Die Redaktion erreicht Stefan Köhler am Montagmittag in München. In der bayerischen Landeshauptstadt verbringt der 56-jährige Landwirt aus Wiesen (Lkr. Aschaffenburg) die ersten Stunden als frisch gewählter Europaabgeordneter.
Mit dem CSU-Politiker Köhler aus dem Hochspessart zieht fünf Jahre nach dem Ausscheiden von Kerstin Westphal (SPD) wieder ein Unterfranke ins Europarlament ein. Ein Erfolg, den sich nicht zuletzt auch der CSU-Bezirksvorsitzende Steffen Vogel auf die Fahnen schreiben darf. Es war seine Idee, den gut vernetzten unterfränkischen Bauernpräsidenten Köhler für die CSU-Europaliste zu gewinnen und dort aussichtsreich zu positionieren. Jetzt liegt es an Köhler, auch zu liefern.
Frage: Herr Köhler, Glückwunsch zur Wahl ins Europaparlament. Wie läuft der erste Tag als Abgeordneter?
Stefan Köhler: Spannend. Ich bin in München heute früh etwas später aufgestanden als sonst daheim auf dem Hof. Und habe mich gefreut, als um 7.35 Uhr die Mail der Bundeswahlleiterin eintraf, dass ich tatsächlich gewählt bin.

Am Wahlabend war das nicht gleich klar?
Köhler: Bei der ersten Prognose mit 38,5 Prozent für die CSU habe ich mit meinem sechsten Listenplatz doch etwas gezittert. Dann hieß es zwischenzeitlich, es könnten sogar sieben CSU-Abgeordnete werden, dann wieder sechs. Ich bin dann ganz entspannt ins Bett gegangen.
Und wie ging es heute weiter?
Köhler: Am Vormittag hat der CSU-Parteivorstand getagt, jetzt am Mittag konstituiert sich die Gruppe der sechs CSU-Europaabgeordneten – mit mir als einzigem Neuling. Einen Flug von Frankfurt nach Brüssel, wo sich am Dienstag die CDU- und CSU-Abgeordneten innerhalb der EVP-Fraktion zum ersten Mal treffen, habe ich auch schon gebucht. Ich freue mich auf die Aufgabe, bin sehr motiviert. Vorher geht es heute Abend aber nochmal kurz nach Hause.

Apropos zu Hause, wer kümmert sich denn künftig um ihre Kühe und den Ackerbau in Wiesen?
Köhler: Die Getreidefelder bewirtschafte ich schon länger in Kooperation mit Kollegen, das läuft so weiter. Um die Mutterkühe kümmern sich meine Eltern und meine Frau. Die sind jetzt stärker als bisher gefordert, eventuell reduzieren wir die Zahl der Tiere ein wenig. Mittelfristig steigt vielleicht auch mein Sohn mit ein, der studiert jetzt Landwirtschaft.
Werden Sie denn als Europaabgeordneter nach Brüssel ziehen?
Köhler: Mal schauen, wie sich die Arbeit entwickelt. Erst einmal werde ich ein Hotelzimmer beziehen, vielleicht später auch ein Appartement. Aber klar ist, dass ich am Wochenende weiter daheim am Hof mitanpacken werde - jetzt im Sommer beim Heumachen zum Beispiel. Ich bin das Arbeiten gewohnt, außerdem sollten Politiker den Bezug zur Praxis nicht verlieren.

Was wird aus dem Amt des unterfränkischen Bauernpräsidenten?
Köhler: Ich will mal sehen, ob es zeitlich zu schaffen ist, das Amt parallel zur Abgeordnetentätigkeit vernünftig auszufüllen. Wenn es zu viel wird, finden wir Lösungen.
Im Europaparlament wollen Sie vor allem Lobbyist für die Landwirtschaft sein?
Köhler: Das wäre zur kurz gegriffen. Ich verstehe mich als regionaler Ansprechpartner für alle wichtigen Themen. So hat beispielsweise die Wirtschaft schon vor der Wahl mit mir Kontakt aufgenommen. Aber klar, mein Herz gehört den Themen Landwirtschaft und Umwelt. Ich will mithelfen, dass der Green Deal zukunftsorientiert und praktikabel gestaltet wird, mit weniger Bürokratie und Verboten. Niemand ist gegen Umweltschutz, wir müssen die Bäuerinnen und Bauern aber in Zukunft mit ihren Sorgen besser mitnehmen.
Ein unterfränkisches Thema haben Sie schon am Wahlabend angesprochen, den Umgang mit Wölfen.
Köhler: Da besteht dringender Handlungsbedarf. Europa muss zum einen den Schutzstatus für den Wolf herabsetzen. Zum zweiten muss es für die Behörden in der Rhön oder im Spessart rechtssicher möglich sein, Problemtiere auch zu entnehmen, wenn sie zur Gefahr für die Weidetierhaltung werden.