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Holzkirchen: "Viele haben die Sehnsucht, mal abzuschalten": Ein Zen-Schüler des Benediktushofs erzählt, wie Meditation im Alltag helfen kann

Holzkirchen

"Viele haben die Sehnsucht, mal abzuschalten": Ein Zen-Schüler des Benediktushofs erzählt, wie Meditation im Alltag helfen kann

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    Im Zengarten des Benediktushofs in Holzkirchen lernen Kursteilnehmer zu meditieren. (Archivbild)
    Im Zengarten des Benediktushofs in Holzkirchen lernen Kursteilnehmer zu meditieren. (Archivbild) Foto: Patty Varasano

    Im Moment leben – Das ist ein wichtiger Aspekt im Zen-Buddhismus. Der 31-jährige Nils Cleve nimmt als Schüler dieser Lehre mehrmals im Jahr an Kursen des Meditationszentrums Benediktushof in Holzkirchen teil. Im Gespräch erzählt er, wie er zum Zen gefunden hat und warum viele junge Menschen sich heute schon früher mit Themen wie Achtsamkeit und Meditation beschäftigen.

    Frage: Wie sind Sie dazu gekommen, sich mit Meditation und Zen zu beschäftigen?

    Nils Cleve: Ich bin aufgewachsen mit einer christlichen Erziehung, die wesentlich von spirituellen Aspekten geprägt ist. Das eigentliche Interesse ist bei mir aber erst im Studium aufgekommen. Das Psychologie-Studium war sehr wissenschaftlich, bestimmte Fragen werden in der Uni aber nicht beantwortet: große Sinnfragen, Fragen des Leids. Für mich war es wichtig, auch selbst eine Lebenshaltung zu entwickeln, wenn ich Personen in schwierigen Lebenssituationen in meinem Beruf begleite. Meine Auseinandersetzung entstand also eher aus einem grundlegenden Interesse und nicht aus einer persönlichen Krise heraus, wie es sonst auch oft der Fall ist.

    Interessieren sich junge Menschen heute mehr für Spiritualität und Sinnfragen als früher?

    Cleve: Das ist eine schwierige Frage, weil man unter Spiritualität viel verstehen kann. Ich glaube schon, dass das Interesse in meiner Generation an Meditation und Achtsamkeit rapide zugenommen hat. Vor sechs oder sieben Jahren wurde man vielleicht noch ein bisschen komisch angeguckt, wenn man gesagt hat, man meditiert. Ich denke nicht, dass das Interesse an spirituellen Lebensfragen größer ist als in anderen Generationen. Aber ich glaube, dass viele Leute über die Meditation einen Weg zu diesen Themen finden. Menschen in meinem Alter sind mit vielen Lebensthemen beschäftigt: Wo will ich wohnen? Welche Arbeit erfüllt mich? Karriere und Familienplanung. Die großen Sinnfragen des Lebens treten tendenziell ein bisschen später auf.

    Achtsamkeit und Zen – wo ist für Sie da der Unterschied?

    Zen-Schüler Nils Cleve.
    Zen-Schüler Nils Cleve. Foto: Cleve

    Cleve: Ich unterscheide stark zwischen dem Begriff Achtsamkeit, der jetzt viel durch die Medien geht, und bei dem es oft darum geht, ein besseres Leben zu führen und gesünder zu werden, und dem Zen oder einer anderen spirituellen Haltung. Da geht es für mich nicht darum, ein besserer Mensch zu werden, sondern in die Akzeptanz zu gehen. Das Leben in der Gegenwart anzunehmen und sich mit tiefergehenden Fragen zum Erleben der Wirklichkeit auseinanderzusetzen.

    Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass viele junge Menschen sich mit diesen Themen beschäftigen?

    Cleve: Das Leben ist heute super schnelllebig und stellt viele Anforderungen. Einen guten Umgang mit den Medien zu finden, ist zum Beispiel etwas, was ich für mich herauszufinden versuche. Diese Flut an Informationen und die ständige Erreichbarkeit, die irgendwie normal ist. Man wacht auf und nimmt das Handy in die Hand. Wenn ich mein Handy mal ein paar Tage weglege, merke ich, wie anders das Leben dann ist und wie viel ruhiger ich werde. Ich höre auch von vielen Freunden, dass sie eine Sehnsucht haben, mal ein bisschen abzuschalten.

    "Ich glaube, dass gesellschaftlich ein Riesenloch dadurch entsteht, dass die Kirchen so viel Einfluss verlieren und die Leute sich mit ihren Fragen woanders hinwenden."

    Nils Cleve, Zen-Schüler

    Was gibt es noch für Gründe?

    Cleve: Ein weiterer Grund ist, dass wir in einer Zeit leben, in der die christliche Kirche ziemlich rapide Mitglieder verliert und es viele Skandale gibt. Ich kenne nur noch wenige Leute in meinem Alter, die aktive Mitglieder in der Kirche sind. Die Sprache, die die Kirche vermittelt, hat sich häufig weit von unserer Generation entfernt. Die Sinnfragen aber bleiben. Ich glaube, dass gesellschaftlich ein Riesenloch dadurch entsteht, dass die Kirchen so viel Einfluss verlieren und die Leute sich mit ihren Fragen woanders hinwenden.

    Welche Rolle spielen die aktuellen Krisen, vom Ukraine-Krieg bis zur Klimakrise?

    Cleve: Ich glaube schon, dass das Wissen, dass es eigentlich in die falsche Richtung geht und dass wir es mit massiven Einschränkungen und Veränderungen zu tun haben werden, viel mit uns macht. Diese Themen erschlagen einen manchmal. Ich persönlich finde im Zen eine Haltung, um aktiv zu bleiben und nicht gelähmt zu werden. Es hilft mir innerlich, um mit diesen ganzen Gefühlen und Katastrophen umzugehen.

    Blick von oben auf den Benediktushof in Holzkirchen. (Archivbild)
    Blick von oben auf den Benediktushof in Holzkirchen. (Archivbild) Foto: Bernd Kuschner

    Wie "lernt" man Zen? Gibt es eine Art Ausbildung?

    Cleve: Es gibt im Zen die Möglichkeit, als Schüler:in begleitet zu werden, um ein tieferes Verständnis zu bekommen. Das ist aber keine formelle Ausbildung, sondern das Wissen wird von Meister:in zu Schüler:in weitergegeben. Es geht darum, das im Alltag zu leben und nicht darum, etwas zu erreichen oder Lehrer zu werden. Es gibt im Zen den Spruch: Die Kunst ist, so zu praktizieren, dass es niemand merkt. Also es nicht als etwas rauszustellen, über das man sich definiert, sondern es einfach so zu leben, als innere Haltung.

    Was machen Sie konkret, wenn Sie Zen praktizieren?

    Cleve: Es gibt einmal die Möglichkeit intensiverer Übungstage, zum Beispiel in einem Kurs. Das bedeutet, viel zu meditieren, entweder im Sitzen oder im Gehen oder in der Ausübung von Hausarbeit. Es geht darum, alle Gefühle und Gedanken wahrzunehmen und nicht zu werten. Wenn ich draußen durch den Regen laufe und nass werde, sagt unser Geist, ach das ist blöd, das möchte ich nicht und wehrt sich dagegen. Und wenn es heiß ist, wünscht man sich den Regen. Oft haben wir einen sehr unzufriedenen Geist. Im Zen ist die Übung, das alles erst einmal zu betrachten und nicht zu werten, den Gedanken anzuschauen und wieder gehen zu lassen.

    "Es gibt im Zen den Spruch: Die Kunst ist, so zu praktizieren, dass es niemand merkt."

    Nils Cleve

    Und wie setzen Sie das im Alltag um?

    Cleve: Im Alltag übt man genau das in jedem Moment. Es gibt im Zen den Begriff "Anfängergeist". Das bedeutet, alles so zu tun, als ob man es zum ersten Mal macht. Wenn ich die Orange schäle, denke ich vielleicht daran, dass ich gleich noch Kaffee kochen muss. Und die Übung wäre, die Orange so zu schälen, als würde ich es das erste Mal machen. Die Herausforderung ist, das immer wieder neu zu üben. In jedem Moment vollkommen achtsam und gegenwärtig zu sein, zu erkennen, dass man mit den Gedanken abschweift, ist Teil des Übungsweges. Gerade wenn man jetzt Anfang 30 ist, muss man ja zum Beispiel auch Entscheidungen in Richtung Altersvorsorge treffen. Diesen Spagat zwischen 'Ich denke für die Zukunft voraus' und 'Ich lebe im Moment' finde ich sehr spannend.

    20 Jahre Benediktushof2003 gründete Zen-Meister Willigis Jäger den Benediktushof als Zentrum für Meditation und Achtsamkeit. Das überkonfessionelle Bildungszentrum liegt in Holzkirchen in einem ehemaligen Benediktinerkloster aus dem 8. Jahrhundert. Unter dem Titel "Generation Zukunft" rückt der Benediktushof junge Menschen in den Mittelpunkt und bietet Kurse speziell für diese Zielgruppe an.Quelle: Benediktushof

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