Im Februar 1784 reichte das Hochwasser des Mains bis zu Oberkante des Karlstadter Maintors. Noch ein Stück höher war das Magdalenenhochwasser, das Jahrtausendhochwasser, vom Juli 1342. Damals stand das Tor noch nicht. Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal und der Häufung ungewöhnlich heftiger Überschwemmungen andernorts fragen manche: Könnte es auch am Main irgendwann wieder zu einem solch extremen Hochwasser kommen? Fachleute schließen das nicht gänzlich aus, beziehungsweise halten sich mit Prognosen zurück.

In der Stadtverwaltung Karlstadt heißt es dazu: "Hierzu können wir keine Aussage treffen." Und auch der am Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg für den Landkreis Main-Spessart zuständige Christoph Kormann drückt sich eher allgemein aus: "Hochwasserereignisse sind in der Vergangenheit vorgekommen, es wird sie auch in Zukunft geben. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass die Häufigkeit von Hochwasserereignissen im Rahmen des Klimawandels weiter zunimmt."
Können die Staustufen bei einem Hochwasser des Mains regulierend wirken? Das wird vielfach angenommen. Aber Johannes Lohenstein von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Schweinfurt verneint: "Die Staustufen sind hochwasserneutral gebaut." Bei Hochwasser werden bekanntlich die Trommeln an den Wehren geöffnet, sodass das Wasser abfließen kann. Das Hochwasser wird also nicht aufgestaut.

Von einer Staustufe zur nächsten sind es am Main durchschnittlich zwölf Kilometer. In einer solchen Stauhaltung kann nur eine geringe Wassermenge zurückgehalten werden. Lohenstein: "Das ist überhaupt nicht vergleichbar mit einem Stausee."
In den Prognosen von Überschwemmungsgebieten wird üblicherweise von einem Hochwasser ausgegangen, wie es alle 100 Jahre einmal vorkommen kann. Die Fachleute verwenden den Begriff HQ100. Bei einem solchen Ereignis würde das Wasser beispielsweise in Karlstadt bis zum Marktplatz reichen.
Aber es gibt doch die Stadtmauer, an der seit 1996 sogar kurzfristig Sperren eingebaut werden können, werden manche einwenden. Das Wasserwirtschaftsamt warnt jedoch: "Die Schottdielen sind als Provisorien anzusehen, die lediglich einen Schutz gegen häufigere niedrige Ereignisse bieten. Eine entsprechende Untergrundabdichtung fehlt nach unserer Kenntnis. Der Lastfall ,Einseitiger Wasserdruck‘ ist unserer Kenntnis nach nicht berechnet. Falls die Stadtmauer komplett dicht wäre, könnte der Wasserdruck im schlechtesten Fall zu einem Bauwerksversagen führen." Volkstümlicher ausgedrückt: Die Mauer könnte einstürzen.
Kormann führt aus: "Grundsätzlich dienten historische Stadtmauern dazu, Feinde abzuwehren. Sie wurden nicht als Hochwasserschutz gebaut. Unserer Kenntnis nach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die historische Mauer in Karlstadt dem HQ 100 standhalten würde."

Und weiter: "Nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren gehen wir gerade im Falle eines selteneren Ereignisses davon aus, dass über eventuell vorhandene Auslässe, zum Beispiel Regenauslässe, Hochwasser in die Altstadt eindringen kann. Eine ausreichend leistungsfähige Binnenentwässerung als elementarer Bestandteil eines regelgerechten Hochwasserschutzes ist nach unserer Einschätzung nicht vorhanden."
2010 waren im Stadtrat Deiche in Karlstadt und den Stadtteilen am Main im Gespräch. Ist das noch ein Thema? Die Stadtverwaltung stellt fest, beim Main sei der Freistaat Bayern für den Hochwasserschutz zuständig. Aber: "Die Kommune muss sich allerdings zu 50 Prozent an den Kosten beteiligen. Auch bereits die Planungskosten des Hochwasserschutzes belasten eine Kommune finanziell. Es stehen hier also enorme Kosten im Raum."

Vor 14 Jahren war von gut zwölf Millionen Euro alleine für Karlstadt die Rede – für insgesamt knapp vier Kilometer Deich und knapp einen Kilometer Mauer. Hinzu kämen Karlburg mit einem knapp vier Meter hohen Deich, Mühlbach und Laudenbach. Derzeit werden diese Überlegungen nicht weiterverfolgt.
Bekanntlich ist die Gefahr von Hochwasser teilweise menschengemacht – aufgrund der schnellen Ableitung von Niederschlägen in die Flüsse und der Flussbegradigungen. Inzwischen gibt es punktuell Renaturierungen von Flussläufen. Kormann sagt, dabei werde dem Gewässer Raum zur Entwicklung gegeben, was die Hochwassergefährdung flussabwärts senkt. So habe es auch Gespräche zwischen der Bauverwaltung der Stadt Karlstadt und dem Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg zu Renaturierungsmaßnahmen an kleineren Gewässern im Gemeindegebiet von Karlstadt gegeben, zum Beispiel am Leitengraben in Gambach oder am Laudenbach.