Fränkisches Fachwerk und Buntsandstein prägen Rieneck. Eine Gestaltungssatzung soll dafür sorgen, dass das vielfach gerühmte Stadtbild erhalten bleibt. Auch diese gilt als mustergültig. Ein Urteil des Würzburger Verwaltungsgerichts stellt nun jedoch die Gestaltungssatzung in Frage. Die Stadt hatte einer Hauseigentümerin im Altort, der unter Ensembleschutz steht, die sanierungsrechtliche Genehmigung für eine Photovoltaikanlage an der Hauswand und eine Abweichung von den örtlichen Bauvorschriften unter Hinweis auf die Satzung verweigert. Zu Unrecht, so das Gericht. Das Erneuerbare Energien-Gesetz und die Anpassung der Bayerischen Bauordnung hätten zu einer veränderten Rechtslage geführt. Das Vorhaben sei damit auch im Sanierungsgebiet "Altstadt Rieneck" zulässig.
Bei der Verhandlung hatte die Klägerin mit Johannes Bohl ausgerechnet den Anwalt an ihrer Seite, der bereits die Stadt Rieneck beraten hatte. In einem Gutachten hatte er die Gestaltungssatzung, die erst im Dezember 2022 in Kraft getreten ist, gelobt und ausdrücklich vor einer zu großzügigen Handhabung von Ausnahmen gewarnt. "Es ist genau so, wir sind jetzt nur ein paar Jahre weiter", erklärte der renommierte Würzburger Fachanwalt dem Bürgermeister. Der Gesetzgeber habe die Schraube im Hinblick auf die Energiewende angedreht und es könne daher natürlich sein, dass die Satzung damit in Konflikt gerät.
Rienecks Bürgermeister fürchtet eine "Durchlöcherung" der frischen Gestaltungssatzung
Ebendies ist für Rienecks Bürgermeister Sven Nickel problematisch. Er befürchtet weitreichende Folgen. Derart "durchlöchert" drohe der Satzung ein "komplettes Unterlaufen" und damit Funktionslosigkeit. "Wie soll ich mit den Bürgern über einen Anstrich oder Gestaltungselemente reden, wenn da eine PV-Anlage an der Fassade hängt?", fragte er in den Verhandlungssaal gerichtet.

Das Anwesen, ein Eckhaus, befindet sich in unmittelbarer Nähe des denkmalgeschützten Altort-Ensembles. Es ist selber kein historisches Bauwerk, befindet sich jedoch im Bereich der Gestaltungssatzung "Altstadt Rieneck". In dieser sind PV-Anlagen wie die geplante nicht pauschal ausgeschlossen. Von der Straße aus einsehbare Anlagen sind jedoch untersagt.
Klägerin hatte Kompromissvorschlag für Dachanlage als unwirtschaftlich verworfen
Die Stadt hatte daher der Vier-Kilowatt-Anlage, die sich über die gesamte Fassadenbreite erstrecken sollte, mit Beschluss des Stadtrats im Juni 2023 die Genehmigung verweigert. Den vom Bürgermeister vorgebrachten Kompromissvorschlag einer isolierten Befreiung für eine Dachanlage verwarf die Klägerin als unwirtschaftlich. Auf ihren Vorschlag, die parallel zur Wand angebrachte Anlage gestalterisch etwa in der Farbgebung anzupassen, ging wiederum der Bürgermeister nicht ein.
Das Gericht bestätigte, dass die Stadt eine Ausnahme nicht ausreichend geprüft hat. Ohnehin sei bereits Baurecht eingetreten, da die Stadt die Monatsfrist nicht eingehalten habe. Nach der aktuellen Fassung der Bayerischen Bauordnung gelte er damit automatisch als angenommen. Der Bescheid für den im März gestellten Antrag wurde erst im Juni ausgestellt.
Klägerin beruft sich auf Erneuerbare-Energien-Gesetz
Auch die Argumentation der Klägerin, die sich auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz und das dort aufgeführte "überragende öffentliche Interesse" für eine Nutzung erneuerbarer Energien berief, bestätigte das Gericht. In der aktualisierten Bayerischen Bauordnung sei aus einer Kann- eine Soll-Regelung geworden, die eine Privilegierung gegenüber anderen Schutzgütern vorsieht, erklärte der Vorsitzende Richter Gerhard Weinmann: "Der Gesetzgeber will einfach solche Vorhaben pushen."
Eine andere Entscheidung sei nur denkbar, wenn eine wirtschaftlich vergleichbare Alternative vorliegt, so der Richter. Die einzige Möglichkeit für eine Photovoltaik-Anlage bietet im Falle des Eckhauses eine kleine Dachfläche auf der Ostseite. Es ist jedoch – auch aus Sicht des Gerichts – unwahrscheinlich, dass die durch eine Gaube begrenzte Fläche ausreichend Potenzial bietet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.