Die provisorische Eingangstür ist aus einfachen Holzplatten gebaut. Vor einem Jahr stürmte die Polizei hier, in einem 400-Einwohner-Dorf im Landkreis Main-Spessart, das Wohnhaus von Bernd T. (Name von der Redaktion geändert). Er war Teil der militanten und gewaltbereiten Hammerskins, die oft unbemerkt von der Öffentlichkeit agierten. Zu den Vorwürfen äußerte sich T. auf mehrere Anfragen der Redaktion nicht.
Im September 2023 wurden die rechtsextreme Gruppierung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verboten, doch gerade Hammerskins aus Unterfranken waren gut vernetzt in der rechtsextremen Szene. Wurden die über Jahre gewachsenen Strukturen durch das Verbot zerstört? Oder bestehen Netzwerke weiter, jetzt aber unterhalb des Radars der Ermittlungsbehörden?
Organisiert in "Chapter": Hammerskins hatten ein großes Unterstützerumfeld
Laut Bundesinnenministerium nahmen die Hammerskins "in der rechtsextremistischen Szene in Europa eine herausragende Rolle ein". Ähnlich wie Rocker-Clubs war die Gruppierung in regionale "Chapter" unterteilt. Deutschlandweit hatten die Hammerskins etwa 130 Mitglieder.
Das "Chapter Franken" habe etwa 15 Mitglieder gehabt, davon mehrere aus Unterfranken, vor allem aus Main-Spessart, schreibt Jan Nowak von der mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Bayern. Die Stelle unter der Trägerschaft des Bayerischen Jugendrings berät unter anderem bei neonazistischen Vorfällen und informiert über rechtsextreme Strukturen im Freistaat.

Ein elitärer Mythos - potenzielle Mitglieder mussten sich einem Auswahlprozess unterwerfen - haben die Hammerskins laut Nowak für viele in der Szene attraktiv gemacht und für ein großes Umfeld auch außerhalb der Gruppe gesorgt. Immer wieder seien Mitglieder in schwere Gewaltdelikte verwickelt und machten Schießtrainings im Ausland, so der Rechtsextremismusexperte. "In Verbindung mit der neonazistischen Weltanschauung und konspirativen Organisation ist das äußerst gefährlich."
Fränkische Hammerskins sollen in der Rechtsrockszene aktiv gewesen sein
In der Region waren die Hammerskins schon vor 20 Jahren aktiv. Damals organisierten sie in Kürnach (Lkr. Würzburg) ein Konzert. Rund 600 Skinheads kamen. In den Folgejahren versuchte die Gruppierung unter Angabe falscher Anlässe an Veranstaltungsorte in Unterfranken zu kommen.
Bundesweit bedeutende Rechtsrockkonzerte sollen die Mitglieder des "Chapter Frankens" laut dem Bayerischen Verfassungsschutz in Thüringen organisiert haben. Rechtsrock und die Konzertorganisation hätten eine wesentliche Bedeutung für die Szene, schreibt der Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Uni Mainz. Intern würden die Konzerte der Vernetzung und als Einnahmequelle dienen, nach außen als Machtdemonstration wirken, erklärt der Rechtsrock-Experte.
Verbindungen der Hammerskins zur NPD und zum III. Weg
Neben Konzerten sollen in Unterfranken geheime Delegiertentreffen stattgefunden haben. Der Rechercheplattform Exif zufolge, die sich mit der rechten und neonazistischen Szene befasst, nahmen im Februar 2019 in Lohr (Lkr. Main-Spessart) rund 70 Hammerskins aus ganz Deutschland an einem Treffen teil. Vor allem in der Region Main-Spessart sollen private Grundstücke und eine Gaststätte für interne Zusammenkünfte genutzt worden sein, bestätigten Ermittler bereits in der Vergangenheit.

Bernd T. sei "seit mindestens 20 Jahren in der Neonaziszene aktiv", sagt Rechtextremismus-Experte Jan Nowak. In der Vergangenheit soll er Berührungspunkte mit der NPD und dem 2014 verbotenen "Freien Netz Süd" gehabt haben. Im vergangenen Jahr soll T. auf einem Rechtsrockkonzert in Thüringen gewesen sein und laut Informationen der Redaktion eine Veranstaltung der rechtsextremen Kleinstpartei "Der III. Weg" in Schweinfurt besucht haben. Auch zu diesen Vorwürfen äußerte er sich auf Anfrage nicht.
Beobachtung seit dem Verbot: "Noch vieles in Bewegung"
Grundsätzlich seien die Hammerskins "selten öffentlich in Erscheinung" getreten, heißt es von Seiten des bayerischen Verfassungsschutzes. Seit dem Verbot der Hammerskins beobachte er "nicht weniger, aber vor allem deutlich kleinere Konzerte, im Format von 'Liederabenden', die viel einfacher zu organisieren sind", sagt Rechtsrock-Experte Thorsten Hindrichs.
Bezüglich Ersatzstrukturen sei die Lage deutschlandweit "unübersichtlich und noch vieles in Bewegung", meint Hindrichs. Das erschwere die Beobachtung und die Beurteilung. Es bedeute aber auch, dass die Hammerskins selbst noch nicht genau wissen würden, wohin sie sich nach dem Verbot orientieren. Kontakte und eingespielte Formen der Zusammenarbeit und Geschäftsbeziehungen würden nicht über Nacht abbrechen, sagt Extremismusexperte Nowak. "Das wäre lebensfern."
Bayerischer Verfassungsschutz: Keine Belege für eine Fortführung der Strukturen
Der Verfassungsschutz hält Vereinsverbote für ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung von Extremismus. Dadurch könnten organisierte Strukturen geschwächt und Finanzmittel eingezogen werden. "Die jeweilige extremistische Szene wird dadurch regelmäßig gezwungen, auf andere Organisations- und Aktionsformen auszuweichen", heißt es auf Anfrage. Den Verfassungsschützern lägen derzeit keine Erkenntnisse vor, die eine Fortführung von Strukturen der Hammerskins in Bayern belegen.

Für Alexander Hoffmann, CSU-Bundestagsabgeordneter aus Retzstadt (Lkr. Main-Spessart), ist das Verbot ein "klares Zeichen, dass wir wachsam und wehrhaft sind". Die Maßnahmen würden die Rechtsextremisten um "Monate, wenn nicht Jahre" zurückwerfen.
CSU-Innenexperte Hoffmann: "Kein Grund, nicht gegen solche Gruppen aktiv zu werden"
"Die Tatsache, dass sich einige Mitglieder der Hammerskins eventuell neu zusammenrotten oder sich anderen Gruppierungen anschließen könnten, kann kein Grund sein, nicht gegen solche Gruppen aktiv zu werden", sagt der Innenexperte. Da Rechtsextreme häufig in Netzwerken aktiv seien, würden relevante Personen an anderen Stellen im Netzwerk wieder auftauchen und könnten so auch weiter beobachtet werden, meint Hoffmann.
Jan Nowak von der mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus hält es für entscheidend, wie konsequent das Verbot durchgesetzt wird. Er verweist auf das Netzwerk "Blood & Honour", das viele Gemeinsamkeiten mit den Hammerskins aufweise und im Jahr 2000 verboten war: "Es hat stets Nachfolgestrukturen gegeben, die ihre Aktivitäten häufig relativ unbehelligt fortsetzen konnten."