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ASCHFELD: Stahl biegen bei einem Höllenlärm

ASCHFELD

Stahl biegen bei einem Höllenlärm

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    Millimeterarbeit: Mit der gewaltigen Kraft von 160 bar drückt Günther Peer mit seiner Biegemaschine das 7,5 Tonnen schwere und 1000 Millimeter dicke Gasrohr jeweils ein halbes Grad nach oben. In der Rohrmitte sorgt ein Mandrell (Spindelkern) dafür, dass das Rohr keinen ungewollten Knick erhält.
    Millimeterarbeit: Mit der gewaltigen Kraft von 160 bar drückt Günther Peer mit seiner Biegemaschine das 7,5 Tonnen schwere und 1000 Millimeter dicke Gasrohr jeweils ein halbes Grad nach oben. In der Rohrmitte sorgt ein Mandrell (Spindelkern) dafür, dass das Rohr keinen ungewollten Knick erhält.

    Auf der 67 Kilometer langen neuen Erdgastrasse zwischen Rimpar und dem hessischen Schlüchtern werden zurzeit rund 4000 Stahlrohre verlegt. Trotz ausgeklügelten Trassenverlaufs und sanfter Geländeführung müssen die 18 Meter langen starren Rohre auch die eine oder andere Krümmung mitmachen. Dazu gibt es entlang der Strecke „Biegestationen“ für die 1000 Millimeter dicken Leitungen. Eine davon ist auf der Anhöhe hinter Aschfeld.

    „Sieben Grad bei 2,50 Meter, vertikal nach oben“ muss das neue Rohr gebogen sein. Der „Biegemeister“ Günther Peer hakt den Auftrag in seinem Plan ab, während seine beiden Helfer das überdimensionale Werkstück mit einem Kran in die Maschine bugsieren. Wie in einem riesigen Maul verschwindet der Stahl in dem knapp sechs Meter langen Gerät, das wie eine kleine Steinbruchlokomotive aussieht. Als nächstes führen sie ein Mandrell, auch Spanndorn genannt ein.

    „Wenn Sie schon einmal versucht haben, ein Kupferrohr zu biegen, kennen Sie das Problem. Beim kleinsten Fehler knickt es an der Biegestelle ab, dadurch ist das Material nicht mehr zuverlässig. Es entstehen Brüche und der Soll-Durchmesser ist nicht mehr gewährleistet“, erklärt der gelernte Maschinenbauer Peer. Selbst bei einem Trinkhalm ist das schon jedem mal passiert, ganz genau so bei den ganz großen Geschwistern, den Gasrohren. Deshalb wird genau an der Biegestelle das Mandrell, ein zylinderförmiger Körper eingeführt. Durch pneumatischen Druck passte er sich dem Innendurchmesser des Rohrs bis auf wenige Millimeter an und verhindert beim Biegen übermäßige Materialbelastungen.

    Mitten in der Maschine sind der Biegepunkt und das Rohr gut zu sehen. Hier greift Peer zur einfachen Handarbeit: Bei jedem der folgenden Biegeschritte kann das Rohr um ein halbes Grad gebogen werden, das jetzt geforderte Sieben-Grad-Stück muss also 14 Mal bearbeitet werden. Dazu sind Schritte von jeweils 35 Zentimetern nötig. Und genau diese zeichnet der Facharbeiter einfach mit Zollstock und Kreide auf dem Rohr ein. Dann erfolgt der Vorschub, bis die erste Markierung genau mit dem Biegepunkt übereinstimmt.

    Gehörschutz ist vorteilhaft

    Nun ist ein Gehörschutz von großem Vorteil. Mit einem Höllenlärm springt die Maschine an, zwei Hydraulikarme drücken mit einem Druck von rund 160 bar das Rohr ganz langsam nach oben – etwa zwei Minuten lang. Nach dem Absenken rückt das Ganze 35 Zentimeter bis zum nächsten Zeichen weiter. Eine Krümmung ist für den Laien auf den ersten Blick noch nicht zu erkennen. Doch das ändert sich beim zehnten, elften Schritt und nach 14 Pressungen sieht man die sieben Grad deutlich.

    Bis zu 15 Grad können hier vor Ort gebogen werden, erläutert der Fachmann. Dazu sind 30 Arbeitsschritte nötig, und die Biegung erstreckt sich dann auf gut zehn Meter. Stärkere Kurven müssen schon werkseitig angefertigt werden. Diese Arbeiten verlangen selbstverständlich eine perfekte Koordination von Planung, Vermessung und Ausführung. Geometer berechnen schon im Vorfeld, wo eine Rohrbiegung nötig sein wird, in welchem Ausmaß und in welcher Richtung sie zu erfolgen hat. Selbst oben und unten oder rechts und links sind nicht etwa austauschbar, so Peer, denn die innen spiralförmig gewalzten Rohre lassen sich nicht beliebig zusammenschweißen. Auch diese Stellen müssen vor Ort passgenau sitzen.

    Mittlerweile wurde das Rohr aus der Maschine gehoben, und diesmal erfolgt die Qualitätskontrolle mit Ganzkörpereinsatz. Der junge, schlanke Assistent Jürgen Breit führt einen leichten Stahlkörper mit dem Rohrdurchmesser ein und schiebt ihn die gesamten 18 Meter unter ohrenbetäubendem Quietschen durchs Rohr. Nur wenn er nirgends aneckt, gibt es keinen Knick und eine Verengung. Die Arbeit ist gelungen und wird auf einen Tieflader gehievt, um zur Verlegestelle gebracht zu werden.

    Zwölf bis 18 Rohre schafft die kleine Arbeitsgruppe um Günther Peer täglich, aber diesmal gibt es einen Knall und ein Zischen: Eine Druckleitung zur Hydraulik ist gebrochen. Die Maschine steht vorläufig still, bis Hilfe kommt.

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