Im Juli 2021 hatte das Stuttgarter Planungsbüro Brenner-Plan mit Untersuchungen für ein Radverkehrskonzept im Stadtgebiet begonnen. Zwei Jahre, zahlreiche Sitzungen, Bürgerbeteiligungen, Verkehrszählungen und Testphasen später ist es amtlich: Das Konzept wird buchstäblich auf die Straße gebracht.
Die Beschlüsse des Stadtrats am Donnerstag kennzeichnen den Auftakt für die Umsetzung von insgesamt 70 Maßnahmen, die eine durchgängige und sichere Infrastruktur für den Radverkehr möglich machen sollen. Sechs Maßnahmen des Pakets stehen dabei im Fokus und sollen zeitnah angegangen werden.

Einstimmig entschied sich das Gremium für die Umsetzung des Radverkehrskonzepts an sich sowie alle dazugehörigen Maßnahmen. Dabei wurden zwei ergänzende Anträge der Stadträte Uwe Mehling (CSU) und Armin Beck (Grüne) mit aufgenommen. Mehling forderte, auch eine Anbindung an den Stadtteil Heßlar im Konzept zu berücksichtigen, während Beck eine mindestens jährliche Berichterstattung zum Stand der Konzeptumsetzung in den kommunalen Ausschüssen beantragte.
Korbstraße wird Einbahnstraße, Zahnstraße hingegen nicht
Um einige Brennpunkte der Verkehrssicherheit im Stadtbild zeitnah angehen zu können, stimmte das Gremium zudem über fünf priorisierte Maßnahmen ab. Ohne Gegenstimme entschied sich der Stadtrat für Querungshilfen in der Bodelschwinghstraße.
Und wie sieht das weitere Vorgehen in den beiden Johann-Straßen aus? Das Gremium entschied, dass die Korbstraße zur Einbahnstraße wird, die Zahnstraße hingegen nicht. Hier sollen lediglich Piktogramme, also Fahrradsymbole auf der Straße, die Sicherheit für Radfahrerinnen und -fahrer erhöhen. Auch eine geänderte Vorfahrt und Fahrradstreifen an und auf der Nordbrücke sowie die beidseitig baulich getrennten Radwege samt Fahrrad- und Fußgängerampel in der Eußenheimer Straße wurden beschlossen. Letztere Maßnahme soll ohnehin im Rahmen des Kita-Neubaus umgesetzt werden.
Stadträte wünschen sich Lösung für die Altstadt schon vor Sanierungsmaßnahmen
Für Diskussionsbedarf sorgten die Einbahnstraßen in der Altstadt und deren Freigabe für Radfahrer in der Gegenrichtung. Im Gremium wurde entgegen des Vorschlags der Verwaltung der Wunsch laut, Radfahrer zumindest in der Alten Bahnhofstraße schon vor der geplanten Sanierung der entsprechenden Bereiche durch die Einbahnstraßen fahren zu lassen.
Der geschäftsführende Beamte Uli Heck gab jedoch Haftungsrisiken zu bedenken: "Wir können das so beschließen, aber wenn sich jemand aufgrund des schlechten Zustands der Straße verletzt, kann die Stadt haftbar gemacht werden." Der Rat entschied trotzdem – mit wenigen Gegenstimmen – die Einbahnstraßen freizugeben, ohne vorherige Baumaßnahmen abzuwarten.

Harald Schneider (SPD) setzte sich außerdem für Piktogrammketten auf der Alten Mainbrücke in beide Fahrtrichtungen ein, um auch hier zu verdeutlichen, dass Radfahrer die Fahrbahn mit nutzen können. Sein Antrag wurde als sechste priorisierte Maßnahme im Konzept ergänzt und mit einer Gegenstimme angenommen.
Fraktionsvertreter äußern viel Kritik an Maßnahmen und bisherigem Vorgehen
Trotz der Beschlüsse und einer positiven Grundstimmung wurden auch kritische Töne aus den Fraktionen laut. Uwe Mehling bedauerte im Namen der CSU-Fraktion, dass sich die priorisierten Maßnahmen nur in der Kernstadt abspielten. Er forderte, weitere Maßnahmen in Zukunft ausgewogener auf die Stadtteile zu verteilen.
Auch Armin Beck stellte fest, dass im Hinblick auf die einzelnen Ortsteile noch nachgelegt werden müsse. Er sieht hier gerade die Stadträte aus den jeweiligen Gebieten gefordert. Auch vermisse er insgesamt einen echten Effekt der Bürgerbeteiligung, so Beck. "Natürlich müssen wir die Ideen der Bürger auf Machbarkeit und Finanzierbarkeit überprüfen, aber wir sollten auch die Themen mehr in den Fokus rücken, die in der gesamten Diskussion dominiert haben."
Kaufmann: Radverkehrskonzept braucht schnelle Umsetzung für Kinder und Senioren
Für Benedikt Kaufmann von den Freien Wählern ist das Radverkehrskonzept "Meilenstein und gleichzeitig Auftrag". Auch er plädierte für eine Anbindung der Stadtteile und ermutigte zu mehr innovativem Denken. "Wir müssen vor allem auch mit leichten und kostengünstigen Maßnahmen für Kinder und Senioren schnell in die Umsetzung gehen." Harald Schneider sprach zwar für die Fraktion der SPD von einem "Ergebnis, das sich sehen lassen kann". Er hält die Auswahl der priorisierten Maßnahmen insgesamt aber für zu dürftig.

Schon vor den Abstimmungen des Gremiums wirkte Marcel Schlameus vom Planungsbüro erleichtert über die jüngsten Fortschritte. "Wir haben inzwischen 70 Maßnahmen erarbeitet, die sich sowohl über das Stadtgebiet als auch die Stadtteile erstrecken. Zeitlich nähern wir uns jetzt dem Ende." Schlameus erklärte in diesem Zuge auch, dass einzelne Maßnahmen zuletzt leicht verändert und die zuvor 68 Maßnahmen um zwei weitere ergänzt wurden. So soll auch die Situation am Kreisverkehr in der Karolingerstraße verbessert werden.
Planer Schlameus: "Nichts an diesem Konzept ist in Stein gemeißelt"
Bei diesen kleinen Adaptionen werde es auch in Zukunft nicht bleiben. Schlameus warnte davor, sich die Umsetzungsphase zu einfach vorzustellen. Er erklärte, dass nicht jede der 70 Maßnahmen exakt so umgesetzt werde, wie sie aktuell im Konzept steht. "Nichts von dem, was Sie hier sehen, ist in Stein gemeißelt. Maßnahmen und Ziele können im Nachhinein modifiziert werden", so Schlameus. Das bedeute nicht zwingend ein Scheitern von Konzeptteilen, sondern könne genauso gut für eine Verbesserung stehen.
So sei auch denkbar, dass noch neue Maßnahmen dazukommen. Auch Bürgermeister Michael Hombach (CSU) geht während der Umsetzungen von einem regelmäßigen Aktualisieren und Korrigieren aus. "Das Konzept ist dynamisch und für einen unbestimmten Zeitraum geplant."
In der ursprünglichen Version des Artikels wurde Stadtratsmitglied Uwe Mehling an einer Stelle falsch zitiert. Im Artikel stand, dass er sich in einer Wortmeldung für eine Beleuchtung des Radwegs zwischen Mühlbach und Karlburg ausgesprochen hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.