Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Karlstadt
Icon Pfeil nach unten

Duttenbrunn: Archäologische Ausgrabungen bei Duttenbrunn: Was ist das für ein großes Steingebäude aus der Karolingerzeit?

Duttenbrunn

Archäologische Ausgrabungen bei Duttenbrunn: Was ist das für ein großes Steingebäude aus der Karolingerzeit?

    • |
    • |
    Ein weiterer Durchbruch bei den archäologischen Ausgrabungen in Duttenbrunn (Lkr. Main-Spessart): Nach den Skelettfunden kam nun das Mauerwerk eines einzigartigen Gebäudes zum Vorschein.
    Ein weiterer Durchbruch bei den archäologischen Ausgrabungen in Duttenbrunn (Lkr. Main-Spessart): Nach den Skelettfunden kam nun das Mauerwerk eines einzigartigen Gebäudes zum Vorschein. Foto: Sabrina Bachmann, ASP

    Zentimeterdick klebt der Matsch an den Schuhen, wenn sich die Archäologen und Ehrenamtlichen von ihrem kleinen Unterschlupf auf den Weg zur Grabungsstelle machen. Der Regen hat die Felder am Ortsrand von Duttenbrunn (Lkr. Main-Spessart) aufgeweicht. Die mühsam aus der Erde gekratzten Funde drohen schnell wieder in Pfützen zu verschwinden. Alles, woran gerade nicht gearbeitet wird, ist mit Planen bedeckt, kleine Pavillons bieten Schutz beim Graben. Kurz nach der Sommerpause will das Team jetzt keinen Tag wegen des Wetters verlieren. Denn seit Anfang Mai die ersten Skelettfunde der Wüstung Seehausen auf Überreste aus der Karolingerzeit deuteten, hat sich einiges getan.

    Etwas abseits vom Gräberfeld, wenige Meter in den Getreideacker hinein, ragt nun Mauerwerk aus einer Fundgrube. "Sobald wir gesehen haben, dass hier Mauerspuren kommen, haben wir alles händisch freigelegt", sagt Harald Rosmanitz vom Archäologischen Spessartprojekt. Die ersten 60 Zentimeter wurden noch mit einem Bagger abgetragen, etwa einen halben Meter weiter in die Tiefe kratzte sich das Team vorsichtig voran.

    Kein vergleichbares Gebäude in dieser Form steht noch

    Dass hier Mauern zu finden sind, hatten schon zuvor geophysikalische Untersuchungen ergeben, sagt Matthias Merkl vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. "Aber was man noch nicht wirklich wusste: Wie tief liegen die Mauern, wie groß sind die Mauern, wie alt sind die Mauern?"

    Die große Ausgrabung nach den Skelettfunden: Ein Steingebäude kommt zu Tage, vermutlich aus der Karolingerzeit – wohl keine Kirche, aber auch kein normales Wohnhaus.
    Die große Ausgrabung nach den Skelettfunden: Ein Steingebäude kommt zu Tage, vermutlich aus der Karolingerzeit – wohl keine Kirche, aber auch kein normales Wohnhaus. Foto: Tabea Goppelt

    Nun verrät die Keramik im Boden das Alter: vermutlich Karolingerzeit. Ein Geschoss hätten die dünnen Mauern wohl tragen können, mehrere Stockwerke vermutlich nicht: "Unserer Hypothese nach war obendrüber ein Fachwerk", sagt Projektleiter Harald Rosmanitz. "Wir haben eine Idee, was es sein könnte, aber da sind wir noch sehr vorsichtig." 

    Ein Steingebäude mit einer Länge von zehn Metern - "das ist schon ein massives Objekt in dieser Zeit und ist auffällig", sagt der Archäologe. Es spreche dafür, dass die Siedlung nicht einfach nur ein Dorf war wie hundert andere in der Region. Die Mauerreste würden am Rand der Siedlung liegen, anders als Kirchen. Matthias Merkl, Gebietsreferent für den Landkreis Main-Spessart beim Landesdenkmalamt, vermutet deshalb, dass das Gebäude gemeinschaftlich genutzt wurde. Vielleicht ein Wirtschaftsgebäude für Handwerk oder Landwirtschaft? Einfache Wohnhäuser, sagt Rosmanitz, seien im 8. und 9. Jahrhundert aus Holz gebaut gewesen.

    Ein paar Meter weiter findet sich ein ovaler Steinkreis, der womöglich zu einem Brunnen gehörte. Ob die Siedlung deshalb bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts Seehausen genannt wurde? Oder wohnte dort ein Mann namens Seo? Gab es dort einen See? Eine Bohrung bis zu sechs Meter in den Boden soll nun Erkenntnisse liefern, ob sich die See-Hypothese bestätigt.

    Vorsichtige Hypothesen: Getreide als militärisches Gut?

    Gegraben wird auch bei Regen. Dafür gibt es kleine Pavillons zum Schutz und Planen, damit die Funde nicht in Pfützen versinken.
    Gegraben wird auch bei Regen. Dafür gibt es kleine Pavillons zum Schutz und Planen, damit die Funde nicht in Pfützen versinken. Foto: Tabea Goppelt

    Das Team vom Archäologischen Spessartprojekt, einem eingetragenen Verein und zugleich Institut der Universität Würzburg, wagt bei der Zwischenbilanz nach der kurzen Sommerpause im Juli nur vorsichtig Hypothesen. "Der Archäologe hat natürlich eine große Fantasie, muss er auch haben", sagt Rosmanitz. Dass es rückblickend auf 20 Jahre eine seiner erfolgreichsten Grabungen ist, weiß er jetzt schon. Und vorstellen kann er sich einiges hinter den Funden: beispielsweise Bauern, die in der Siedlung nicht autark gelebt haben. Sondern in von Klöstern überwachten Wirtschaftseinheiten, vielleicht um Städte zu versorgen? Es würde die Dimension des Gebäudes erklären. "Wir hatten mit Fulda annähernd 10.000 Einwohner in der Zeit, die größte Ansiedlung nördlich der Alpen."

    Freiwillige Helferinnen und Helfer legen die Skelette frei, auch bei Regen. Im Hintergrund zu sehen (von links): Archäologe Harald Rosmanitz, Matthias Merkl vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologin Sabrina Bachmann.
    Freiwillige Helferinnen und Helfer legen die Skelette frei, auch bei Regen. Im Hintergrund zu sehen (von links): Archäologe Harald Rosmanitz, Matthias Merkl vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologin Sabrina Bachmann. Foto: Tabea Goppelt

    Seine aktuelle Vermutung geht in eine andere Richtung: Steckt Logistik für einen Krieg gegen die Sachsen dahinter, der sich über 50 Jahre hinzog? Rosmanitz vergleicht die Situation damals mit der aktuellen Situation in der Ukraine: "Da wird Getreide ein militärisches Gut." Vielleicht wurde deshalb der karolingische Name der Siedlung in keiner Quelle erwähnt, nur der jüngere Name Seehausen ist überliefert. 

    Moderne Technik und Naturwissenschaften kommen zum Einsatz

    Die Wissenschaftler werden die Funde erst bei der Auswertung nach der Grabung interpretieren. "Jetzt ist es Fabulieren", stellt Rosmanitz klar. Dafür wird genauestens dokumentiert: "Alles, was wir an modernen Techniken und Naturwissenschaften einsetzen können, kommt hier zum Einsatz." Archäologin Sabrina Bachmann zählt auf: Es wird fotografiert, von Hand gezeichnet, beschrieben und vermessen, ein Computerprogramm errechnet aus den Fotos 3D-Modelle. Insgesamt drei Archäologen arbeiten an dem Duttenbrunner Projekt, unterstützt von zahlreichen Ehrenamtlichen aus dem weiten Umkreis. 

    Viele ungeklärte Fragen – und neue kommen dazu

    Am Gräberfeld wurde bereits ein zweiter "Schnitt" aufgemacht, also an einer neuen Stelle gegraben. Immer neue Skelette kommen zum Vorschein. Auf die anfangs vermuteten 1000 bis 1500 Gräber will sich Merkl nicht festlegen lassen. Wären es weniger, seien die Funde nicht unbedeutender: Allein dass eine Siedlung und ein Gräberfeld gleichzeitig aufgedeckt werden können, sei selten und deshalb spannend.

    Auf zwei Flächen wird aktuell nach weiteren Skeletten gegraben.
    Auf zwei Flächen wird aktuell nach weiteren Skeletten gegraben. Foto: Sabrina Bachmann, ASP

    Eine weitere Fläche im angrenzenden Maisfeld soll noch aufgemacht werden. Dort vermuten die Wissenschaftler eine weitere Steinstruktur näher am Zentrum der Siedlung. Genug zu tun bis September – und Harald Rosmanitz denkt schon weit in die Zukunft. Die frühmittelalterlichen Fundstätten von Frankfurt über Ingelheim, Michelstadt und den Karlstadter Raum ließen sich verdichten zu einer touristischen Destination, so wie der Frankenwein: "Ein Tag lang nur Karolinger." 

    Besuch bei den Ausgrabungen: Unter der Woche wird nahe des Ortsausgangs von Duttenbrunn in Richtung Zellingen von 9 Uhr bis 17 Uhr gegraben. Interessierte können gerne vorbeischauen, sagt Projektleiter Harald Rosmanitz. Am 17. September soll vor Ort ein Grabungsfest stattfinden. Infos unter www.spessartprojekt.de

    undefined
    Freiwillige Helferinnen und Helfer legen die Skelette frei, auch bei Regen.
    Freiwillige Helferinnen und Helfer legen die Skelette frei, auch bei Regen. Foto: Tabea Goppelt
    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden