Kein Unbefugter bekommt den 14-Jährigen zu Gesicht, der einen Gleichaltrigen getötet haben soll. Dafür sorgt das Landgericht Würzburg. Abgeschirmt wird er zum Prozessauftakt am Freitagmorgen über einen Hintereingang ins Gericht geführt, damit ihn niemand fotografieren kann.
Erst als die Presse aus dem Saal ist, wird der Angeklagte hereingeführt
Die Presse darf nur den leeren Platz auf der Anklagebank fotografieren, wo drei Verteidiger auf ihn warten. Erst als die Presse weg ist, wird er in den Raum hereingeführt. Nun soll das Gericht 17 Verhandlungstage lang bis in den August hinein prüfen, ob und warum der Jugendliche am 8. September 2023 seinen Mitschüler in Lohr zu dem Platz neben dem Schulzentrum bestellte, ihm die Pistole von hinten an den Kopf hielt und abdrückte.

Im Gerichtsgebäude in der Ottostraße stehen am Freitag zwei Dutzend Journalistinnen und Journalisten vor dem Prozesssaal. Sie warten stundenlang, dass sich etwas tut - oder dass ihnen zumindest jemand erklärt, was sich drin tut.

Schon nach gut einer Stunde öffnen sich die Türen wieder. Die Verteidiger haben um Vertagung gebeten - ohne erste Zeugen zu hören. Gerichtssprecherin Martina Pfister Luz, die im Prozess dabei ist, bestätigt: Die Polizei habe Auswertungen und Gutachten nachgereicht, die den Verteidigern noch unbekannt waren. Die wollen sie vor einer Fortsetzung erst prüfen.
Erklärungen der Verteidiger: Angeklagter will Schweigen brechen
Verteidiger Roj Khalaf bestätigt auf Anfrage überraschend: Der Angeklagte will sein bisheriges acht Monate währendes Schweigen zur Tat brechen. Die Verteidiger beabsichtigen, für ihren Mandanten eine Erklärung zu dem Fall abzugeben, erklärte Khalaf. "Dafür haben wir um etwas Geduld gebeten", sagte der Würzburger Anwalt.
Wenn möglich, wolle man den Prozess beschleunigen. "Die Verteidigung erkennt, welch unendliches Leid die Familie des Geschädigten erlitten hat", sagte Roj Kahlaf. Das wolle man nicht noch vermehren. "Wir müssen bei allem, was wir tun, immer im Blick behalten, was das für die Eltern bedeutet, die um ihren Sohn trauern."

Sein Mitverteidiger Alexander Stevens, den einige Medien als "Staranwalt" bezeichnen, hatte zuvor noch die Staatsanwaltschaft attackiert. Dass der Angeklagte sein Opfer aus "Mordlust" getötet habe, basiere "auf bloßen Gerüchten, dass der Angeklagte den Serienkiller Jeffrey Dahmer zum Vorbild gehabt haben soll". Dies hatte der Münchner Anwalt im Vorfeld auch namens seiner Kollegen Khalaf und Johannes Makepeace betont. Durch "einseitige Informationspolitik" sei es zu einer "beispiellosen Vorverurteilung in den Medien" gekommen.
Das sei "unerträglich", weil die Öffentlichkeit "mit völlig haltlosen Gerüchten, die als Fakten verkauft wurden, verblendet wurde", kritisierte der Anwalt. Im Prozess "wird sich eine deutlich andere Sach- und Rechtslage ergeben", versprach er - "ohne das Leid der Familie des Opfers zu schmälern".

Der Rechtsanwalt und Psychologe Norman Jacob vertritt die Eltern. Er appellierte vor Prozessbeginn an den Angeklagten, nicht länger zu schweigen: "Im Grunde geht es darum, dass von der Täterseite irgendein Signal kommt der Entschuldigung oder der Erklärung, wie es dazu kommen konnte."
Er ist nun als Nebenklage-Anwalt auch in der Rolle des Erklärers für die Hinterbliebenen. "Sinn und Zweck meiner Tätigkeit ist auch die Beratung darüber, dass Genugtuung mit einem Urteil allein nicht erreicht werden kann", betont er. "Die Trauer wird bleiben, die Lücke in der Familie wird bleiben."
Der Prozess wird am 13. Mai fortgesetzt.
Mitarbeit: Dorothee Pfaffel