die Frachter vor den Ankunftshäfen. Die Probleme bei Knauf sind ein Beispiel. Es zeigt, wie abhängig wir vom globalen Markt sind und wie gestörte Lieferketten alle Bereiche beeinflussen.

    6. Schrauben, Nägel und anderes Zubehör werden nicht mehr in Europa produziert

    Zimmermann Herchet, der die Schutzhütten für den Naturpark baut, zeigt auf die Sitzgruppe aus Fichtenholz, die vor der Hütte steht. "Da geht es weiter: Ich bekomme keine Schrauben mehr. Ich war bei mehreren Händlern: Es gibt keine mehr!"

    Das bestätigt Alfons Stark, Chef des Schrauben- und Werkzeuggroßhandels S+W in Karlstadt. Er sagt, man bekomme nun die Quittung dafür, dass 90 Prozent der Produktionsstätten nach Fernost verlegt wurden. In seinem Lager fehlen etwa 50 Prozent der Produkte aus dem Bereich Befestigungstechnik. Das heißt konkret: Schrauben, Muttern, Nägel – bei gängigen Größen gehen die Bestände zuneige.

    Bei S+W ist die unterste Regalreihe normalerweise gut gefüllt. Doch auch in der Befestigungstechnik kommt der Nachschub schleppend. Alfons Stark, Chef von S+W: "Ich hatte heute eine Auftragsbestätigung in der Hand. Liefertermin ist der 21.12.2021"
    Bei S+W ist die unterste Regalreihe normalerweise gut gefüllt. Doch auch in der Befestigungstechnik kommt der Nachschub schleppend. Alfons Stark, Chef von S+W: "Ich hatte heute eine Auftragsbestätigung in der Hand. Liefertermin ist der 21.12.2021" Foto: Jennifer Weidle

    "Zum Glück halten uns die Lieferanten bisher die Treue", sagt Stark. Allerdings werden mittlerweile keine Liefertermine mehr genannt, oder sie liegen in ferner Zukunft.

    Noch funktioniere das Handwerk, so Stark, es stocke nur. Er hat die Probleme kommen sehen. Zu Beginn des Jahres hatte er seiner Kundschaft geraten, ihre Material-Bestände aufzufüllen – nur zur Vorsorge. Dass sich die Situation so entwickeln würde, wie sie jetzt ist, hat er da selbst noch nicht geglaubt.

    Holzbauquote in DeutschlandBauen in Holz ist in – und das seit Jahren; das zeigt die Holzbauquote. Laut einem Lagebericht vom Bund Deutscher Zimmermeister (BDZ) stieg die Holzbauquote 2019 bundesweit um 0,9 Prozent. 18,7 Prozent der neuen Ein- und Mehrfamilienhäuser wurden in diesem Jahr in Holzbauweise gebaut. Bei allen anderen Gebäuden – Bürogebäude, Schulen, Krankenhäuser – stieg die Quote um 1,7 Prozent und lag 2019 bei 19,5 Prozent.

    „Die Holzbauweise bietet enorme Möglichkeiten für den Klimaschutz. Sie ist eine wichtige Säule, um die deutschen und weltweiten Klimaschutzziele bis 2050 zu erreichen“, schreibt der BDZ in einer Presseinformation. Der BDZ fordert die Politik auf, vermehrt Nassholzlager einzurichten, um der angespannten Marktlage entgegenzuwirken. So könne man das Holz besser auf dem heimischen Markt verfügbar machen.Quelle: jen

    Diesen und noch viele weitere Texte zum Thema finden Sie gebündelt in unserem neuen Online-Dossier "Bauen und Wohnen in Main-Spessart".

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