Eines gleich vorweg: Eine wertvolle Ming-Vase ist an diesem Morgen nicht dabei. Auch findet sich keine ausrangierte Sammlung an Schallplattenraritäten, rein gar nichts, was Sammlerherzen höherschlagen lassen könnte. Schade, würden Schatzsucher und Flohmarktjäger sagen. Dieter Kutzschke und Steffen Dausacker indes ist es egal. Die Mitarbeiter der Firma Kirsch & Sohn wuchten den Sperrmüll bei ihren Touren durch den Landkreis täglich tonnenweise in den Schlund des Müllwagens. "Ich schmeiß alles rein, so wie es kommt", sagt Kutzschke.
Wir haben den 55-Jährigen und seinen 21-jährigen Kollegen begleitet bei einer Sammelfahrt durch Wiesthal und Krommenthal. Die Palette dessen, was die beiden Müllwerker dabei vorfinden, ist auch an diesem Tag groß. Vom Kleiderbügel bis zur Couchgarnitur, vom Kassettenrekorder über die Matratze bis zur Schrankwand reicht das Sortiment, das in den beiden Spessartdörfern an sechs Stationen am Straßenrand steht. In dem Sammelsurium machen alte Möbel einen Großteil aus.
Drei Kategorien
Teils steht der Müll, wie vom Entsorger gewünscht, fein säuberlich sortiert bereit. Es gibt drei Sperrmüll-Kategorien: Elektroschrott, Altmetall und brennbarer Sperrmüll. Zum Teil steht das aussortierte Allerlei aber auch wirr durcheinander, was den Abholern zusätzliche Sortierarbeit beschert. Ein Glück für die Müllmänner ist, dass es heute nicht regnet. Denn dann wäre so mancher Abfall umso schwerer. "Matratzen sind dann doppelt so schwer", erzählt Kutzschke, während er eine davon in den Wagen wirft.
Rund acht Tonnen Sperrmüll fasst der Müllwagen. Kutzschke und Dausacker wuchten dieses Gewicht bei ihrer Tour durch etliche Spessartdörfer zu zweit hinein in den mächtigen Schlund des Lastwagens. Ein Fitness-Studio benötigen die beiden Sperrmüllabholer angesichts dieses Tagespensums kaum: "Da ist man am Abend fix und fertig", sagt Kutzschke.
Noch mehr Kraft als die beiden Müllabholer bringt die hydraulische Klappe am Heck des Müllautos auf. Sie zermalmt unter knirschenden Geräuschen alles, was ihr zum Fraß vorgeworfen wird. Darauf, dass der Müll vor der Weiterfahrt auch wirklich hinter der Klappe verschwunden ist, achtet Kutzschke penibel. Zu groß die Gefahr, dass der Schrott sonst auf nachfolgende Autos fällt. "Das würde Ärger geben", sagt der 55-Jährige.
So manches Schätzchen
Er ist erst seit eineinhalb Jahren dabei. Vorher war er in der Felssicherung tätig und viel auf Montage und teilweise in 60 oder 70 Metern Höhe am Seil gehangen. Der Job mit dem Sperrmüll ist ihm lieber. Für Menschen, die sich für Altertümer oder Flohmarktware begeistern können, wäre er freilich nichts. Denn auch wenn an diesem Tag wirklich nur Müll am Straßenrand steht, so findet sich im Sperrmüll doch immer wieder so manches, was manchem als Schatz oder zumindest Schätzchen erscheint.
Kutzschke und Dausacker jedoch haben keine Zeit für die Ausschau nach Kostbarkeiten, laden stattdessen an jeder Station flott ein, was für ihren Wagen bestimmt ist: den brennbaren Sperrmüll. Selbst wenn sie darin etwas finden sollten, was sie gerne mitnehmen würden, dürften sie das nicht. Denn der Weg des Sperrmülls ist vorgezeichnet: Der Großteil wandert in die Verbrennung nach Schweinfurt. Metall- und Elektroschrott werden recycelt.
Manches bleibt aber auch vor Ort liegen. Denn längst nicht alles, was Hausbesitzer zur Abfuhr bereitstellen, wird abgefahren. Gartenzäune, Türen, Renovierungsabfall, Autoreifen, Kleinteile, die in die Mülltonne passen – all das gilt nicht als Sperrmüll. Das eine auszusortieren und das andere einzuladen, gehört zu den Aufgaben von Kutzschke und Dausacker.
Letzterer absolviert mit seinen 21 Jahren eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer. Das Lastwagenfahren lernt er bei den Sperrmüllfahrten ganz gewiss. Denn Dausacker und Kutzschke holen den Sperrmüll dort ab, wo er anfällt. Häufig geht es in den Dörfern durch enge Gassen, nicht selten auch längere Strecken rückwärts. Schluss machen sie erst, wenn sich der Müllwagen meldet, dass er voll ist. "Wenn er piept, dann hat er genug", sagt Kutzschke.
Zahlen und Fakten: WiesthalEinwohner:1297 (Stand 3. Januar 2020), davon 328 in Krommenthal, dem 1972 eingemeindeten Ortsteil
Bürgermeister: Karl-Heinz Hofmann (seit 1. Mai 2020)
Geschichte: Die inmitten des Spessartwalds gelegene Gemeinde Wiesthal war früher vor allem ein Glasmacherdorf. Das Auskommen der meisten Bewohner war als Glasmacher, Holzfäller, Aschenbrenner oder Fuhrleute mehr oder weniger direkt mit der Glasmacherei verbunden. Eine Besonderheit war, dass die Grenze zwischen dem Bistum Mainz und der Grafschaft Rieneck früher in Form des Aubachs direkt durch den Ort verlief.
Arbeit: Größter Arbeitgeber im Ort ist die auf Messtechnik spezialisierte Firma Wenzel mit rund 300 Mitarbeitern am Standort. Über den Wiesthaler Bahnhof pendeln etliche Arbeitnehmer nach Aschaffenburg und in das Rhein-Main-Gebiet.Quelle: joun