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Urtraube wächst im Langenberg

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Urtraube wächst im Langenberg

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    Urtraube wächst im Langenberg
    Urtraube wächst im Langenberg Foto: FOTO GÜNTER ROTH

    Jahrelang hat Schmitt seinen Weinberg am westlichen Ende des Langenbergs bewirtschaftet und dabei mehr Wert auf die Freude als auf den Ertrag gelegt. Rund drei Hektoliter auf dem etwa sechs Ar großen Grundstück waren ihm genug, und so störte es nicht, dass die Stöcke lang nicht den Ertrag moderner Gewächse erbrachten. Auch das Mostgewicht um die 76 war nicht gerade berauschend, aber für den Hobbywinzer, der seinen Wein auch selbst ausbaut, voll akzeptabel.

    Dass seine Rebstöcke sehr alt sein mussten, war Schmitt natürlich klar, denn er bearbeitet sie ja inzwischen selbst schon seit fast 40 Jahren. Doch den wahren Schatz entdeckte Reinhold Full, der Vorsitzende des Retzstadter Weinbauvereins bei der Gestaltung der Retzstadter Wanderwege. Da wurde nämlich die Hecke gerodet, die jahrelang den Blick auf den "Dinosaurier" des Müller-Thurgaus verdeckt hatte.

    Weinberg 1925 angelegt

    Nach der Einsicht von Katasterauszügen bei der Regierung von Unterfranken kam heraus, dass der Schmittsche Weinberg im Jahr 1925 angelegt wurde. Auch Josef Engelhart, Weinbautechniker bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim, untersuchte die Rebstöcke und stellte fest, dass es sich hier um Ursprungsreben des Müller-Thurgau handelt, die in jedem Fall älter als 50 Jahre sein müssen.

    Dafür spricht laut Engelhart auch die Anbauweise im "gemischten Satz", bei der ein Müller-Thurgau-Weinberg damals nicht reinrassig bepflanzt wurde, sondern zu einem Drittel mit Silvaner. Im Retzstadter Weinberg sind die roten Silvanertrauben noch heute vorhanden. Diese Mischung geschah, weil man in den 20er Jahren der neuen Sorte noch nicht so recht traute und deshalb die bewährte sicherheitshalber dazwischen setzte. Auch die typische "Altfränkische Kopferziehung" der Rebstöcke deutet auf ein hohes Alter hin. Die Rebstöcke sind wurzelecht und nicht gepfropft.

    Die heute noch beliebte Rebsorte wurde 1882 in der Schweiz gezüchtet und bis nach 1920 nur in streng kontrollierten Versuchsflächen probeweise angebaut. Solche Flächen waren zum Beispiel 1913 in Lohr-Sendelbach. Erst danach gaben die Behörden den Müller-Thurgau zum allgemeinen Anbau frei. Deshalb sind sich die Fachleute sicher, dass keine anderen Weinberge existieren können, die älteren Datums sind.

    Offizielles Treffen

    Zu einer offiziellen Vorstellung des alten Weinbergs hatte der Weinbauverein zahlreiche Fachleute und Repräsentanten des Frankenweins eingeladen. Neben Vertretern von Presse, Rundfunk und Fernsehen nahmen auch die Fränkische Weinkönigin Nicole Then und ihre Retzstadter Kollegin Cornelia Hebig und der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes Andreas Oestemer das "Schatzkästchen" in Augenschein.

    Reinhold Full betonte bei der Vorstellung, dass man es hier nicht nur mit einem Kulturdenkmal des fränkischen Weinbaus zu tun habe, sondern mit einem echten Genpool, einer ursprünglichen Genreserve, auf die die Forschung gewiss einmal gerne zurückgreifen werde, um inzwischen verloren gegangene Eigenschaften der Urtraube wiederzugewinnen. Außerdem sei der kleine Weingarten ein außergewöhnliches Biotop, in dem bei einer wissenschaftlichen Zählung über 70 weinbergsbegleitende Pflanzen festgestellt wurden.

    Die Erhaltung alter Weinberge sei, so Full, eine wichtige Aufgabe für den Weinbau. Sie tragen alte Sorten oder alte Klone neuer Sorten und stellten somit Genmaterial alter Rebsorten wie Heunisch, Gutedel, Traminer und andere für die Kreuzungszüchtung oder die Verbesserung aktueller Rebsorten bereit.

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    Foto: FOTO GÜNTER ROTH

    Im Rahmen der Ortsbesichtigung ließ es sich der Besitzer des ältesten Müller-Thurgau-Weinbergs nicht nehmen, den Gästen selbst ausgebaute Kostproben aus seinem Weingarten zu kredenzen. Dabei staunten auch die Fachleute über den urigen, ursprünglichen Wein und gaben zu, dass sich auch beim Rebstock manche Qualität erst mit dem Alter so richtig erschließe.

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