Seit Monaten ist die Vier-Tage-Woche ein großes Thema in der Wirtschaft. Als die IG Metall im April diese Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn forderte, gingen die Meinungen erst recht auseinander. Die Unternehmerin Angelique Renkhoff-Mücke aus Marktheidenfeld (Lkr. Mains-Spessart) lehnt die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn ab.
Die 60 Jahre alte Chefin des auf Sonnenschutztechnik spezialisierten Warema-Konzerns ist überzeugt, dass ein solches Modell der Wirtschaft schaden würde. Zeitgemäß sei es sowieso nicht, sagt Renkhoff-Mücke, die seit vielen Jahren auch Verhandlungsführerin des bayerischen Unternehmensverbandes bayme/vbm bei Tarifverhandlungen ist, im Interview.

Frage: Die IG Metall will die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn. Ist das realistisch, Träumerei, unverschämt?
Angelique Renkhoff-Mücke: Das ist aus meiner Sicht eine unrealistische Forderung. Wir beklagen derzeit in allen Branchen einen Fachkräftemangel. Wenn also die Arbeitszeit grundsätzlich um 20 Prozent reduziert werden soll, dann frage ich mich, woher wir denn all die Fachkräfte bekommen. Wir haben jetzt schon Produktivitätseinbußen, weil wir nicht genügend Arbeitskräfte haben. Das würde dem Standort Deutschland schaden.
Was stört Sie insbesondere am vollen Lohnausgleich bei weniger Arbeit?
Renkhoff-Mücke: Auch das ist unrealistisch. Wir würden letztendlich für die Unternehmen die Kosten massiv erhöhen. Das würde im Umkehrschluss dazu führen, dass die Güter teurer werden. Damit würden wir in Deutschland die Inflation wieder anfeuern. Wir wären international nicht mehr wettbewerbsfähig.
Work-Life-Balance, Generation Z, New Work: Solche Begriffe stehen für ein neues Denken rund um Arbeit und Arbeitszeit. Die Vier-Tage-Woche passt da rein und wird sich nicht mehr vermeiden lassen, oder?
Renkhoff-Mücke: Flexibilisierung der Arbeit hat derzeit einen hohen Stellenwert. Das kann ich absolut nachvollziehen. Es ist etwas, womit wir uns als Unternehmen auseinandersetzen müssen. Es gibt viele Lösungen, wie man den Mitarbeitenden Angebote machen kann, so flexibel wie möglich zu arbeiten. Das ist der Wunsch vieler Mitarbeiter.
Flexibel zu arbeiten heißt aber nicht zwangsläufig, auch weniger zu arbeiten.
Renkhoff-Mücke: Doch. Auch für weniger Arbeiten gibt es schon sehr gute Regelungen. Ein Arbeitnehmender hat schon heute das Recht, seine Arbeitszeit auf bis zu 32 Stunden pro Woche zu verkürzen – natürlich mit entsprechender Anpassung des Gehaltes. Man kann auch im Homeoffice flexibler arbeiten. Rund um die Produktion ist das natürlich etwas schwieriger. Aber auch da sind aus meiner Sicht die Unternehmen dabei, flexible Lösungen zu finden. Man kann bei der Arbeitszeit zum Beispiel über Flex-Konten einiges machen. Allerdings engt uns die Gesetzgebung bei der Flexibilisierung immer noch ein Stück weit ein.
Zum Beispiel?
Renkhoff-Mücke: Dazu gehört, dass die tägliche Arbeitszeit zehn Stunden nicht überschreiten darf. Die Unternehmen fordern seit langem, dass das flexibler gehandhabt wird. Das heißt aber nicht, dass es ständig Zehn-Stunden-Tage geben muss. Es sollte vielmehr individuell entschieden werden können, dass diese Grenze auch mal überschritten wird.
Eine Vier-Tage-Woche wird nicht in allen Wirtschaftsbereichen umsetzbar sein. In welcher Art von Unternehmen überhaupt nicht?
Renkhoff-Mücke: Man kann das nicht nach Unternehmensbereichen aufteilen. Das hängt an jedem einzelnen Unternehmen und an seiner Art der Zusammenarbeit. Es ist wichtig, dass jedes Unternehmen für sich entscheiden kann, welche Modelle angewendet werden. Wir sind hier in einer Evolution, so dass es immer mehr Betriebe gibt, die mit einer Vier-Tage-Woche leben können. Sie bedeutet im Übrigen nicht immer: arbeiten von Montag bis Donnerstag. Das kann auch mal zum Beispiel von Mittwoch bis Samstag sein. Vier-Tage-Woche bedeutet also nicht zwangsläufig langes Wochenende.

Thomas Höhn hat als Chef der IG Metall in Schweinfurt im Interview mit dieser Redaktion gesagt: Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn heiße, dass die Beschäftigten ausgeruhter, entspannter und gesünder seien. Können Sie das als Unternehmerin unterschreiben?
Renkhoff-Mücke: Die Gesundheit der Mitarbeitenden ist ein ganz wichtiges Gut. Ich glaube aber nicht, dass man allein mit 32 Stunden Arbeit pro Woche ein gesundes Leben führen kann.
Gibt es bei Warema eine Vier-Tage-Woche? Wenn ja, in welcher Form?
Renkhoff-Mücke: Es gibt bei Warema eine Ein-, Zwei-, Drei-, Vier- oder Fünf-Tage-Woche – je nachdem, welche Arbeitszeitmodelle die Mitarbeiter wählen. Es gibt also welche, die nur wenige Stunden arbeiten, weil sie das nur so mit der Familie vereinbaren können. Es gibt Mitarbeiter, die zum Beispiel drei halbe Tage arbeiten. Es gibt selbst in der Produktion ganz unterschiedliche Schichtmodelle, wo sich Mitarbeiter Schichten teilen. Insofern: Es gibt alles.

Wenn ein Unternehmen interessante Arbeitszeitmodelle anbieten kann, wird es interessant für Fachkräfte. Wie ist das bei Warema, was hören Sie von anderen Betrieben?
Renkhoff-Mücke: Der Einschätzung kann ich zustimmen. In der heutigen Zeit muss man flexible Modelle anbieten, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Insofern würden starre Vorgaben wie eine Vier-Tage-Woche diesem flexiblen Rahmen widersprechen.
Nochmal zur Attraktivität: Angenommen, Warema hat 10 neue Beschäftigte. Wie viele davon kommen, weil Warema flexible Arbeitszeit hat?
Renkhoff-Mücke: Das kann ich nicht konkret beantworten. Ich kann nur sagen, dass wir in Vorstellungsgesprächen zu diesem Thema immer wieder gefragt werden. Das Zünglein an der Waage ist dann oftmals diese Flexibilität.