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Karlstadt: Schwedentrunk: Die grausamste Folter im 30-jährigen Krieg

Karlstadt

Schwedentrunk: Die grausamste Folter im 30-jährigen Krieg

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    Der "Schwedentrunk" war eine fürchterliche Marter. Anlässlich der 1225-Jahrfeier im Jahr 2013 führten Stettener das Historienspiel auf.
    Der "Schwedentrunk" war eine fürchterliche Marter. Anlässlich der 1225-Jahrfeier im Jahr 2013 führten Stettener das Historienspiel auf. Foto: Günter Roth

    "Bet' Kind, bet' – morgen kommt der Schwed'" Ein Kinderlied aus dem 17. Jahrhundert, ein Alptraum für die Menschen in Franken um 1630. Bislang hatte der seit Jahren in Deutschland wütende 30-jährige Krieg (1618 bis 1648) die Gebiete des Würzburger Hochstifts weitgehend verschont, doch mit dem Sieg des schwedischen Königs Gustav Adolf über die Tillys Truppen im Herbst 1631 bei Breitenfeld wurde die Bedrohung ernsthafte Realität und nach der Einnahme Würzburgs im Oktober ließ der frisch gewählte Fürstbischof Franz von Hatzfeld seine Untertanen im Stich und floh mit einer reich gefüllten Kasse. Die Städte und Gemeinden des heutigen Landkreises Main-Spessart waren daher schutzlos. Für Karlstadt zeigten sich die Folgen umgehend. Der damalige Stadtschreiber Johannes Satz berichtet in der "Satz'schen Chronik" ausführlich über die Ereignisse.

    Schon drei Tage nach der Flucht des Landesherrn standen die ersten schwedischen Truppen vor dem Unteren Tor von Karlstadt und begehrten Einlass. Gegen einen Akkord (Lösegeld) von 1500 Reichstalern kampierten die 300 Soldaten vor dem Tor. Doch im Lauf der nächsten Tage kamen weitere Kontingente: 1200 Taler, dann 1600 Taler waren zu bezahlen und zum Schluss forderte eine Schar von sechs Regimentern noch einmal 3000 Taler. Damit aber waren die Mittel der Stadt erschöpft. Obwohl eine Sammlung unter den Bürgern 1000 Reichstaler einbrachte, war die endgültige Einquartierung nicht mehr abzuwenden.

    Soldateska plünderte alle Häuser

    Diese Situation muss für die vermutlich 2000 Karlstadter schwer erträglich gewesen sein. Der Chronist Satz berichtet, dass manchmal bis zu 30 Landsknechte in einem Haus unterzubringen waren. Und diese hatten keinerlei Skrupel, sich zusätzlich an ihren Gastgebern zu bereichern. "Die Soldateska plünderte innerhalb von zweieinhalb Tagen alle Häuser vom Keller bis zum Dach, brach Truhen und Schränke auf und half mit Prügeln und Folter nach, um Geld und Schmuck zu erpressen", so schreibt Werner Zapotetzky in seiner Chronik "Karlstadt - Geschichte einer Stadt in Franken". Bei ihrem Abzug nach Würzburg nahm die Horde schließlich noch den Wein aus dem Pfarrhof und dem Pfarrhaus und hinterließ "eine Stadt, in der sogar die Schulhäuser geplündert waren" (Zapotetzky).

    Doch dann ging das Unheil für Karlstadt eigentlich erst richtig los. Der General Wolf Heinrich von Bandis besetzte in Gustav Adolfs Auftrag die Stadt, um hier den Main unter Kontrolle zu behalten. 200 Reiter und 100 Musketiere mussten dauerhaft untergebracht werden. Der Rest der Armee lagerte im Bachgrund und in Stetten, wo sie ebenfalls ausgiebig plünderte. Nun hatten die Karlstadter Bürger Schanzarbeiten für die Schweden zu leisten und für die Nahrungsmittel der Truppen in der Umgebung zu sorgen. So waren beispielsweise in kürzester Zeit weit mehr als 10 000 Pfund Brot zu backen. Das Getreide dazu wurde kurzerhand konfisziert und musste später von den Bürgern zurückgekauft werden.

    Gustav II. Adolf von Schweden auf einem Ölbild von Matthäus Merian der Ältere
    Gustav II. Adolf von Schweden auf einem Ölbild von Matthäus Merian der Ältere Foto: Repro Anderlohr

    Besonders nachdrücklich schröpfte Oberst Wolf von Wildenstein die Stadt in den nächsten Monaten. Schließlich war er von Gustav Adolf als Kommandant und Amtmann eingesetzt worden. Er forderte von der Stadt und den umliegenden Ämtern die Steuern und Abgaben, die sonst an den Fürstbischof zu leisten waren.

    König Gustav Adolf in Karlstadt

    Doch dazu reichten die Mittel bei weitem nicht mehr aus. Auch der Schutzbrief des Königs und ein persönlicher Besuch von Gustav Adolf in Karlstadt am 18. Oktober brachten keine Erleichterung, vielmehr gelang es Wildenstein immer wieder, neue Gelder zu erpressen und schreckte auch vor Geiselnahmen nicht zurück. Er ließ sogar die Stadtpfarrkirche aufbrechen und ausrauben.

    Letztendlich musste eine Delegation des Rates im protestantischen Schweinfurt einen Kredit aufnehmen. Und auch als der Kommandant im Februar 1632 in kaiserliche Gefangenschaft geriet, wurde die Situation durch seine Nachfolger kaum besser.

    Ein vom schwedischen Kanzler Faber beauftragter Schadensbericht für Plünderungen, Kontributionen und Zerstörungen erbrachte allein für die Stadt Karlstadt eine Summe von fast 100 000 Taler. Ein Reichstaler wog damals rund 30 Gramm Silber, also gut eine Unze. Nach dem Tod von Gustav Adolf im November 1632 und einem kurzen Zwischenspiel, das den Herzog Bernhard von Weimar von Juni 1633 bis Oktober 1634 zum Herrn über das Hochstift Würzburg machte, dauerte die schwedische Besatzung in Karlstadt noch bis zum 14. Oktober 1634, also auf den Tag genau drei Jahre.

    Marodierende Soldaten erstachen 1646 am Stationsweg einen Bürger. Das Kreuz im Stadtmuseum erinnert an die Bluttat.
    Marodierende Soldaten erstachen 1646 am Stationsweg einen Bürger. Das Kreuz im Stadtmuseum erinnert an die Bluttat. Foto: Günter Roth

    Bei allen finanziellen und wirtschaftlichen Verlusten war die Stadt aber doch relativ glimpflich durch diese schwere Zeit gekommen. Es waren nur vier Kriegstote zu beklagen. Werner Zapotetzky berichtet von einem erstochenen Ortsnachbar Wolf aus Thüngersheim, der Karlstadter Hertlein erlag einem Säbelhieb und marodierende Soldaten erstachen noch 1646 am Stationsweg einen Bürger und einen Häcker.

    Soldaten brachten die Pest mit

    Nicht so gut kamen die umliegenden Gemeinden bei weg. Allein in Stetten kamen bei der ersten Plünderung im Oktober 1631 insgesamt 17 Personen ums Leben und in den Jahren 1634 und 1635 starben fast 100 Menschen an der durch die Soldateska eingeschleppten Pest.

    Der inzwischen verstorbene Edmund Höfling vor der Gedenktafel in seinem Anwesen am Torbogen.
    Der inzwischen verstorbene Edmund Höfling vor der Gedenktafel in seinem Anwesen am Torbogen. Foto: Günter Roth

    Dass auch nach der "heißen Phase" der schwedischen Besetzung an ein normales Leben nicht zu denken war, erzählt das Matrikelbuch aus Stetten vom Wüten marodierender Truppen. Dort wurde ein Claus Gerich im Juli 1640 "auf absonderliche Weise gequält", so berichtet Edgar Burkard in seiner Stettener Chronik. Eine Gedenktafel am ehemaligen Dorfschulzen-Haus sagt: "Am 17. July gab Klaus Gerich in Steitte nach schröcklichen Myshandlungen seinen Geist uff. Die Soldaten hatten ihn den schwedisch Trunk eingeschenkt". Dieser "Schwedische Trunk" bestand aus einem Gemisch von Kalkmilch und Jauche. Dadurch wollte man auch die Preisgabe von Verstecken erpressen.

    In Karlstadt erzählt die Chronik, dass sich die Bürgerschaft beharrlich vor umherstreifenden Banden versprengter Soldaten ängstigte. Die Menschen trauten sich kaum vor die Tore der Stadt, keiner wollte Botendienste nach außen ausführen und Feldhüter wahren nur schwer noch zu finden. Viele der 384 abgabepflichtigen Häusern waren unbewohnt; noch 1670 wurden 177 Leerstände gezählt. Die Veramung der Bürgerschaft zeigte sich auch in der Nutzung des Gemeindewalds. Das Gebiet gegen Eußenheim, dem Baierleinsgrund, dem Rehnitzosthang und dem nordöstlichen Saupurzel wurde stark gerodet. Die heute dort noch vorhandenen Trockenrasengebiete haben hier ihren Urgrund.

    Täglich mehrmals ertönt das Landsknechtlied

    Ein Wahrzeichen der Stadt Karlstadt und eine bleibende Erinnerung an den 30-Jährigen Krieg ist das "Schwedenmännle", das täglich mehrmals über der Rathausuhr das Landsknechtslied "Vom Barette schwankt die Feder" bläst. Die geschnitzte Holzfigur soll einen schwedischen Trompeter der Besatzungstruppe darstellen. Je nach Version der Überlieferung wurde der Soldat beim überstürzten Abzug aus der Stadt schlichtweg vergessen oder aber er hatte sich in ein Karlstadter Mädchen verliebt und wollte sie nicht verlassen – eine wesentlich charmantere Variante.

    Hoch über dem Karlstadter Marktplatz steht das "Schwedenmännle" und erinnert mit seinem Landsknechtslied an die Besatzung durch die Schweden.
    Hoch über dem Karlstadter Marktplatz steht das "Schwedenmännle" und erinnert mit seinem Landsknechtslied an die Besatzung durch die Schweden. Foto: Günter Roth

    Sicher ist nur, dass 1718 nicht nur ein neues Uhrwerk in die Spitze des Treppengiebels eingesetzt wurde, vielmehr erhielt auch der Karlstadter Bildhauer Kilian Schüssler den Auftrag "ein Männlein uff dem Rathaus" zu machen, wofür er drei Gulden, drei Pfund und drei Pfennige erhalten sollte. Nach heutiger Kaufkraft etwa 150 Euro. Das Holz "so das Männlein daraus gehauen" kostete zwei Pfund 24 Pfennige, etwa 15 Euro.

    Verwunderlich aber ist auch das Aussehen dieses Männleins, denn es sieht einem Landsknecht kein bisschen ähnlich, eher einem erzgebirgischen Bergmannsknappen der damaligen Zeit. Seit 1958 erklingt das Lied vom Band fünf Mal täglich über den Karlstadter Marktplatz.

    Literatur: Zapotetzky, Werner: "Karstadt - Geschichte einer Stadt in Franken";  Satz,  Johannes: "Was noch geschieht, bleibt abzuwarten": Büttner, Georg: Homepage Karlstadt.

    Zum Autor: Günter Roth war langjähriger Lehrer im Werntal und ist mit der Heimatgeschichte vertraut. Er ist zudem stellvertretender Vorsitzender der Geschichtsfreunde Stetten.

    Lesetipp: Den Einstieg in die Serie verpasst? Die bisher erschienenen Serienteile finden Sie unter www.mainpost.de/geschichte_mspL

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