Wer kennt es nicht, das Wiegenlied „Schlafe, mein Prinzchen …“? Dass der Text aus dem Jahr 1796 und aus dem Schauspiel „Esther“ von Friedrich Wilhelm Gotter stammt, ist unstrittig. Aber welcher Komponist hat es als Erster vertont? Lange Zeit wurde das Wiegenlied Wolfgang Amadeus Mozart zugeschrieben. Genannt wurde auch der Berliner Arzt und Komponist Bernhard Flies.
In den „Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum“ (Salzburg) vom Juli 1988 veröffentlichten Elfriede Goretzki und D. Krickenberg das Ergebnis: Der in Marktheidenfeld geborene Komponist Friedrich Fleischmann habe als Erster das Wiegenlied vertont. Der erste Takt sei mit der Flies?schen Version identisch, der weitere Verlauf weise Ähnlichkeiten auf, sodass man Fleischmann als den Schöpfer der Urfassung ansehen dürfe. Goretzki war eine späte Verwandte Fleischmanns.
Vor 250 Jahren, am 19. Juli 1766, wurde Friedrich Fleischmann in Marktheidenfeld geboren. Nach ihm ist die hiesige Grundschule benannt. Joseph Friedrich Anton Fleischmann war das zehnte Kind des Schulmeisters Johann Friedrich Michael Fleischmann und dessen Frau Eva Maria. Johann Friedrich Michael Fleischmann betätigte sich selbst als Komponist und förderte die musikalische Begabung seines Sohnes.
Dieser trat mit acht Jahren als Pianist auf und begann früh zu komponieren. Zu den ersten Lehrern gehörten außer dem Vater die Komponisten und Musiker Franz Xaver Bitthäuser und Peter Dornbusch vom Augustinerchorherrenstift Triefenstein und Peregrin Pögl von der Benediktinerabtei Neustadt.
Mit elf Jahren wechselte Friedrich Fleischmann an das Gymnasium in Mannheim. Dort wurde er von den Komponisten Ignaz Holzbauer und Abbé Vogler (Georg Jospeh Vogler) unterrichtet. Ab 1782 studierte Fleischmann an der Universität Würzburg und wurde dort 1783 zum Dr. phil. promoviert. Er studierte dann weiter Jura. 1786/87 stand er als Privatsekretär und Erzieher in Diensten des fürstlich Thurn- und Taxis‘schen Regierungspräsidenten von Welden in Regensburg.
„Eminente Fruchtbarkeit“
1787/88 wohnte er in Hopferstadt bei Ochsenfurt, wo sein Bruder Bonifatius (Thurecht) Fleischmann als Pfarrer wirkte und wohin auch seine Eltern 1786 gezogen waren. Ab 1789 war Fleischmann als „Cabinets-Secretaire“ Beamter des Herzogs Georg I. von Sachsen-Meiningen. Er konvertierte zum Protestantismus, der Konfession des Herzogs, und änderte auf dessen Wunsch seinen Vornamen Joseph in Johann. Neben seiner Tätigkeit als Kabinettssekretär war Fleischmann Mitglied der Hofkapelle, ab 1790 deren Leiter. Nach dem Musikalischen Conversations-Lexikon von 1873 habe er „eine eminente Fruchtbarkeit als Componist“ entwickelt.
1792 heiratete Fleischmann Johanna Christiane Louise von Schultes. Aus der Ehe gingen drei Töchter und ein Sohn hervor. Wie seinem Zeitgenossen Mozart, der nur 35 Jahre alt wurde, sollte auch Fleischmann kein langes Leben beschieden sein. Gerade mal 32 Jahre alt, starb er am 30. November 1798 in Meiningen. Seine Arbeit bewertet Fleischmann selbst am 29. Juni 1796 in einem Brief an seinen Verleger: „Was ich bis an mein 24tes Lebensjahr niedergeschrieben habe, wurde alles als unbrauchbar von mir cassirt.
Nun erst fingen meine Produkte an grammaticalisch richtig zu seyn, und nun erst fasste ich den Muth, mit ihnen vor dem Publikum zu erscheinen. Von dieser Periode an habe ich mehrere Orchester Symphonien, Conzerte, Sonaten und Parthien für Blasinstrumente gesetzt, die nur zunächst dem hiesigen Publikum bekannt sind, auch einige Opern von Mozart für Blasinstrumente achtstimmig arrangirt.“
Zu den Werken Fleischmanns gehört das 1796 geschriebene Singspiel „Die Geisterinsel“. Er vertonte damit ein Libretto F. W. Gotters, das auf William Shakespeares „Der Sturm“ basiert. Erst nach Fleischmanns Tod erschien 1799 seine Abhandlung „Wie muss ein Tonstück beschaffen seyn, um gut genannt zu werden? – Was ist erforderlich zu einem vollkommenen Componisten?“ in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung. Dort ist auch ein Nachruf von Thurecht Fleischmann auf den Bruder mit dem Titel „Biographie. Einige nähere Umstände aus dem Leben des am 30ten November 1798 verstorbenen Kabinetts-Secretairs Friedrich Fleischmann, in Meiningen“ zu finden.