Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es eine Vielzahl verschollener Soldaten. Für einige von ihnen gilt dieser Status heute noch; andere werden über kurz oder lang für tot erklärt. Klaus Bieniussa, Rechtspfleger beim Amtsgericht Gemünden, erklärt das inzwischen seltene Verfahren, weil das Gericht erst kürzlich einen Mann aus dem Raum Marktheidenfeld für tot erklärt hat.
Verschollen ist, wessen Aufenthalt längere Zeit unbekannt ist. Außerdem müssen „ernstliche Zweifel“ am Weiterleben des Verschollenen bestehen, zum Beispiel, weil es keinerlei Lebenszeichen von ihm mehr gibt. Man kann aber selbst einen Verschollenen erst dann für tot erklären lassen, wenn es zehn Jahre lang keine Nachrichten über ihn mehr gibt. Andere Regelungen gelten für Verschollene des Zweiten Weltkriegs, die bereits nach fünf Jahren ohne Lebenszeichen für tot erklärt werden können. Die relativ kurze Frist von nur sechs Monaten räumte die Justiz den Opfern der Tsunami-Katastrophe von 2004 ein. Der Grund: Man ging davon aus, dass sich Überlebende der Naturkatastrophe relativ schnell melden würden.
Doch auch wenn diese Fristen eingehalten werden, kann nicht jedermann irgendwen einfach für tot erklären lassen. Das ausdrückliche Recht dazu haben laut Gesetz Ehegatten, Eltern oder Kinder des Verschollenen. Eine Todeserklärung bei Gericht beantragen können auch andere, aber nur, wenn sie ein rechtliches Interesse haben. In der Praxis sind damit mögliche Erben gemeint.
Wie läuft ein Todeserklärungsverfahren ab? Ausgangspunkt ist ein ausreichend begründeter und belegter Antrag beim zuständigen Amtsgericht, dem ein „Aufgebot“ folgt: Darin fordert das Gericht den Verschollenen auf, sich innerhalb einer Frist zu melden, weil sonst seine Todeserklärung folgt. Außerdem werden alle, die Auskunft über den Verschollenen geben können, gebeten, sich bei Gericht zu melden. Dieses Aufgebot hängt in der ehemaligen Heimatgemeinde des Verschollenen aus, allerdings nicht an seinem zuletzt bekannten Aufenthaltsort.
Theoretische Todesstunde
Meldet sich während der Frist niemand, wird der Verschollene für tot erklärt. Ist das Verfahren, was den Zeitpunkt des Antrags angeht, schon zufällig, so muss das Gericht nun einen künstlichen Zeitpunkt des Todes definieren. In den meisten Fällen ist das nur theoretisch möglich. Denn wie will man für einen Verschollenen, von dem es seit Jahren kein Lebenszeichen mehr gibt, eine Todesstunde festlegen? Was bei Schiffsunglücken oder dem erwähnten Tsunami noch relativ einfach einzugrenzen ist, scheint bei anderen Verschollenen unmöglich. Aber auch dafür hat das Gesetz einen Weg gefunden: Es „ist der Zeitpunkt festzustellen, der nach dem Ergebnis der Ermittlungen der wahrscheinlichste ist“. Faktisch sieht das Gesetz vor, dass der Verschollene fünf Jahre nachdem er vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat, für tot erklärt wird. Als Zeitpunkt dafür gilt dann der 31. Dezember, 24 Uhr, des betreffenden Jahres. Auch dieser gerichtliche Beschluss muss öffentlich ausgehängt werden.
Was aber, wenn der Verschollene eines Tages doch wieder auftaucht? Dann, so Bieniussa, kann er die Aufhebung seiner Todeserklärung beantragen. Beruhigenderweise ist auch das im Gesetz geregelt.
In den vergangenen zehn Jahren hat es beim Amtsgericht lediglich 16 Verfahren über Todeserklärungen gegeben. Davon befassten sich zwölf mit Verschollenen des Zweiten Weltkriegs und nur vier mit der „allgemeinen Verschollenheit“.
Der Grund dafür, dass selbst Kriegsverschollene erst so spät für tot erklärt werden, liegt darin, dass manche Angehörige bis zuletzt auf die Wiederkehr des Verschollenen hoffen.