Wieder einmal gibt es bei Kunden der EVG Energieversorgung Gemünden Ärger mit unerwünschten Telefonanrufen. EVG-Geschäftsführer Roland Brönner spricht von "Telefonterror", bei dem offenbar versucht werde, Kunden zu einem Anbieterwechsel zu bewegen. Vielleicht gehe es aber auch darum, "irgendwelche Daten abzugreifen", mutmaßt Brönner. Jedenfalls seien die Anrufe, die oft mehrfach am Tag stattfinden, "nicht ganz koscher". Er weist darauf hin, dass die aktuell wieder getätigten Anrufe nicht nur unseriös, sondern üblicherweise auch unzulässig seien, da die Angerufenen solchen Gesprächen zugestimmt haben müssen.
Bei einer Angehörigen von EVG-Mitarbeiter Heiko Betz sei zunächst von einer Nummer aus angerufen worden, die dieser dann blockiert habe. Ein paar Tage später hätten die aggressiven Telefonvertriebler einfach von einer anderen Nummer aus angerufen. E.ON erhöhe die Preise der Grundversorgung, habe es geheißen. Zum einen, so Betz, der bei der EVG die Abrechnung macht, sei der Grundversorger in Gemünden die EVG, zum anderen sei die Grundversorgung "klar das Teuerste", aber es gebe Sonderverträge. Er habe aktuell mal einen Preisvergleich gemacht und festgestellt, dass die EVG gar nicht so schlecht dastehe.
Zweiter Bürgermeister zweimal an einem Tag auf dem Handy angerufen
Auch Gemündens Zweiter Bürgermeister Werner Herrbach war unter den Angerufenen. Er ist dieser Tage an einem Tag gleich zwei Mal angerufen worden – beide Male auf dem Handy, einmal von einem Mann von einer Berliner Festnetznummer, einmal von einer Frau von einer Mobilnummer. Er wundert sich, woher die Anrufer, mutmaßlich Mitarbeiter eines Callcenters, seine Handynummer haben.
Er habe doch E.ON als Grundversorger, habe es auch bei ihm geheißen, was Herrbach jedoch verneinte. Jedenfalls sei sein Grundtarif zu hoch und er zahle auch zu viel für den Strom, das ginge billiger. "Ich brauche Ihre Hilfe nicht", sagte Herrbach daraufhin, er sitze schließlich im Aufsichtsrat der EVG und könne sich selber informieren. Eine Zustimmung zu den Anrufen habe er nicht gegeben.
2014 und 2017 Fälle von Betrugsversuchen
Schon 2014 und 2017 hatte die EVG in ihrer Kundenzeitschrift vor dubiosen Anrufern gewarnt. 2014 wurden Fälle bekannt, bei denen EVG-Kunden, um ihre Ruhe zu haben, um schriftliche Informationen oder ein Vertragsangebot gebeten haben. Das hatten die Anrufer als Bestellung interpretiert und einen Wechsel des Stromlieferanten veranlasst. Zudem wurden damals Kunden auf dem Handy angerufen und im Glauben gelassen, sie telefonierten mit der EVG. Wer zu oft mit Ja antwortete, der bekam eine SMS. Wer die ebenfalls mit Ja beantwortete, wechselte plötzlich den Stromanbieter.
2017 dann gab es erneut Beschwerden von EVG-Kunden über unerwünschte Anrufer. Damals ließen sie die Anrufer die Gemündener ebenfalls im Glauben, sie riefen von der EVG an und fragten Dinge wie Zählernummer und Stromverbrauch ab. Ziel der Anrufer damals war es offenbar erneut, EVG-Kunden zu überrumpeln und sie zu einem Anbieterwechsel zu bewegen.
Bei einem Probeanruf kommt man bei einem Berliner Callcenter heraus
Ein Probeanruf bei der Festnetznummer, unter der Werner Herrbach angerufen wurde, führt tatsächlich zu einem Callcenter. Zunächst meldet sich eine Frau und reagiert pampig auf Fragen der Presse. Den Firmennamen möchte sie nicht wiederholen, sie seien jedenfalls kein Stromanbieter, sondern ein Energieberater. Dann legt sie auf.
Bei einem erneuten Anruf etwas später meldet sich ein freundlicher Herr und sagt, man sei bei turbovergleich29.de angelangt. Man arbeite mit Vergleichsseiten wie check24.de zusammen, dort hätten die Angerufenen offenbar einen Stromvergleich durchgeführt und mit einem Häkchen bestätigt, dass sie angerufen werden können. "Wir gucken nach, wer für Sie vor Ort der günstigste Strom- oder Gasanbieter ist", erklärt der Mann. Bei der Handynummer verkündet ein Band, dass man bei der Tariffüchse 99 UG angelangt sei.
Herrbach sagt, dass ganz sicher weder er noch seine Frau einen Strompreisvergleich im Internet durchgeführt hätten. Auch Betz kann sich dies bei seiner Angehörigen beim besten Willen nicht vorstellen. Werner Herrbach glaubt, dass die Daten irgendwo abgeschöpft und von Adressenhändlern verkauft wurden. Er habe lediglich vor einem Jahr einmal bei einem Preisausschreiben mitgemacht, obwohl er das sonst nicht tue. Das Ergebnis: Er wurde mit Spam überhäuft. Aber seine Handynummer habe er dort garantiert nicht preisgegeben, damit sei er sehr vorsichtig.
Im Fall der Fälle: formloser Widerruf genügt
Von betrügerischen Machenschaften wie in den Jahren 2014 und 2017 ist EVG-Geschäftsführer Brönner rund um die neuerliche Anrufwelle bislang nichts bekannt. Heiko Betz berichtet aber, dass er am Freitagmorgen von zwei Fällen erfahren habe, bei denen die Anrufer den Zählerstand wissen wollten (von der EVG komme dafür immer eine Ablesekarte). Sollte dem Anrufer noch die Zählernummer bekannt werden, könnte er zusammen mit Name und Adresse des Angerufenen einfach einen Anbieterwechsel veranlassen. Weil das automatisch ablaufe, merke die EVG davon erst einmal gar nichts.
Alle Kunden, die sich am Telefon oder per Mail zu einem Anbieterwechsel haben drängen lassen, haben laut EVG ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Dafür reiche ein formloser Widerruf, am besten schriftlich.
Für Fragen steht bei der EVG Heiko Betz als Ansprechpartner bereit, Tel. (09351) 94 16 12, info@evg-gemuenden.de