Andreas Wech entdeckte 2006 erste Schäden an seinem 1990 am Hang erbauten Wohnhaus im Wengertspfad 4 in Laudenbach. Auf der anderen Seite des Hangs liegt der Steinbruch des Zementwerks Schwenk. Die daraufhin angesetzte Messung der Sprengkraft von August bis Oktober 2006 brachte ein Ergebnis im Mittel von 0,9 Millimeter pro Sekunde. Gestattet sind nach DIN-A 4150 fünf Millimeter pro Sekunde Schwinggeschwindigkeit (siehe Info-Kasten).
Bis 2009 hatten sich auch Angaben von Wech bereits Risse im Putz rund ums Haus gebildet. Wieder schrieb Wech ans Zementwerk. Wieder ließ das Werk die Sprengkraft messen – von Oktober 2009 bis März 2010. Zwei Dinge wunderten Wech damals: Schwenk soll den Messapparat ohne Vorankündigung abgebaut haben, so dass er als Hauseigentümer keine Möglichkeit hatte, selbst einen Blick auf das Ergebnis zu werfen. Und: „Das Werk meldete nur die Ergebnisse von Januar bis März im Mittel mit 0.65 Millimeter pro Sekunde und erst auf mein Drängen hin die Messdaten von Oktober bis Dezember 2010 mit dem Spitzenwert von 1,14 am 30. Dezember“, erklärt Wech, der Tagebuch führt über die subjektive Wahrnehmung von Sprengstärke und Erschütterungen am Haus. Er fühlt sich bestätigt: „Für den 30. Dezember notierte ich für mich die Sprengkraft von 120 Prozent.“
„Ich hörte, wie sich bei einer Sprengung sogar die Dachziegel aneinanderreiben.“
Horst Wittstadt, Stadtrat und Hausbesitzer
„Natürlich liegt das Zementwerk mit diesen Werten unter der allgemein zugelassenen DIN-Norm 4150“, weiß Horst Wittstadt. Der Grüne-Stadtrat war 2002 bei der Begehung durch Laudenbach dabei, als Gutachter für die Abbruchgenehmigung (Süd) alte Bausubstanz und Denkmäler im Dorf anschauten, die durch Sprengungen Schaden nehmen könnten. Wittstadts Anwesen liegt mitten im Dorf: „Ich hörte, wie sich bei einer Sprengung sogar die Dachziegel aneinanderreiben.“ Wittstadt bat in einer Bauausschusssitzung im Frühjahr 2011 die Stadtverwaltung um Überprüfung, ob Hausschäden von Sprengungen im Steinbruch herrühren könnten. Horst Wittstadt appelliert an das Zementwerk, die erlaubte Sprengstärke aus der Abbruchgenehmigung (Süd) weiter zu reduzieren. Andreas Wech schätzt die Schäden an seinem Haus inklusive abgeplatzter und gerissener Badfliesen auf 30 000 Euro.
Johann Trenkwalder, Werksleiter des Zementwerks Schwenk, weist die Vermutung zurück, die Hausschäden rühren von Sprengungen im Steinbruch und erklärt im Gespräch mit der Main-Post: „Der zulässige Grenzwert aus der DIN-Norm 4150 mit fünf Millimetern pro Sekunde wird bei unseren Sprengungen gar nicht erreicht. Wir liegen bei 95 Prozent aller Sprengungen bei 0,5 Millimeter pro Sekunde, also bei zehn Prozent des Grenzwertes. Dieser Messwert kann bei einer ordnungsgemäßen Bauweise eines Wohnhauses keine Schäden verursachen.“ Auch mit der bei den restlichen fünf Prozent erreichten Sprengstärke von 1,5 Millimetern liege das Werk nur bei 30 Prozent des zulässigen Grenzwerts.
Dies bestätigen die Messungen der Gutachter TÜV Rheinland Landesgewerbeanstalt mit Sitz in Nürnberg, die auch am 24. November 2010 in den Häusern der Umgebung von Wech Messungen vorgenommen hatten: „An den untersuchten Gebäuden wurden geringere Erschütterungen gemessen als im Genehmigungsbescheid zugelassen. Anhand der vorliegenden Messergebnisse kann aus Sicht des Messinstituts (TÜV) ausgeschlossen werden, dass Schäden an den untersuchten Wohngebäuden in Folge der Sprengungen auftreten“, schrieb das Landratsamt an die Stadt Karlstadt und in Auszügen an Andreas Wech.
Das Zementwerk habe eigene geeichte Messgeräte, berichtete Uwe Schmitt, Immissionsschutzbeauftragter des Zementwerks, im Gespräch. Sprengprotokolle würden ständig ans Landratsamt geschickt.
Johann Trenkwalder nimmt an, dass es Spannungsrisse sind, die Wech an seinem Haus hat. Diese könnten sich in einem Neubau stärker auswirken als in einem bestehenden Altbau, weil gerade ein neues Haus ständigen Wechseln von Frost und Hitze ausgesetzt sei. „Im Altbau sind üblicherweise durch jahrzehntelangen Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen innere Gebäudespannungen abgebaut worden.“ Wie Sprengemissionen sich auf die Nachbarschaft auswirken oder empfunden werden, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab wie Wandhöhe, geologische Formation der verschiedenen Sprengetagen, Entfernung der Wohnbebauung, Witterungs- und Grundwassereinflüsse.
„Wir liegen bei 95 Prozent aller Sprengungen bei 0,5 Millimeter pro Sekunde, also bei zehn Prozent des Grenzwertes.“
Johann Trenkwalder, Leiter des Zementwerks Schwenk
Trenkwalder: „Die strengen Auflagen für die Sprengung berücksichtigen all diese Faktoren. Darüber hinaus versuchen wir, mit allen uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten die Sprengemissionen so tief wie möglich zu halten.“ Trenkwalder sagt zu, dass sich die Sprengrichtung von Laudenbach wegbewege und sich der Abbau in Richtung Westen – weg von Laudenbach – bald ändern werde, so dass der Ort in etwa fünf Jahren wesentlich geringere Erschütterungen wahrnehmen werde. Anders in Mühlbach, wo sich die Abbaurichtung nicht verändern könne. „Doch wir werden dort deutlich weniger sprengen, weil wir weniger Gesteinsmenge als Mischmaterial aus diesem Bereich benötigen“, verspricht Trenkwalder. Horst Wittstadts Vorschlag, die Sprengstärke weiter zu reduzieren, kann Johann Trenkwalder nicht nachkommen: „Das wäre abbautechnisch nicht sinnvoll, bringt keine Verbesserungen und ist nicht mehr wirtschaftlich.“
Norm und Überwachung
Die maximale Sprengstärke ist im Genehmigungsbescheid für einen Steinbruch festgelegt. Die Messungen an verschiedenen Orten, vorgenommen von einer zugelassenen und vereidigten Stelle (z. B. der TÜV) nach Paragraf 26 Bundesimmissionsschutz werden vom Auftraggeber Landratsamt nur auf Plausibilität überprüft. Bei Beschwerden über Sprengerschütterungen ermittelt das Landratsamt die Bedingungen, die zum Zeitpunkt der Beschwerde vorlagen.
Eingesetzt wird ein kalibriertes Schwingungsmessgerät, mit dem ein Sprengvorgang im Steinbruch gemessen wird. Darüber wird der Betreiber, hier das Zementwerk Schwenk, vorher informiert. Die Begründung: Um die maximal zu erwartenden Erschütterungen ermitteln zu können, müssen nach Auskunft des Landratsamtes die Sprengungen im Steinbruch unter maximal zulässigen Bedingungen (Sprengstoffmenge) stattfinden. Um dies erfüllen zu können, müsse das Zementwerk natürlich Kenntnis von der Messung haben.
Zum Schutz baulicher Anlagen wie Wohnhäuser dürfen die festgelegten Anhaltswerte der Schwinggeschwindigkeit, in diesem Falle fünf Millimeter pro Sekunde, nicht überschritten werden (DIN-Norm 4150). Gemessen wird zum Beispiel an der Gebäudefundamentplatte oder an der Obergeschossdecke eines Wohnhauses. Infos: Landratsamt/Schwenk