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Marktheidenfeld: Rainer Schmidt begeistert und berührt

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    Theologe, Kabarettist, Goldmedaillengewinner und Buchautor Rainer Schmidt überzeugte und berührte mit viel Daumengefühl.
    Theologe, Kabarettist, Goldmedaillengewinner und Buchautor Rainer Schmidt überzeugte und berührte mit viel Daumengefühl. Foto: Elfriede Streitenberger

    "Ich bin so froh, dass ich nicht so langweilig aussehe wie mein Publikum", offenbart Rainer Schmidt lächelnd. Er schockt und provoziert damit das Publikum im Pfarrheim St. Laurentius in Marktheidenfeld. Sprachwitzig und kabarettistisch spitz äußert sich der Theologe, Buchautor und mehrfacher Goldmedaillengewinner bei den Paralympics. Sein Motto: Lieber Arm ab als arm dran.

    Humor, Schlagfertigkeit und Lebensfreude machen ihn genauso außergewöhnlich wie die Tatsache, dass er ohne Hände, mit verkürzten Armen und einem verkürzten Oberschenkel geboren wurde. Nikolaus Ruppert vom Lionsclub St. Laurentius hatte bei der Begrüßung nicht zu viel versprochen, als er Rainer Schmidts Auftritt als außergewöhnlich ankündigte.

    Drei Stunden nahm der 54-Jährige das Publikum mit auf eine Reise durch die Höhen und Tiefen eines Lebens mit Hindernissen. Oft zum Schreien komisch, manchmal anrührend traurig und immer wieder mal zärtlich leise. "Was glauben sie, wie sanft mein Däumchen streicheln kann." Nicht jeder im Publikum konnte lachen, denn an Provokationen sparte Schmidt nicht.

    "Ich habe zwar keine Finger, aber im Kopf bin ich ziemlich fit"

    "Es sind die Bilder, die in unserem Kopf entstehen und die aus Neuem oder Fremden ein Problem machen", so der Autor und Kabarettist. Er griff ganz alltägliche Witze tiefgründig und berührend auf. "Ich habe zwar keine Finger, aber im Kopf bin ich ziemlich fit", schleudert er schon mal Menschen entgegen, die aus ihm einen hilflosen Behinderten machen wollen.

    Schmidt erzählt authentisch und ohne erhobenen Zeigefinger - denn den hat er ja gar nicht - vom Glück und Pech des außergewöhnlich Seins. Er denkt über die Skurrilität der deutschen Schule nach. Er musste noch in eine Sonderschule gehen, heute nennt sie die Gesellschaft Förderschule. "Besonders gefällt mir die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Sehen. Da gehen blinde Kinder hin. Da kannst du fördern bis die bluten, die fangen nicht an zu gucken. Nennen sie mir einen Sonderpädagogen, der das Förderziel erreicht: Dann werde ich katholisch und huldige ihm."

    Als Gast durfte Coralie, die Schmidt ihren außergewöhnlichen Vornamen für seine Geschichten lieh, sein bestes Stück berühren, seinen Daumen.
    Als Gast durfte Coralie, die Schmidt ihren außergewöhnlichen Vornamen für seine Geschichten lieh, sein bestes Stück berühren, seinen Daumen. Foto: Elfriede Streitenberger

    Der Unterschied zwischen inklusiven und nichtinklusiven Schulen ist für ihn: An inklusiven Schulen binden Lehrer ihre Schüler ein. Sie müssen Wege finden, damit jeder Schüler mitmachen kann, erklärte Schmidt und machte dies an seinem eigenen Werdegang deutlich. Als er Abitur machen wollte und an ein Gymnasium wechselte, fragte der Direktor ihn: "Was müssen wir tun, damit sie bei uns das Abitur machen können?" Er bekam beispielsweise für das Schreiben der Klausuren mehr Zeit.

    Schmidt nimmt das Publikum mit auf eine einzigartige Reise in das Land der Inklusion. "Mein Leben ist ein Kabarettprogramm", sagt Rainer Schmidt mit Verweis auf sein erfolgreiches, vielseitiges Dasein in der Mitte der Gesellschaft. Er spielt mit Zitaten wie: "Es ist normal, verschieden zu sein" von Richard von Weizsäcker. Oder: "Wenn ich keine Witze über Menschen mit Behinderung mache, dann diskriminiere ich sie", von Harald Schmidt.

    Jeder kann irgend etwas nicht 

    Dabei wechselt er immer wieder von der Bühne ins Publikum, um seinen Gästen einen Blick auf sein Anderssein zu ermöglichen. "Ich will sie an mich gewöhnen", sagt er und wählt dazu außergewöhnliche Mittel. Er erkundigt sich etwa nach außergewöhnlichen Vornamen, um den Personen in seinen Geschichten Namen zu geben, und findet mit Coralie und Bommel, wonach er unter den Zuhörern sucht. "Außergewöhnlich kann nicht nur eine Behinderung sein."

    Etwas nicht zu können, das trifft jeden, stellt Schmidt fest. Schnell wird klar wie viele Sachen die Menschen nicht können und trotzdem in der Gesellschaft ohne eine Behinderung leben. Sabine, Grundschullehrerin, nicht blond, kann nicht Klavier spielen und ist mit Schmidt einer Meinung: "Ich kann nicht Klavierspielen, ich bin behindert." Denkanstöße, die tief gehen und einen anderen Blick auf das Alltägliche werfen.

    Schmidt will Mut machen, mit Menschen mit Behinderung normal umzugehen. So scheut er sich nicht, Fragen zu beantworten, die tief gehen. Er erzählt von den Hilfsmitteln, die ihm beim Anziehen oder der Körperhygiene helfen, von seinen schönen blauen Augen und seinem besten Freund, seinem kleinen Daumen.

    Rainer Schmidt überzeugte und berührte mit viel Daumengefühl. Zusammen mit Finn zeigte er sein Talent beim Tischtennis.
    Rainer Schmidt überzeugte und berührte mit viel Daumengefühl. Zusammen mit Finn zeigte er sein Talent beim Tischtennis. Foto: Elfriede Streitenberger

    "Der redet den ganzen Abend über sich, als wäre seine Behinderung nichts außergewöhnliches", sagte ein Besucher. "Ich finde es toll wie er damit umgeht und anderen Menschen Mut und Hoffnung gibt, ihr Leben positiv anzugehen." Aber nicht nur als Kabarettist überzeugte Rainer Schmidt. Ein Höhepunkt des Auftritts war ein Show-Wettkampf als Tischtennisspieler gegen Talente des Tischtennisvereins Marktheidenfeld (TVM). Der Reinerlös der Veranstaltung kommt Inklusions- und Integrationsprojekten in Marktheidenfeld zu Gute.

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