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Gemünden: Der Ronkarzgarten in Gemünden: Die Toskana am fränkischen Main

Gemünden

Der Ronkarzgarten in Gemünden: Die Toskana am fränkischen Main

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    Ein erhabener Anblick auf die Gartenanlage.
    Ein erhabener Anblick auf die Gartenanlage. Foto: Stadt Gemünden

    Wenn sich der Besucher an schönen Sonnentagen nach der Besichtigung der Scherenburg wieder auf den Weg nach unten macht, lädt der wunderschöne Ronkarzgarten oberhalb der Stadtapotheke zu einem kürzeren, manchmal durchaus auch längeren Aufenthalt ein. Nirgendswo in der Umgebung hat man einen schöneren und stilvolleren Ausblick auf die Stadt und die drei Flüsse. Fast fühlt man sich an den Rokokogarten in Veitshöchheim erinnert. Oder vielleicht sogar an Oberitalien?

    Üblicherweise ließen sich solche landschaftlichen Schatzkästchen Fürsten oder wenigstens reich gewordene Patriziern anlegen, um sich dort zu ergehen und ihren Wohlstand sowie ihre Macht zu präsentieren. Beim Ronkarzgarten aber ist das anders, viel bodenständiger, bürgerlicher. Erbauer waren nämlich der Königliche Landgerichtsarzt und Medizinalrat Dr. Heinrich Leonard Ronkarz (1782 – 1852) und seine Frau Agnes im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts.

    Unterhalb der Scherenburg ist der Ronkarzgarten gelegen.
    Unterhalb der Scherenburg ist der Ronkarzgarten gelegen. Foto: Stadt Gemünden

    Der Garten ist eingebettet in den steilen Hang eines ehemaligen Weinbergs und gliedert sich in eine Treppenanlage im unteren Teil sowie drei darüber liegenden Terrassen. Diese übereinander gestaffelten Terrassen werden durch eindrucksvolle Treppenanlagen miteinander verbunden, die insgesamt 40 Höhenmeter überwinden. Auf den planen Terrassen standen seinerzeit Lauben und Pergolen, in einer vorhandenen Wandnische standen wohl früher eine oder mehrere Figuren.

    Ronkarzgarten diente der Freude

    Mit Sicherheit diente der Garten in erster Linie der Freude und der Erbauung der Familie Ronkarz und war gewiss mit einer Vielzahl von Rabatten, Beeten, Laubengängen und Sitzgelegenheiten versehen. Während der Blütezeit der Pflanzen muss er wohl nicht nur baulich ein echter Augenschmaus gewesen sein. Auch wenn es dafür keine verlässlichen Belege gibt, diente das Anwesen gewiss auch als Treffpunkt mit Freunden, Kollegen und Bekannten aus der Stadt sowie dem Umkreis.

    Ein beliebtes Fotomotiv.
    Ein beliebtes Fotomotiv. Foto: Günter Roth

    Wann genau mit der Anlage des Gartens begonnen wurde, lässt sich anhand einer Platte aus rotem Buntsandstein erschließen, die auf dem Nachbargrundstück gefunden wurde, dieses war auch im Besitz der Familie Ronkarz. Der Stein zeigt ein Sonnenrad im Stil der Neorenaissance und trägt die Jahreszahl 1828. Weiterhin ist bekannt, dass der Medizinaltrat das Anwesen 1826 mit Haus und Grundstück einschließlich des dahinter liegenden Weinbergs kaufte und 1835 noch den äußeren Schlossgarten, den Burggarten, für 52 Gulden dazu erwarb.

    Wahrscheinlich hatte er sich während seiner Jugendjahre, womöglich auch später auf Italienreisen für die Landschaft und die Gärten Oberitaliens begeistert und beschlossen, seinen Traum, seine Liebe zum südländischen Barock im fränkischen Gemünden zum Leben zu erwecken. Durch Erweiterungen und Anbauten kam dann später das klassizistische Erscheinungsbild dazu. Die Familie Ronkarz bewohnte das Haus in der Obertorstraße noch bis 1950. Die darauf folgende Apothekerfamilie Binder legten dann die Terrassen wahrscheinlich als Heilkräutergarten an, daher der Name "Apothekergarten". 1988 ging das Ensemble in den Besitz der Stadt Gemünden über und wurde ein Jahr später unter Denkmalschutz gestellt.

    Wildromantisch, aber vom Verfall bedroht. Zur Jahrtausendwende wurde der Ronkarzgarten aufwändig saniert.
    Wildromantisch, aber vom Verfall bedroht. Zur Jahrtausendwende wurde der Ronkarzgarten aufwändig saniert. Foto: Baubüro Haase, Karlstadt

    Der Zahn der Zeit nagte immer deutlicher am Ronkarzgarten, die Treppenanlagen verfielen und die Anlage wurde zunehmend von wildem Bewuchs bedeckt. Als dann die Mauern einzustürzen drohten, griff die Stadt ein, der "Dornröschengarten" musste gerettet werden. In den Jahren 2001 bis 2007 wurde die Sanierung bei einem Aufwand von 661.000 Euro mithilfe öffentlicher Fördergelder (Denkmalschutzfonds der EU-Strukturförderung) durchgeführt. Schließlich ging das Vorhaben des damaligen Bürgermeisters Thomas Schiebel auf, den Ronkarzgarten als Kultur- und Erholungsgebiet dauerhaft zu sichern und beleben.

    Seitdem die Gemündener ihren Ronkarzgarten im Sommer 2006 wieder in Besitz genommen haben, hat sich dieser nicht nur als Ausflugsziel oder als beliebtes Fotomotiv für Hochzeiten und Familienfeiern entwickelt, vielmehr finden dort auch regelmäßig kulturelle Freiluftveranstaltungen (kleinere Konzerte, Autorenlesungen, Kulturpicknick, etc.)  statt, für die das Areal eine unvergleichliche Kulisse darstellt. Zusätzlich trifft sich jährlich dort auch das Premierenpublikum zum Auftakt der Freilicht-Sommerspiele auf der Scherenburg.

    Dr. Heinrich Leonard Ronkarz wurde eigentlich 1782 als Johann Heinrich Göriß in Selsten, Gemeinde  Braunsrath bei Aachen geboren.
    Dr. Heinrich Leonard Ronkarz wurde eigentlich 1782 als Johann Heinrich Göriß in Selsten, Gemeinde Braunsrath bei Aachen geboren. Foto: Archiv Stadt Gemünden

    Dr. Heinrich Leonard Ronkarz wurde eigentlich 1782 als Johann Heinrich Göriß in Selsten, Gemeinde Braunsrath bei Aachen geboren. Im Zuge der Napoleonischen Kriege führte ihn sein Weg nach Würzburg, wo er Medizin studierte. Seine ersten Sporen verdiente er sich im Auftrag der Napoleonischen Besatzung als Arzt im Würzburger Mainviertel. Das brachte ihm den Namen "Franzosendoktor" ein. Er behandelte Bürger und Soldaten in seiner Praxis und erkrankte selbst unheilbar an Nervenfieber (Typhus). Zwar überlebte er, aber seine Gesundheit war zeitlebens angeschlagen. 1818 wurde er zum Königlichen Landgerichtsarzt von Gemünden und Aura bestellt. Drei Jahre später heiratete er die Lohrer Bürgerstochter Agnes Kraus.

    Ein Pfarrer half ihm bei Namensänderung

    Doch vieles in dieser Biografie bleibt diffus. Womöglich musste der junge Göriß zwangsweise an den Kriegen mit Frankreich teilnehmen, schließlich führte einer der Kriegszüge 1796 auch über Würzburg nach Italien. Auf diese Weise wäre dann der junge Mann sowohl mit dem südlichen Land als auch mit Franken in Berührung gekommen. Weiterhin hätten ihn die Erlebnisse im Feld veranlasst haben können, dem Militärdienst durch eine Namensänderung entkommen zu wollen. Der Pfarrer seines Heimatortes Braunrath verfasste dazu eine Urkunde:

    Der Gemündener Ronkarzgarten mit Treppen und Terrassen.
    Der Gemündener Ronkarzgarten mit Treppen und Terrassen. Foto: Günter Roth

    Ein Hinweis aus einer Urkunde des Braunsrather Pfarrers Valentin Braun aus dem Jahre 1814 gibt dazu einen kleinen Einblick: "(...) ferner bestätige ich, dass er während der ganzen Dauer seines Aufenthaltes in Braunsrathen, das auch sein Geburtsort ist, die Vorschriften der katholischen Religion mit Eifer erfüllt hat und aus keinem anderen Grunde sich unter einem fremden Namen verborgen hat, als dem Militärdienst unter der Gewaltherrschaft der Franzosen zu entrinnen und dadurch zu verhindern, dass seine Familie dem sichern Untergang ausgesetzt würde. Er hat das ferner getan, um sich ungehindert gänzlich seinen Studien widmen zu können. Nachdem also von der Not, die bekanntlich kein Gebot kennt, unser Herr Doktor, der vorher Johann Heinrich Göriß hiess, gezwungen worden ist, sich Leonhard Ronkarz zu nennen, habe ich ihm bereitwilligst dieses Zeugnis ausgestellt, dasselbe mit eigener Hand unterschrieben und zur besseren Glaubwürdigkeit mit meinem Siegel versehen."

    Bei seinem Wirken in Gemünden galt Leonhard Ronkarz als durchsetzungsstark. Nach seiner Heirat mit Agnes Kraus 1821 und der florierenden Arztpraxis gelangte er zu einigem Wohlstand, seine Tätigkeit als Amtsarzt brachte aber außer dem hohen Ansehen weniger ein. Wie er aber finanziellen Mittel für sein Studium in Würzburg und später den Ankauf des Hauses in der Obertorstraße 23 sowie die Anlage seines schönen Gartens aufbringen konnte, lässt sich bis heute nicht klären. Vielleicht hatte seine Frau das Geld, aber ein Beweis ist nicht zu finden.

    Der Gedenkstein für Heinrich Ronkarz auf dem Gemündener Friedhof.
    Der Gedenkstein für Heinrich Ronkarz auf dem Gemündener Friedhof. Foto: Stadt Gemünden

    Als "geachteter Bürger, Arzt und Wohltäter" der Stadt Gemünden starb er am 4. September 1852 infolge eines Schlaganfalls im Alter von 70 Jahren. Er ist auf dem  Friedhof in Gemünden begraben, wo ihm die Stadt einen eindrucksvollen Gedenkstein setzte. Eine schillernde Persönlichkeit war gegangen. Einige Geheimnisse nahm er mit, seinen Garten ließ er zurück.

    Der Gemündener Ronkarzgarten aus der Vogelperspektive.
    Der Gemündener Ronkarzgarten aus der Vogelperspektive. Foto: Günter Roth

    1838 kam Heinrich Georg Franz zur Welt. Sein Vater sollte es nicht mehr erleben, wie der Sohn es in seinem kurzen Leben zum Bürgermeister und Landtagsabgeordneten brachte. Dessen Sohn, der Kaufmann wurde, reiste tatsächlich viel und gründete ein Reisebüro in Gemünden.

    Zum Autor: Günter Roth war lange Lehrer im Werntal und ist mit der Heimatgeschichte vertraut. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Geschichtsfreunde Stetten.

    Quellen: Jasna Blaic vom Tourismusbüro Gemünden und die Internetseiten der Stadt Gemünden.

    Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter https://www.mainpost.de/dossier/geschichte-der-region-main-spessart/

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